Neurowissenschaft: Musik und Gefühle

Gehirnforschung über glückliche und traurige Musik

von Walter Eigenmann

Dass Musik (jeder Cou­leur) beim Men­schen starke und unter­schied­lichste emo­tio­nale Reak­tio­nen aus­lö­sen kann, ist bekannt; Musik und Gefühle sind eng gekop­pelt. Doch wie sind diese psy­chi­schen Mecha­nis­men neu­ro­nal loka­li­siert? Fin­ni­sche For­scher der Uni­ver­si­tät Turku um Vesa Put­ki­nen gin­gen die­ser Frage in einer Stu­die mit 102 Pro­ban­den nach.

Die Stu­die, Ende Dezem­ber 2020 im eng­li­schen Cere­bral Cor­tex Jour­nal publi­ziert, wurde im natio­na­len fin­ni­schen PET-Zen­trum durch­ge­führt. Dabei hör­ten 102 Ver­suchs­per­so­nan Musik, die Emo­tio­nen her­vor­ruft, wäh­rend ihr Gehirn mit­tels Funk­tio­nel­ler Magnet­re­so­nanz­to­mo­gra­phie (fMRT) gescannt wurde.

Instrumentalmusik von ängstlich bis zärtlich

Magnetresonanztomographie fMRT - Visualisierung der neuronalen Regionen - Glarean Magazin
Visua­li­sie­rung der neu­ro­na­len Regio­nen mit­tels Magnetresonanztomografie

Die Aus­gangs­lage prä­sen­tierte sich gemäss Put­ki­nen fol­gen­der­ma­ßen: “Musik kann ein star­kes sub­jek­ti­ves Erle­ben von Emo­tio­nen her­vor­ru­fen, aber es ist umstrit­ten, ob diese Reak­tio­nen die glei­chen neu­ro­na­len Schalt­kreise akti­vie­ren wie Emo­tio­nen, die durch bio­lo­gisch bedeut­same Ereig­nisse her­vor­ge­ru­fen werden.
Wir unter­such­ten die funk­tio­nelle neu­ro­nale Basis von musik­in­du­zier­ten Emo­tio­nen. Hierzu beka­men die Pro­ban­den emo­tio­nal anspre­chende – sprich: fröh­li­che, trau­rige, ängst­li­che und zärt­li­che – Instru­men­tal­stü­cke zu hören, wäh­rend ihre hämo­dy­na­mi­sche Hirn­ak­ti­vi­tät gemes­sen wurde”.

Musik-Karte des Gehirns

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Die For­scher nutz­ten einen maschi­nel­len Lern­al­go­rith­mus, um zu kar­tie­ren, wel­che Gehirn­re­gio­nen akti­viert wer­den, wenn die ver­schie­de­nen musik­in­du­zier­ten Emo­tio­nen von­ein­an­der getrennt wer­den. For­schungs­lei­ter Vesa Put­ki­nen: “Anhand der Akti­vie­rung des audi­to­ri­schen und moto­ri­schen Kor­tex konn­ten wir genau vor­her­sa­gen, ob die Ver­suchs­per­son glück­li­che oder trau­rige Musik hörte. Der audi­to­ri­sche Kor­tex ver­ar­bei­tet die akus­ti­schen Ele­mente der Musik, wie Rhyth­mus und Melo­die. Die Akti­vie­rung des moto­ri­schen Kor­tex wie­derum könnte damit zusam­men­hän­gen, dass Musik bei den Zuhö­rern Gefühle der Bewe­gung aus­löst, selbst wenn sie Musik hören, wäh­rend sie in einem fMRT-Gerät stillhalten”.

Emotionen-Vergleich bei Musik und Film

Kernspintomograph MRT - Glarean Magazin
Kern­spin­to­mo­graph

Wei­ter fan­den die For­scher um Put­ki­nen her­aus, wel­che Hirn­re­gio­nen akti­viert wer­den, wenn die Ver­suchs­teil­neh­mer stark emo­tio­nale Videos anse­hen, um zu tes­ten, ob die glei­chen Regio­nen auch beim Hören von emo­tio­na­ler Musik sti­mu­liert werden.
Die Ergeb­nisse deu­ten dar­auf hin, dass die von Fil­men und Musik her­vor­ge­ru­fe­nen Emo­tio­nen zum Teil auf dem Betrieb unter­schied­li­cher Mecha­nis­men im Gehirn beruhen:

Filme akti­vie­ren zum Bei­spiel die tie­fe­ren Teile des Gehirns, die Emo­tio­nen in rea­len Situa­tio­nen regu­lie­ren. Das Hören von Musik akti­vierte diese Regio­nen nicht stark, und ihre Akti­vie­rung trennte auch nicht die musik­in­du­zier­ten Emo­tio­nen von­ein­an­der. Dies könnte dar­auf zurück­zu­füh­ren sein, dass Filme die rea­len Ereig­nisse, die Emo­tio­nen her­vor­ru­fen, rea­lis­ti­scher nach­bil­den kön­nen und somit die ange­bo­re­nen Emo­ti­ons­me­cha­nis­men aktivieren.

Musik kann zu Tränen rühren - Glarean Magazin
Musik kann zu Trä­nen rühren

Was die musik­in­du­zier­ten Emo­tio­nen betrifft, so basie­ren sie auf den akus­ti­schen Eigen­schaf­ten der Musik und sind durch kul­tu­relle Ein­flüsse und die per­sön­li­che Geschichte gefärbt.”

Vesa Put­ki­nen und sein Team fas­sen ihre Stu­die zusam­men: “Unsere Ergeb­nisse zei­gen, dass ver­schie­dene musik­in­du­zierte Basis­emo­tio­nen unter­schied­li­che Reprä­sen­ta­tio­nen in Regio­nen haben, die die audi­tive Ver­ar­bei­tung, die moto­ri­sche Kon­trolle und die Intero­zep­tion unter­stüt­zen, aber nicht stark auf lim­bi­sche und mediale prä­fron­tale Regio­nen ange­wie­sen sind, die für Emo­tio­nen mit Über­le­bens­wert ent­schei­dend sind.” ♦

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