Werner Kaufmann: Berechnung im Schach

Wie kann man als Patzer sein Schach verbessern?

von Mario Ziegler

Zu­ge­ge­ben, ich war skep­tisch, als ich das Werk “Be­rech­nung im Schach – Ein Ver­such” des Schwei­zer FIDE-Meis­ters Wer­ner Kauf­mann zu le­sen be­gann. Wie vie­le Au­toren ha­ben schon über die Me­tho­den der Be­rech­nung ge­schrie­ben, be­gin­nend mit den un­ver­ges­se­nen Klas­si­kern Alex­an­der Ko­tows “Den­ke wie ein Gross­meis­ter” (1970) und “Spie­le wie ein Gross­meis­ter” (1978). Selbst wenn die Va­ri­an­ten­be­rech­nung das viel­leicht wich­tigs­te und zen­trals­te Ele­ment im (Turnier-)Schach dar­stellt: Wie viel Neu­es kann man dazu noch sagen?

FM Wer­ner Kauf­mann, geb. 1951, wur­de 1991 mit der SG Lu­zern Schwei­zer Meis­ter. Seit 2004 be­treibt er Wer­nis Schach­la­de und ver­öf­fent­lich­te be­reits die Wer­ke: Kei­ne Plä­ne! (“Ein me­tho­di­scher Weg zu kon­kre­tem Den­ken im Schach” 2016) so­wie Zwin­gen­de Züge (“Cap­tain Wil­liam Evans’ Gam­bit” 2017).
Mit “Be­rech­nung im Schach” – das auch in der eng­li­schen Fas­sung “Cal­cu­la­ti­on in Ch­ess: An Ap­proach” – er­hält­lich ist, folgt nun also das drit­te Werk, wie die bei­den ers­ten nur als E-Book er­hält­lich und wie die­se im von Kauf­mann be­grün­de­ten Da­men­sprin­ger-Ver­lag erschienen.
Der Um­fang be­trägt 100 Sei­ten, die in die fol­gen­den Ka­pi­tel ge­glie­dert sind: Vor­wort, Ein­lei­tung, Be­ob­ach­tun­gen in der Schach­welt, Die Er­öff­nung, Tech­nik und Tak­tik, Eine Schu­le des Se­hens, Tar­rasch in Man­ches­ter. Be­reits hier eine An­mer­kung zum Lay­out, auf das ich zu ei­nem spä­te­ren Zeit­punkt noch ein­mal ein­ge­he: Sei­ten­zah­len sucht man im Werk ver­geb­lich, ich num­me­rie­re wie im Fol­gen­den nach der Sei­ten­an­ga­be der PDF-Ausgabe.

Keiner kann rechnen”

Werner Kaufmann: Berechnung im Schach - Ein VersuchDas ers­te Ka­pi­tel ist dem tak­ti­schen Spiel­ver­hal­ten un­ter­schied­li­cher Spie­ler ge­wid­met. Kauf­mann lässt gleich zu Be­ginn mit dem Satz “Kei­ner kann rech­nen” auf­hor­chen und be­tont, dass sich aus sei­ner Sicht vie­le Spie­ler in ih­ren Be­rech­nun­gen nicht auf die ent­schei­den­den Züge kon­zen­trie­ren, näm­lich die wirk­lich zwin­gen­den. Oder, in den Wor­ten Kaufmanns:
“Die am häu­figs­ten ge­stell­te Fra­ge, die ich als Schach­leh­rer höre, lau­tet: ‘Wie kann ich mei­ne Be­rech­nung ver­bes­sern?’ Dann sage ich meis­tens: ‘Kei­ne Chan­ce, ver­giss es! Ich habe es 50 Jah­re lang ver­sucht und nie ka­piert. Nun, sie glau­ben mir nicht und be­stehen auf der Fra­ge. Dann ant­wor­te ich: ‘Du be­rech­nest eine Men­ge Müll.'”
Dies ver­deut­licht er an den Ir­run­gen und Wir­run­gen in den Über­le­gun­gen ver­schie­de­ner – durch­aus auch sehr star­ker – Spie­ler in ei­ner Va­ri­an­te des Lon­do­ner Sys­tems, um da­nach zwei ei­ge­ne Bei­spie­le ge­gen Geg­ner mit 2100 und 2350 Elo aus der Si­zi­lia­ni­schen Ver­tei­di­gung so­wie eine pas­sen­de Gross­meis­ter­par­tie (Shaba­lov-Ben­ja­min, Phil­adel­phia 1993) an­zu­fü­gen. Die di­ver­sen Über­se­her in den Par­tien füh­ren Kauf­mann zu dem zwei­fel­los rich­ti­gen Fa­zit: “Du kannst nicht mit Zü­gen rech­nen, die du nicht siehst. Also erst schau­en, dann rechnen!”

