Zitat der Woche: Brauchen wir Musik? (Hans G. Bastian)

Brauchen wir Musik?

Ange­sichts der stän­di­gen Wis­sens­explo­sion kann die ste­tig höher gelegte Mess­latte an berufs­qua­li­fi­zie­ren­den Per­sön­lich­keits­merk­ma­len für einen Arbeits­platz nicht über­ra­schen. Poli­tik, Wirt­schaft und Indus­trie fokus­sie­ren im Sinne von Schlüs­sel­qua­li­fi­ka­tio­nen: Extra­ver­sion als Kon­takt­fä­hig­keit, Ver­träg­lich­keit als Team­fä­hig­keit, Gewis­sen­haf­tig­keit als Ver­ant­wor­tungs­be­reit­schaft, emo­tio­nale Sta­bi­li­tät als see­li­sche Belast­bar­keit in Stress-Situationen.

Hans Günther Bastian - Kinder optimal fördern, mit Musik - Intelligenz, Sozialverhalten und gute Schulleitstungen durch Musikerziehung
Hans Gün­ther Bas­tian: Kin­der opti­mal för­dern – mit Musik

Ist also Musik nicht ein idea­les Medium und Forum zur effek­ti­ven För­de­rung eben die­ser Per­sön­lich­keits­merk­male? Sie for­dert und för­dert Extra­ver­sion im aus­drucks­star­ken Spiel, Team­fä­hig­keit im Ensem­ble­mu­si­zie­ren, Gewis­sen­haf­tig­keit gegen­über dem musi­ka­li­schen Werk und der Musik­so­zie­tät, emo­tio­nale Sta­bi­li­tät im Podi­ums­stress der Kunst­dar­bie­tung, Intel­li­genz in der kon­ge­nia­len Inter­pre­ta­tion eines musi­ka­li­schen Werkes.

Hans Günther Bastian - Musikpädagoge - Glarean Magazin
Hans Gün­ther Bastian

Wenn ein Künst­ler (so Jascha Hei­fetz) die Ner­ven eines Stier­kämp­fers, die Kon­zen­tra­tion eines bud­dhis­ti­schen Mönchs und die Chuzpe einer Nach­club­be­sit­ze­rin braucht, dann wird Musik diese Eigen­schaf­ten auch aus­prä­gen, und sie wer­den dem Men­schen nicht nur in der Musik selbst zum Vor­teil sein.”

Aus Prof. Dr. Hans Gün­ther Bas­tian: Kin­der opti­mal för­dern mit Musik – Intel­li­genz, Sozi­al­ver­hal­ten und gute Schul­leis­tun­gen durch Musik­erzie­hung, Schott Ver­lag, 3. Aufl. 2003

Lesen Sie im Glarean Maga­zin auch das Zitat der Woche über “Musik und Emo­tio­nen”: Warum klingt Dur manch­mal so trau­rig wie Moll?

… sowie zum Thema Musik und Neu­ro­wis­sen­schaft: Musik als sozia­les Experimentierfeld

2 Kommentare

  1. HG Bas­tian wurde vor allem durch seine Lang­zeit­stu­die bekannt, die zum Ergeb­nis gelangte, dass wenn Kin­der mehr Musik­un­ter­richt statt Schul­fä­cher erhiel­ten, am Ende mess­bar höhere IQ auf­wie­sen und in der Schule gene­rell bes­ser wur­den. Es folgte natür­li­cher­weise eine pole­mi­sche Debatte…

    Wich­tig wäre heute zu prä­zi­sie­ren: Wir brau­chen nicht irgend wel­che Musik, son­dern klas­si­sche Musik. Zur Kon­tex­tu­ie­rung: ich mag auch Volks­mu­sik, Rock­mu­sik, und sel­ten, aber es gibt sie auch, gute Pop­mu­sik, Blues, aus­ser­eu­ro­päi­sche Musik etc.. Aber die euro­päi­sche Klas­sik hat eine ein­zig­ar­tige Stel­lung, und deren geis­ti­ger Gehalt ist vie­len nicht mehr erschliessbar.

    Durch die Corona-Krise sind frei­schaf­fende klas­si­sche Musi­ker und Orches­ter mehr als alle ande­ren Berufs­spar­ten gefähr­det. Frü­her gab es einen brei­ten gesell­schaft­li­chen Kon­sens über die Bedeu­tung klas­si­scher Musik, spä­ter hat­ten wir genug Geld, um uns die­sen “Luxus” zu leis­ten. Und nach Corona? Es gibt weder den Kon­sens noch das Geld…

    Musik im Zeit­al­ter sei­ner Repro­du­zier­bar­keit ist all­ver­füg­bar. Nur geht dar­über ver­ges­sen, dass jedes Kon­zert ein ein­ma­li­ger Akt höchs­ter gemein­sa­mer Kon­zen­tra­tion auf die­sen einen Moment bedeutet.

    Klas­si­sche Musik ist weit mehr als ein Ver­gnü­gen, es ist eine Kul­tur­tech­nik, die das Geis­tige im Men­schen kul­ti­viert und bewahrt!

    Wir wer­den in der Folge von Corona sehen, ob sich diese Sicht gegen­über einer brei­ten Mit­tel­schicht behaup­ten kann, die gerne die Stät­ten der Klas­sik mit ihren wum­mern­den Beats beset­zen möchte, wäh­rend auch ver­mehrt Inten­dan­ten die­ser Häu­ser sich gerne modern und offen geben möch­ten, und sich sze­nen­mäs­sig anbie­dern, oder mit­tel­mäs­sige Künst­ler mit frag­wür­di­gen Musik­ver­ste­hen als Haus­so­lis­ten einladen.

    Ja, wir brau­chen Musik, und nicht irgend eine!

    • Na ja, man darf nicht verallgemeinern!

      Unbe­strit­ten ist zwar, dass Klas­si­sche Musik meist dif­fe­ren­zier­ter daher­kommt als Pop- oder Volks­mu­sik. Und es mag sein, dass heut­zu­tage die durch­schnitt­li­che musi­ka­li­sche Bil­dung nicht mehr aus­reicht, um den “geis­ti­gen Gehalt euro­päi­scher Klas­sik” mit ihrem rie­si­gen kul­tur­ge­schicht­li­chen Back­ground zu erschliessen.

      Ande­rer­seits sollte man nicht so ver­snobt sein, ein Genre gegen das andere auszuspielen.
      Es gibt extrem lang­wei­lige klas­si­sche Musik und hoch­span­nende Rock-Stü­cke. Wer sich in der Musik­ge­schichte aus­kennt, wird für bei­des Bei­spiele en masse finden.
      Das Wich­tigste ist also: genau hinhören!

      Musik und Corona – das ist wie­der eine ganz andere Schiene. Hat mei­nes Erach­tens weni­ger mit Ästhe­tik als mit Kul­tur­po­li­tik zu tun…

      Serge

Kommentare sind willkommen! (Keine E-Mail-Pflicht)