Brekke & Olafsson: The Chess Saga Of Fridrik Olafsson

Denkmal für eine Schach-Legende

von Ralf Binnewirtz

Mit Freude und Genug­tu­ung dürf­ten die schach­be­geis­ter­ten Islän­der, aber auch die meis­ten Schach(buch)freunde welt­weit diese “Chess Saga of Fri­d­rik Ólaf­s­son” begrü­ßen, die die rund 70 Jahre umspan­nende Schach­lauf­bahn von Fri­d­rik Ólaf­s­son erst­mals für eine glo­bale Leser­schaft in Eng­lisch darlegt.
Die Neu­erschei­nung basiert auf Ólaf­s­sons Par­tie­samm­lung aus dem Jahre 1976 mit ledig­lich 50 Par­tien, die in Alt­nor­we­gisch (Islän­disch) ver­fasst war. Mit nun­mehr 114 vor­bild­lich kom­men­tier­ten Par­tien und vier End­spie­len sowie einer reich­hal­ti­gen Bebil­de­rung bil­det das aktu­elle Werk eine wür­dige Auf­ar­bei­tung von Ólaf­s­sons schach­li­chem Erbe.

The Chess Saga of Fridrik Ólafsson - Schach-Biographie - Rezensionen Glarean MagazinDer inzwi­schen 86-jäh­rige Fri­d­rik Ólaf­s­son (GM-Titel 1958) hat seine Schach­erfolge weit­hin als Ama­teur erstrit­ten, allen­falls zeit­wei­lig hat man ihn als Halb-Profi erlebt. Beruf­lich war er als Jurist tätig (u.a. 1968-74 als Beam­ter in der Islän­di­schen Abtei­lung für Jus­tiz und Kir­che), 21 Jahre (ab 1982) war er Gene­ral­se­kre­tär des islän­di­schen Par­la­ments “Alt­hingi”, zudem ist er als FIDE-Prä­si­dent mit kur­zer Amts­zeit (1978-82) in Erin­ne­rung – über die Hin­ter­gründe sei­ner Nicht­wie­der­wahl 1982 gibt Kap. 8 Aus­kunft. Sein Pri­vat­le­ben wird im Buch nur mar­gi­nal gestreift, 1962 hat er Audus Juli­us­dót­tir gehei­ra­tet, die ihm zwei Töch­ter schenkte.

Aufstieg zum Weltklassespieler

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Trotz der nach­tei­li­gen geo­gra­fi­schen Insel­lage Islands reifte Ólaf­s­son im Laufe der 50er Jahre zu einem star­ken Groß­meis­ter heran, der es bis in das WM-Kan­di­da­ten­tur­nier 1959 in Bled/Zagreb/Belgrad schaffte, und der sich auch den gefürch­te­ten Sowjet­rus­sen häu­fig als eben­bür­tig erwies. Ins Buch auf­ge­nom­mene, teils glanz­volle Gewinn­par­tien gegen die Schach­grö­ßen sei­ner Zeit zeu­gen von sei­ner enor­men Spiel­stärke, die immer wie­der auf­schien, auch als längst andere Prio­ri­tä­ten Ólaf­s­sons Leben bestimmten.
Sein Spiel­stil war auf Angriff aus­ge­rich­tet, stra­te­gi­sche Meis­ter­stü­cke wie sein Sieg gegen Res­hevsky 1963 erga­ben sich sel­ten. Viel­mehr haben bril­lante Angriffs­siege wie gegen Wade 1954, Elis­ka­ses 1960 oder Tal 1975, um nur wenige zu nen­nen, das Bild eines uner­schro­cke­nen Schach-Vikin­gers geprägt, der seine Anhän­ger begeis­terte, und der als Natio­nal­held in Islands Geschichte ein­ge­gan­gen ist. “The legend will stay alive as long as the Ice­lan­dic peo­ple care for their history.” (Gud­mun­dur Thórar­in­sson in sei­nem Buch-Bei­trag “Fri­d­rik Ólaf­s­son and His Achievements”)

Chronik einer Schachlaufbahn

Islands Grandsigneur des Schachs: Fridrik Ólafsson
Islands Grand­sei­gneur des Schachs: Fri­d­rik Ólaf­s­son (geb. 1935)