Ein neues Konzept des Berechnens

Das ist al­ler­dings nichts bahn­bre­chend Neu­es, je­der Trai­ner wird ger­ne zu­stim­men, dass man erst die ver­schie­de­nen Kan­di­da­ten­zü­ge er­mit­teln soll­te, be­vor man sich auf eine Va­ri­an­te stürzt. In­ter­es­sant ist je­doch das Kon­zept der Be­rech­nun­gen auf der ers­ten (an an­de­rer Stel­le spricht Kauf­mann auch von First-Le­vel) und zwei­ten Ebe­ne: “Die ers­te Stu­fe der Be­rech­nung be­fasst sich mit kür­ze­ren oder län­ge­ren for­cier­ten Ab­wick­lun­gen oder Zug­fol­gen. Man kann sie auch als tech­ni­sche Be­rech­nun­gen be­zeich­nen. Je­der von uns ist mehr oder we­ni­ger in der Lage, sie zu aus­zu­rech­nen (sic!). In­dem ich von ei­ner ers­ten Ebe­ne spre­che, wei­se ich dar­auf hin, dass es in der Re­gel eine zwei­te Ebe­ne gibt, wo die Po­si­ti­on aus dem Gleich­ge­wicht ist, die Din­ge kom­pli­ziert wer­den, und wo so­gar Welt­meis­ter und Su­per­com­pu­ter ver­sa­gen. Sie ist cha­rak­te­ri­siert durch zwin­gen­des und er­zwun­ge­nes Spiel von Zug zu Zug. Je­der Spie­ler muss auf der zwei­ten Ebe­ne zwi­schen meh­re­ren Op­tio­nen unterscheiden.”
Die­ses Kon­zept ist zu­min­dest für mich neu. Kauf­mann geht im ers­ten Ka­pi­tel an ver­schie­de­nen Stel­len auf die­ses Mo­dell ein, wo­bei ich mir ge­le­gent­lich kla­re­re Bei­spie­le ge­wünscht hätte.

Kein Lehr- sondern ein Beispielbuch

Werner Kaufmann - Zwingende Züge - Cover-Bild - Glarean Magazin
Un­or­tho­do­xe Schach-Rat­schlä­ge sind schon in den “Zwin­gen­den Zü­gen” von Wer­ner Kauf­mann zu finden

Aber “Be­rech­nung im Schach” ist kein klar struk­tu­rier­tes Lehr­buch, eher eine Fül­le kom­men­tier­ter Par­tien zu ei­nem be­stimm­ten The­ma, die den Le­ser bis­wei­len un­sor­tiert an­sprin­gen. Dem Le­ser wird ab­ver­langt, sie sorg­sam zu durch­den­ken, um Nut­zen dar­aus zu zie­hen. Wie un­ter­schied­lich von Spie­ler zu Spie­ler (und selbst von Pro­fi zu Pro­fi) üb­ri­gens First-Le­vel-Be­rech­nun­gen sind, zeigt Kauf­mann an ei­ner In­ter­net-Blitz­par­tie zwi­schen Ma­gnus Carlsen und Jan Gustafs­son, in der dem deut­schen Spit­zen­spie­ler di­ver­se Züge sei­nes Geg­ners un­ver­ständ­lich blie­ben, ob­wohl sich die Be­rech­nung im­mer nur auf der ers­ten Ebe­ne ab­spiel­te. “Es scheint als ob die bei­den Jungs an­ders den­ken. Jan spielt po­si­tio­nell mit Hil­fe der Tak­tik, Ma­gnus denkt rein taktisch.”

