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Der wahre Batman-Background
von Isabelle Klein
Mit Bill Finger würdigen der Comic-Texter Julian Voloj und der Zeichner Erez Zadok in ihrer gleichnamigen Biographie-Graphic-Novel jenen kreativen Gedankenschöpfer, der viele Jahre verkannt und unbekannt hinter dem heute weltweiten “Batman“-Imperium steht, und das dem Verlag DC (nach “Superman”) seinen Ruhm bescherte.
Bill Finger, Zeit seines Lebens im Hintergrund, fleissig, diskret, stirbt genau so im Alter von nur 59 Jahren unbemerkt in seinem New Yorker Appartement. Zurück bleibt ein unauffälliges Leben. Doch nach und nach findet die Geschichte Bill Fingers ans Licht, nicht zuletzt durch den absoluten Superhelden-Fan Marc Nobleman.
Die Graphic Novel “Bill Finger” erzählt retrospektiv die Geschichte des amerikanischen Comic-Autoren Bill Finger, des “wahren Schöpfers des dunklen Ritters” alias “Batman”. Beginnend in den frühen 1980-ern mit Bills Enkelin Athena – welch treffende Namenswahl ihres frühzeitig an HIV verstorbenen Vaters! – begegnen wir dem Werk Fingers das erste Mal. Raffiniert verweben nun Voloj und Zadok die weiteren Handlungseben miteinander: Neben der 1982er Geschichte um Athena und ihren Vater Freddy schwenken sie auf die Szenerie des Jahres 2006, als Marc Tyler Nobleman sich auf die jahrelange mühselige und intensive Suche der Spuren des unbekannten Mitschöpfers von “Batman” macht. Ohne ihn, seinen Enthusiasmus und seine unermüdliche Recherche wäre Athenas Erfolg 2015 (die posthume Ehrung ihres Grossvaters von Seiten des DC-Verlages) nicht möglich gewesen.
Akribische Zeugen- und Ortssuche

So kommen wir auf dieser zweiten Ebene dem Wesen Fingers durch akribische Zeugen- und Ortssuche näher und erfahren in zahlreichen Interview-Ausschnitten vieles über Fingers Lebensumstände, Arbeit und Mitstreiter. Dabei zeigt sich auch Volojs kritischer Blick auf das Geschäft mit den milliardenschweren Superhelden-Comics, bis heute.
In der dritten und eng mit der zweiten Ebene verknüpften Ebene begegnen wir dem jungen Bill Finger selbst: 1936 trifft er auf Bob Kane und die folgenschwere Zusammenarbeit, die zu “Batman” führen sollte.
Farbstile als Strukturierungsmittel
Graphisch ist dieses manchmal doch etwas verwirrende Hin und Her zwischen den Strängen und Zeiten genialerweise durch die Wahl verschiedener Farbstile gelöst. So wie jedes Jahrzehnt spezielle technische Voraussetzungen schafft und dementsprechend auch unterschiedliche Stile und Farbelemente sein eigen nennt, kreiert Zeichner Zadok eben auch die entsprechende künstlerische Umsetzung jeder Geschichte: Beispielsweise jene von Finger im typischen Retrostil mit jeder Menge Sepia. Die 2006er Ebene ist demensprechend kühler, blaustichiger und dadurch moderner.
Ehre wem Ehre gebührt

“Egal um was es geht, jeder sollte Anerkennung für das Bekommen, was er und sie tut, egal ob künstlerisch gut oder schlecht. Anerkennung ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Würde.” (Marc Tyler Nobleman im Vorwort). Am Ende der kurzweiligen, informativen, spannenden und traurigen Lektüre bleibt zu sagen: Eine exzellente Veröffentlichung bei Carlsen Comic! Eine Graphic Novel, die mir rundum gefällt und auch zeichnerisch sehr gelungen ist. Letzteres ist immer ein sehr subjektives Kriterium, doch für mich – egal wie gut der Plot dahinter sein mag – oft ein K.O.-Kriterium.
Doch so viel Lob dieses kleine Meisterwerk auch verdient und sicherlich auch bekommen mag, ein kleiner Kritikpunkt bleibt: Während der ausschweifenden Spurensuche Noblemans bleibt der wahre Held des Titels im Hintertreffen, viele Aspekte seines Lebens werden nur schlaglichtartig beleuchtet; ich hätte gerne mehr gewusst, gelesen und betrachtet. Doch wie sich einem Menschen nähern, wenn vieles unwiderbringlich in der Dunkelheit der Zeit entschwunden ist?
Hommage an Finger und Nobleman
Zudem, auch das wird mit etwas Abstand nach der Lektüre deutlich: Diese GN ist eine Hommage an Bill Finger und an Marc T. Nobleman. Die unermüdliche Arbeit des Letzteren bringt viel Licht in das Schaffen eines ausserordentlich kreativen Kopfes, womit er mindestens ebenso wichtig war wie jener, der den ganzen Ruhm letztlich erntete. Es ist Noblemans Verdienst, dass vieles, das sonst im Dunkeln vergraben geblieben wäre, nach vielen Jahrzehnten ans Licht gebracht und letztlich ins richtige Licht gerückt wurde.
Mit dieser “Wahren Geschichte des Dunklen Ritters” gelingt dem Duo Julian Voloj und Erez Zadok eine exzellente graphische sowie erzählerisch anspruchsvolle Geschichte in Comicform – eine Graphic Novel mit wirklich viel Mehrwert. “Der Mensch braucht Würdigung seiner Arbeit”, dies ist essenziell gerade am Beispiel Bill Fingers.
Die wahre Kraft hinter dem Batman-Universum

Nicht nur zeichnerisch anspruchsvoll und gekonnt eindrucksvoll, vermittelt diese GN viel Wissen und transportiert dabei viel Emotionales rund um Bill Finger, sie rückt zudem die Sisyphus-Arbeit Noblemans ins rechte Licht, der zusammen mit Athena Finger den Grundstein für Bills heutiges Vermächtnis liefert. Zudem zeigt Voloj auf den Punkt gebracht die schöpferische Kraft, die Finger in Bezug auf “Batmans” Universum war.
Das alles schafft ungemeine Lust, sich in die Tiefen von “Batman” und “Gotham City” zu begeben, wenngleich das Verhältnis zum Beispiel der Rezensentin zu Superhelden und Comics schon immer ein ambivalentes war… Aber Batman ist eben anders, ist mehr als alle anderen. ♦
Julian Voloj & Erez Zadok: Bill Finger – Der wahre Schöpfer des dunklen Ritters, Graphic Novel, 144 Seiten, Carlsen Comics, ISBN 9783551711366