Horst Evers: Bumm! – Kriminalgeschichten

Ablenkung ist alles

von Sigrid Grün

Horst Evers, der im ver­gan­ge­nen Jahr mit dem Deut­schen Kaba­rett­preis aus­ge­zeich­net wurde, ist ein begna­de­ter Geschich­ten­er­zäh­ler. Mit “Bumm!” legt er nun eine Samm­lung von Kri­mi­nal­ge­schich­ten vor, die nicht-linear und epi­so­disch erzählt wer­den. Einige Figu­ren, oder viel eher Namen tau­chen immer wie­der auf. Bei der Lek­türe ahnt man rela­tiv bald, dass es da einen Zusam­men­hang geben könnte…

Horst Evers: Bumm! - KriminalgeschichtenBumm!” – das sind sechs Geschich­ten, die zwi­schen dem 19. und dem 21. Jahr­hun­dert ange­sie­delt sind. Von Napo­leon bis hin zu Poli­zei-Cyborgs ist eine Menge gebo­ten, vor allem Span­nung und Unterhaltung:

  1. Ein Autor schreibt eine Geschichte und wird plötz­lich fest­ge­nom­men, weil er einen Mord began­gen haben soll. Sein Nach­bar, der seit über einer Woche ver­schwun­den ist, liegt bru­tal zuge­rich­tet in sei­ner Woh­nung – und alles deu­tet dar­auf hin, dass Bas­tian Starck der Täter ist. Aber der Autor ist sich sicher, dass es eine sei­ner Roman­fi­gu­ren war.
  2. Ernst Gen­nat, die Ber­li­ner Kri­mi­na­lis­ten-Legende, ist noch Kri­mi­nalas­sis­tent, als zu Beginn des 20. Jahr­hun­derts eine grau­same Mord­se­rie Ber­lin erschüt­tert. Die Bou­le­vard­presse, die gerade erst gebo­ren wurde, ist stets haut­nah dabei und ver­öf­fent­licht die grau­si­gen Fotos der Toten. Ein Wett­lauf gegen die Zeit beginnt…
  3. Ein Kunst­samm­ler wird Opfer eines Spreng­stoff­an­schlags, bei dem zum Glück kei­ner ums Leben kommt. Seine Frau und seine acht­mo­na­ti­gen Zwil­linge wer­den ent­führt – aber die Täter wol­len kein Geld, son­dern die Welt zu einem bes­se­ren Ort machen.
  4. Horst Evers - Schriftsteller - Glarean Magazin
    Leicht­fü­ßig vom Mor­den erzählt: Krimi-Autor Horst Evers (geb. 1967)

    Phil­ippe Robert, ein Halb­fran­zose, der wäh­rend der Napo­leo­ni­schen Herr­schaft im König­reich West­pha­len als Haupt­mann von Tan­ger­münde ein­ge­setzt wurde, schreibt Briefe an seine Schwes­ter. Er steht unter Druck, weil eine Mord­se­rie nicht abrei­ßen will.

  5. 2043 wird ein Mann durch gene­tisch ver­än­derte Mücken getö­tet. Bei den Ermitt­lun­gen zeigt sich aber bald, dass es um weit mehr geht als um einen Mord.
  6. Und in der fina­len Geschichte “Jedes Ende beginnt mit einem Anfang” wer­den die Hand­lungs­fä­den geschickt mit­ein­an­der ver­floch­ten – und es wird klar, wie alles zusammenhängt.

Spannung vor historischem Hintergrund

Horst Evers erzählt höchst unter­halt­sam und häu­fig vor his­to­ri­schem Hin­ter­grund von Poli­zis­ten, die sich die Zähne an einer Geheim­or­ga­ni­sa­tion aus­bei­ßen, und deren Motto “Ablen­kung ist alles” lau­tet. Die Legende um den “Tele­gra­phen” ist all­ge­gen­wär­tig – und doch ist er nicht zu fassen.
Ein Groß­teil der Geschich­ten spielt in Ber­lin und im Ber­li­ner Umland. Und ent­spre­chend gibt es auch ber­li­nernde Poli­zis­ten, die mal mehr und mal weni­ger Ahnung haben.

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Sehr inter­es­sant fand ich die his­to­ri­schen Hin­ter­gründe. “Der Haupt­mann von Tan­ger­münde” spielt in den Jah­ren 1807 und 1813 im König­reich West­pha­len, einem Satel­li­ten­staat des Ers­ten Fran­zö­si­schen Kai­ser­reichs. Der Modell­staat, des­sen Ter­ri­to­rium sich unter ande­rem bis ins heu­tige Sach­sen-Anhalt hin­ein erstreckte, exis­tierte genau in die­sem Zeit­raum: von 1807 bis 1813.

Auch die Anfänge der Kri­mi­na­lis­ten­le­gende Ernst Gen­nat wer­den sehr leben­dig vor dem Hin­ter­grund des her­auf­zie­hen­den 20. Jahr­hun­derts in der Reichs­haupt­stadt Ber­lin geschil­dert. Es geht um Raub­kunst und Künst­li­che Intel­li­genz, um Krieg und Ter­ror – und natür­lich auch um die Pan­de­mie, deren Nach­we­hen in “Bumm!” ebenso ver­ar­bei­tet wer­den wie radi­kale öko­lo­gi­sche Ideologien.

Leichtfüßig vom Morden erzählt

Ich bin zuge­ge­be­ner­ma­ßen kein Krimi-Fan. Ab und an lese ich klas­si­sche Kri­mi­nal­ro­mane, aber in den meis­ten Fäl­len ist mir das Genre zu tri­vial. Horst Evers, des­sen Geschich­ten ich seit über zehn Jah­ren kenne, und den ich sehr für sei­nen Humor schätze, wollte ich mir dann aber doch nicht ent­ge­hen las­sen. Es hat sich gelohnt! Er erzählt leicht­fü­ßig und so humor­voll wie kaum ein ande­rer vom Mor­den und vom Ermitteln. ♦

Horst Evers: Bumm! – Kri­mi­nal­ge­schich­ten, Rowohlt Ver­lag, 288 Sei­ten, ISBN 978-3-7371-0135-6

Lesen Sie im GLAREAN MAGAZIN zum Thema Krimi auch über Mick Fin­lay: Arro­wood – Die Mördergrube


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