Das Kaufmannsche Credo des Schachdenkens

Sein Cre­do über das Den­ken im Schach fasst Kauf­mann auf S. 23f. zusammen:

  1. Tau­che nicht so­fort in Be­rech­nun­gen ein, son­dern über­le­ge, was die Plä­ne des Geg­ners sein könn­ten. Be­trach­te dei­ne Züge im­mer als ei­nen Ver­such, die­se zu widerlegen
  2. Su­che nach zwin­gen­den Angriffen
  3. Su­che nach über­zeu­gen­den Ant­wor­ten auf die­se An­grif­fe und hal­te für je­den sei­ner Ver­su­che et­was be­reit. Nor­ma­ler­wei­se ist es nicht of­fen­sicht­lich, was der bes­te Zug ist. Dann musst du ei­nen dei­ner Kan­di­da­ten oder Op­tio­nen auswählen.

Kauf­manns Faust­re­geln: “Ba­sie­rend auf den obi­gen Prin­zi­pi­en habe ich mir ein paar Kri­te­ri­en aus­ge­dacht, wie man Züge aus­wäh­len sollte:

  • Wenn mög­lich wäh­le ei­nen Zug, der die geg­ne­ri­schen Mög­lich­kei­ten ein­schränkt und ein Ge­gen­spiel ver­mei­det (Die Zwin­gen­de Züge!-Regel)
  • Wenn du zwi­schen ver­schie­de­nen Ab­wick­lun­gen wäh­len musst, wäh­le die­je­ni­ge, bei der am Ende du am Zug bist, und nicht dein Geg­ner. (Die Mein Zug!-Regel)
  • Ver­mei­de Züge, die dem Geg­ner ein An­griffs­ziel ge­ben. (Die Kei­ne Angriffsobjekte!-Regel)
  • Wenn eine von zwei Op­tio­nen ei­nen Tausch ver­mei­det, nimm die­se. (Tausch­ver­bot-Re­gel)

Um das Auf­fin­den zwin­gen­der Züge zu trai­nie­ren, emp­fiehlt der Au­tor üb­ri­gens die Ana­ly­se ei­ge­ner Blitz­par­tien mit Hil­fe des Com­pu­ters (S. 6).

Wie kann man als Patzer sein Schach verbessern?

Die Schluss­fol­ge­rung des ers­ten Ka­pi­tels, in dem wei­te­re Par­tien von Carlsen, Tal oder etwa auch von Al­pha Zero dis­ku­tiert wer­den, lau­tet: “Wir ha­ben fest­ge­stellt, dass nie­mand wirk­lich gut rech­nen kann, und dass je­der in Be­zug auf sei­ne nor­ma­le Stär­ke gro­be Feh­ler macht. In je­der Stär­ke­klas­se kom­men Feh­ler vor, die auf der nächst hö­he­ren nicht pas­siert wä­ren. […] Wie kannst du als Pat­zer dein Schach ver­bes­sern? Ganz all­ge­mein soll­test du we­ni­ger rech­nen und mehr se­hen. […] Du soll­test vom Kon­kre­ten ins Abs­trak­te ge­hen. Über­le­ge, was du kon­kret un­ter­neh­men könn­test. Das be­deu­tet, Dro­hun­gen zu schaf­fen und Ge­gen­dro­hun­gen zu ver­mei­den. Erst wenn du dich nicht für ei­nen Zug ent­schei­den kannst, soll­test du den wäh­len, der nach all­ge­mei­nen Kri­te­ri­en bes­ser ist. Die­se ver­kehr­te Denk­wei­se – Tak­tik vor Stra­te­gie – macht in ge­wöhn­li­chen Stel­lun­gen kei­nen gros­sen Un­ter­schied, nor­ma­ler­wei­se kommt un­ge­fähr das­sel­be her­aus. Aber in span­nungs­ge­la­de­nen Stel­lun­gen ist der Un­ter­schied ge­wal­tig. Dann geht es nicht mehr um schö­ne Sprin­ger­fel­der, Li­ni­en­öff­nun­gen und sol­ches Zeug. Dann geht es um Schlä­ge und Ge­gen­schlä­ge. Die Ent­schei­dungs­kri­te­ri­en sind dann auch nicht po­si­tio­nel­ler Na­tur, son­dern tak­ti­scher, und die Faust­re­geln kom­men zum Ein­satz: Zwin­gen­de Züge!; Kei­ne An­griffs­ob­jek­te!; Kei­ne Täu­sche!; Mein Zug!”

