“Nach dem für die Zwischendominante beschriebenen Prinzip erklärt sich auch die für die Wissenschaft verwunderliche Tatsache, dass Durakkorde bisweilen ebenso traurig klingen können wie Mollakkorde, wenn sie als Dominante einer Molltonart erscheinen. Die sonst übliche emotionale Dur-Moll-Kontrastwirkung ist dann nämlich vollständig erloschen:
Die dominantischen Durakkorde im zweiten Takt des Vorspiels von “Die liebe Farbe” aus dem Zyklus “Die schöne Müllerin” (hier rot gekennzeichnet) klingen ebenso traurig wie die Mollharmonien des ersten Taktes, da sie deren emotionale Wirkung übernehmen.
Identifizieren wir uns bei einer Molltonika mit einem Gefühl des Nicht-Einverstanden-Seins und bei deren Durdominante […] mit einem Willen gegen den Wieder-Eintritt der Molltonika, dann ergibt sich für die Dominante eine Situation, die – konsequent formuliert – folgendermassen beschrieben werden kann:
Bei der Dominante einer Molltonika identifizieren wir uns mit einem Gefühl des Nicht-Einverstanden-Seins mit einem Gefühl des Nicht-Einverstanden-Seins. Die Anwendung unserer Theorie auf die Harmoniefolge Dominante-Molltonika führt also zu einer Art Pleonasmus.
Das erklärt nun, dass der Harmoniewechsel Molltonika-Dominante-Molltonika nur einen gemeinsamen emotionalen Gehalt vermitteln kann, nämlich den der Molltonika, also wie im obigen Schubert-Beispiel einen traurigen”. ♦