Rund 95 Pro­zent des Buchs wer­den durch die Schil­de­rung von Ólaf­s­sons schach­li­chem Wer­de­gang – von 1946 bis 2016 – und von den Par­tien belegt. Diese Gesamt­chro­nik ist in zehn Kapi­tel unter­teilt, jedes Kapi­tel deckt eine mehr oder weni­ger lange Epi­sode ab, in Abhän­gig­keit vom Umfang der schach­li­chen Akti­vi­tä­ten und Ereig­nisse. Ein­ge­lei­tet wird jedes Kapi­tel durch ein eige­nes “Fron­ti­spiz” mit Legende sowie einem 1-sei­ti­gen Text, der ein Resü­mee des betref­fen­den Zeit­ab­schnitts gibt. Auch allen nach­fol­gen­den Par­tien ist ein ein­füh­ren­der Text­ab­schnitt vor­an­ge­stellt, somit gewinnt man durch die Lek­türe sämt­li­cher Text­bei­träge einen treff­li­chen Über­blick über Ólaf­s­sons Schach­kar­riere. Die Tur­nier­er­geb­nisse und Match­re­sul­tate fin­den sich bei den Par­tien, gebün­delt in der rechten/dritten Spalte des drei­spal­ti­gen Text­sat­zes. Ver­schie­dent­lich sind auch Tur­nier­ta­bel­len aus zeit­ge­nös­si­schen Quel­len repro­du­ziert worden.

Hochklassig: Partien, Bebilderung, Ausstattung

52 der 114 Par­tien wur­den von Ólaf­s­son selbst prä­sen­tiert, gege­be­nen­falls bearbeitet/ergänzt von Co-Autor Øystein Brekke. Bei den rest­li­chen Par­tien hat neben dem Letzt­ge­nann­ten eine Reihe wei­te­rer nam­haf­ter Kom­men­ta­to­ren mit­ge­wirkt. Die Kom­men­tie­rung selbst ist durch­weg aus­ge­zeich­net, idea­ler­weise geizt sie nicht mit ver­ba­len Aus­füh­run­gen und ist auch nicht zu vari­an­ten­las­tig, gele­gent­li­che Com­pu­ter­ana­ly­sen wur­den unauf­fäl­lig inte­griert. Die Par­tien wer­den durch zahl­rei­che Dia­gramme auf­ge­lo­ckert und somit für die Leser leich­ter ver­folg­bar, dazu ver­leiht eine Viel­zahl von his­to­risch inter­es­san­ten Fotos dem Band ein erfreu­lich abwechs­lungs­rei­ches Innen­le­ben. Von ins­ge­samt 115 s/w-Abbil­dun­gen sind hier 20 erst­mals ver­öf­fent­licht worden.
Dass man die­ses lie­be­voll gestal­tete Buch gerne zur Hand nimmt, ist auch auf seine gedie­gene Aus­stat­tung (Hard­co­ver-Edi­tion, Druck auf Glanz­pa­pier) und das gefäl­lige qua­dra­ti­sche For­mat (21,5 x 21,5 cm) zurück­zu­füh­ren. Eine erhel­lende Lese­probe zum Par­tie­teil sowie die bei­den Vor­worte von Gudni Jóhan­nes­son und Øystein Brekke sind online verfügbar.
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Maus­klick auf einen Zug oder eine Vari­ante öff­net das betr. Ana­lyse-Fens­ter inkl. Down­load der Partie

Blick zurück auf “goldene” Schachzeiten

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Das vor­lie­gende Werk stellt schon inso­fern eine gewisse Aus­nahme dar, als die meis­ten Schach­bü­cher aus nord­eu­ro­päi­schen Län­dern in ihren Lan­des­spra­chen geschrie­ben wer­den und daher in der übri­gen Schach­welt kaum Ver­brei­tung oder Beach­tung fin­den. Die­ses Schick­sal wird dem Ólaf­s­son-Buch sicher­lich erspart blei­ben. Zudem bie­tet es mehr als eine reine Par­tie­samm­lung, es könnte auch lehr­buch­mä­ßig als Leit­fa­den für die Angriffs­füh­rung gegen den feind­li­chen König genutzt wer­den. Und zu wei­ten Tei­len ent­führt es seine Leser in eine ver­gan­gene Zeit, wo die Schach­meis­ter noch nicht com­pu­ter­be­wehr­ten Cyborgs ähnel­ten1). Hin und wie­der lasse ich mich gerne in die alten Schach­zei­ten zurück­ver­set­zen, auch wenn diese nicht in allen Belan­gen gol­den waren… Sie viel­leicht auch? ♦

1)Vgl. John Hartmann,”Garry Kas­pa­rov Is a Cyborg, or What Chess­Base Tea­ches Us about Tech­no­logy”, in: Ben­ja­min Hale (ed.), “Phi­lo­so­phy Looks at Chess”, Chi­cago and La Salle, Ill. 2008, p. 39-63

Øystein Brekke, Fri­d­rik Ólaf­s­son: The Chess Saga of Fri­d­rik Ólaf­s­son, 288 Sei­ten, Norsk Sjakkfor­lag, ISBN 978-82-90779-28-8

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