Leseprobe aus “Werner Kaufmann: Berechnung im Schach (Ein Versuch)”

Wer­ner Kauf­mann - Be­rech­nung im Schach - Le­se­pro­be 1 - Re­zen­si­on im Glarean Magazin

Im Spannungsfeld von Technik und Taktik

Die wei­te­ren Ka­pi­tel kon­kre­ti­sie­ren die auf­ge­stell­ten Über­le­gun­gen für den Be­reich der Er­öff­nun­gen und stel­len sie in das Span­nungs­feld von Tech­nik und Tak­tik, wo­bei der Au­tor hier un­ter “Tech­nik” durch­aus tak­ti­sche Ab­wick­lun­gen der ers­ten Stu­fe ver­steht im Ge­gen­satz zu sol­chen Ope­ra­tio­nen, die sie nicht ge­nau be­rech­nen kön­nen und die so­mit auf der zwei­ten Stu­fe an­ge­sie­delt sind. “Eine Schu­le des Se­hens” be­spricht un­ter den vor­ge­stell­ten Ge­sichts­punk­ten 20 Par­tien des Mitro­pa-Cups der Frau­en 2017, “Tar­rasch in Man­ches­ter” die Par­tien des deut­schen Vor­kämp­fers Dr. Sieg­bert Tar­rasch bei sei­nem kla­ren Tur­nier­sieg in der nord­eng­li­schen Me­tro­po­le 1890.

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Bei letz­te­ren Par­tien be­zieht Kauf­mann die Ana­ly­sen Tar­raschs aus sei­nem Werk “300 Schach­par­tien” in sei­ne Be­wer­tung ein – üb­ri­gens eine Stär­ke des Buchs, das so­weit als mög­lich die Über­le­gun­gen der Spie­ler aus der Li­te­ra­tur oder dem In­ter­net re­zi­piert. Be­züg­lich des Tur­niers aus dem 19. Jahr­hun­dert kommt Kauf­mann zum Fa­zit: “Was die Tak­tik an­geht, ha­ben die Spie­ler es sel­ten ge­schafft, zwin­gen­de Züge zu ma­chen, sie zo­gen po­si­tio­nel­le oder ver­meint­li­che An­griffs­zu­ge vor. Dass sie dem Geg­ner An­griffs­ob­jek­te hin­stell­ten, kam bei Tar­rasch sel­ten, bei sei­nen Geg­nern öf­ters vor. Mehr­mals wur­de das Tausch­ver­bot miss­ach­tet, teils mit fa­ta­len Fol­gen. Tar­raschs Va­ri­an­ten-Be­rech­nung war höchst man­gel­haft und von gro­ben Ver­se­hen ge­würzt, selbst in den Kom­men­ta­ren.” Die Über­le­gen­heit ge­gen­über sei­nen Zeit­ge­nos­sen re­sul­tier­te ent­schei­dend aus sei­nem weit­aus hö­he­ren po­si­tio­nel­len Ver­ständ­nis. – An­mer­kung: Die­ses Ka­pi­tel ist als ei­gen­stän­di­ges PDF-File auf der Web­sei­te des Au­tors down­load­bar: Tar­rasch in Manchester

Komplexe Sachverhalte im Plauderton

Ne­ben dem In­halt ver­dient auch der Stil Kauf­manns ei­ni­ge Be­mer­kun­gen. Man­chen Aus­sa­gen ste­he ich et­was skep­tisch ge­gen­über, zu­min­dest sind sie miss­ver­ständ­lich for­mu­liert: “Im Schach gibt es so et­was wie eine ob­jek­ti­ve Wahr­heit, an­ders als im wirk­li­chen Le­ben. Du kannst sie mit dei­ner Com­pu­ter­soft­ware her­aus­fin­den” (S. 11). Dies wür­de be­deu­ten, dass Com­pu­ter zwei­fels­frei in der Lage wä­ren, in ei­ner ge­ge­be­nen Stel­lung den bes­ten Zug – die ob­jek­ti­ve Wahr­heit – zu er­mit­teln. Dies hängt je­doch un­be­strit­ten am Cha­rak­ter der Stel­lung und – in ge­rin­ge­rem Mas­se – an den Pa­ra­me­tern des Pro­gramms, so dass nicht sel­ten zwei Spit­zen­pro­gram­me in der glei­chen Stel­lung zu (leicht) un­ter­schied­li­chen Re­sul­ta­ten kom­men. All dies ist dem mit den Stär­ken und Schwä­chen der Com­pu­ter sehr gut ver­trau­ten Au­tor na­tür­lich auch bekannt.

Leseprobe 2 aus “Werner Kaufmann: Berechnung im Schach (Ein Versuch)”

Wer­ner Kauf­mann - Be­rech­nung im Schach - Le­se­pro­be 2 - Re­zen­si­on im Glarean Magazin

An­sons­ten for­mu­liert Kauf­mann ge­le­gent­lich in lo­cke­rem Plau­der­ton: “Der 28. Ok­to­ber 2010 ist für mich ein his­to­ri­sches Da­tum. An die­sem kal­ten und reg­ne­ri­schen Ok­to­ber­nach­mit­tag habe ich Herrn Vik­tor Kort­schnoi mit den schwar­zen Stei­nen re­gel­recht zu­sam­men ge­scho­ben. Aber dann ver­darb ich die Par­tie mit ei­nem grau­en­haf­ten End­spiel-Feh­ler in ein Re­mis. Ich hat­te noch nie zu­vor ei­nen so star­ken Spie­ler ge­schla­gen. Es tut im­mer noch weh. Üb­ri­gens wür­de ich Herrn Kort­schnoi nie Vik­tor nen­nen. Ich nen­ne Bob­by Bob­by, Gar­ry Gar­ry und Ma­gnus Ma­gnus. Aber Herr Kort­schnoi ist eine Le­gen­de. Er wird im­mer min­des­tens Kort­schnoi blei­ben, aber selbst das ist nicht re­spekt­voll ge­nug. Für mich ist er für ewig Herr Kort­schnoi. Viel­leicht könn­te das Ver­ei­nig­te Kö­nig­reich et­was da­ge­gen un­ter­neh­men und ihn post­hum adeln. Sir Vik­tor wäre ein­fach gross­ar­tig. Viel­leicht ge­wöh­ne ich mich dar­an und nen­ne ihn von nun an Sir Viktor.”
Die­se Aus­füh­rung hat üb­ri­gens mit dem The­ma des Ka­pi­tels nichts zu tun, wo es um das Ver­hält­nis von Spiel­stär­ke und Re­chen­fä­hig­keit geht und ge­ra­de die Par­tie Cremer-Vogt aus der Schwei­zer Mann­schafts­meis­ter­schaft 2010 ana­ly­siert wird. Ob man die­sen Stil mag oder nicht, ist Geschmackssache…
Ich per­sön­lich wür­de auch kei­ne Emp­feh­lun­gen wie: “Oh, du hast dir noch nie King­crus­her-Vi­de­os auf You­Tube an­ge­se­hen? Du hast nicht viel ver­passt. Aber wenn du es tust, traue sei­nen Er­klä­run­gen nicht.” in ei­nem Buch ge­ben, aber auch hier mag es zwei Mei­nun­gen geben.

Interessante Inhalte mit mässigem Layout umgesetzt

FAZIT: FIDE-Meis­ter Wer­ner Kauf­mann legt mit sei­nen Buch “Be­rech­nung im Schach” ein un­ge­wöhn­li­ches Werk vor. Un­ge­wöhn­lich bis­wei­len in Lay­out und Stil, ganz si­cher aber auch un­ge­wöhn­lich im In­halt. Der Mut, in ei­nem be­reits sehr stark durch­fors­te­ten Ge­biet neue Wege auf­zu­zei­gen ver­dient An­er­ken­nung. In­wie­weit der Le­ser aus dem Buch Nut­zen zieht, hängt si­cher vom Stil ab – nicht je­dem wird die sehr tak­ti­sche Par­tie­an­la­ge zu­sa­gen, die Kauf­mann pro­pa­giert – und nicht zu­letzt von der Be­reit­schaft, die Emp­feh­lun­gen des Au­tors um­zu­set­zen. Aber “Be­rech­nung im Schach” regt zwei­fel­los zum Nach­den­ken an, und al­lein dies macht es nicht nur für Ama­teu­re, son­dern auch für am­bi­tio­nier­te Spie­ler wie Trai­ner zu ei­ner in­ter­es­san­ten Lektüre.

Zu­letzt ein Wort zum Lay­out, das aus­ge­spro­chen spar­ta­nisch da­her­kommt. Na­tür­lich gibt es Un­ter­glie­de­run­gen durch die grös­ser ge­setz­ten Über­schrif­ten, na­tür­lich wer­den die Haupt­zü­ge der Par­tien fett ge­druckt, die An­mer­kun­gen nicht. Aber wie­so ver­zich­tet der Au­tor auf jeg­li­ches Dia­gramm, was ja ge­ra­de in ei­nem E-Book, das man auf dem Ta­blet oder Han­dy le­sen will, ohne ein Brett da­ne­ben auf­zu­bau­en, aus mei­ner Sicht un­ab­ding­bar ist?
Zu­dem wur­de of­fen­bar sehr we­nig Wert auf eine äs­the­ti­sche Glie­de­rung des Ma­nu­skripts ge­legt. Statt am Ende ei­ner Sei­te nur Über­schrift und Spie­ler­na­men wie­der­zu­ge­ben, aber kei­nen ein­zi­gen Zug, hät­te man vor der Über­schrift ei­nen Sei­ten­um­bruch ein­fü­gen kön­nen. Eben­so kommt es vor, dass es die nur letz­ten bei­den Zei­len ei­nes Ka­pi­tels auf eine neue Sei­te ge­schafft ha­ben. Ge­wiss, die­se Din­ge sind nicht das Wich­tigs­te bei ei­nem Buch, aber es wäre leicht ge­we­sen, sie durch ge­schick­te Sei­ten­um­brü­che oder ein­fach eine klei­ne Um­for­mu­lie­rung oder Um­stel­lung zu vermeiden!

Mutige neue Wege

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Fa­zit: FIDE-Meis­ter Wer­ner Kauf­mann legt mit sei­nen Buch “Be­rech­nung im Schach” ein un­ge­wöhn­li­ches Werk vor. Un­ge­wöhn­lich bis­wei­len in Lay­out und Stil, ganz si­cher aber auch un­ge­wöhn­lich im In­halt. Der Mut, in ei­nem be­reits sehr stark durch­fors­te­ten Ge­biet neue Wege auf­zu­zei­gen ver­dient An­er­ken­nung. In­wie­weit der Le­ser aus dem Buch Nut­zen zieht, hängt si­cher vom Stil ab – nicht je­dem wird die sehr tak­ti­sche Par­tie­an­la­ge zu­sa­gen, die Kauf­mann pro­pa­giert – und nicht zu­letzt von der Be­reit­schaft, die Emp­feh­lun­gen des Au­tors um­zu­set­zen. Aber “Be­rech­nung im Schach” regt zwei­fel­los zum Nach­den­ken an, und al­lein dies macht es nicht nur für Ama­teu­re, son­dern auch für am­bi­tio­nier­te Spie­ler wie Trai­ner zu ei­ner in­ter­es­san­ten Lektüre. ♦
* Dem Re­zen­sen­ten lag die PDF-Fas­sung des E-Books vor

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Le­sen Sie im GLAREAN MAGAZIN zum The­ma Schach­stra­te­gie auch über Her­man Groo­ten: Ch­ess Stra­tegy for Club Play­ers (engl.)

… so­wie zum The­ma Ana­ly­sie­ren mit dem Com­pu­ter: Ver­si­on 16 der Schach-Da­ten­bank Chessbase


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