Version 16 der Schach-Datenbank Chessbase

Der Schlüssel zum Erfolg?

von Mario Ziegler

Das erste, was dem Nut­zer bei der 16. Ver­sion der Schach-Daten­bank Chess­Base ins Auge springt, ist ein roter Schlüs­sel. Die­ser Schlüs­sel prangt auf dem Cover der DVD, der obere Teil bil­det die Form eines Königs. Im Ankün­di­gungs­ar­ti­kel auf der Home­page der Ham­bur­ger Her­stel­ler-Firma wird die nahe­lie­gende Meta­pher auf­ge­löst: “Chess­Base 16 ist da – Ihr Schlüs­sel zum Erfolg”.

In mei­ner Bespre­chung gehe ich auf zwei neue Funk­tio­nen ein, die für Tur­nier­spie­ler und Trai­ner, also die haupt­säch­li­che Käu­fer­schaft eines Schach­da­ten­bank-Pro­gramms wich­tig sein dürf­ten: Die auto­ma­ti­sche Erstel­lung einer Eröff­nungs­über­sicht und die Suche nach Eröffnungsneuerungen.

Verbesserungen der Grafiken und des Server-Chats

Chessbase 16 - Startpaket: Die professionelle Schachdatenbank - DVD November 2020Damit blei­ben einige andere Neu­hei­ten unbe­rück­sich­tigt, die aber durch­aus Detail­ver­bes­se­run­gen dar­stel­len. Hierzu zäh­len die Erwei­te­rung der Funk­tion der Ray Tra­cing-Gra­fi­ken oder die Ver­bes­se­rung des Chats auf dem haus­ei­ge­nen Ser­ver schach.de. Beson­ders nütz­lich finde ich die neue Funk­tion “Fal­tung der Nota­tion”. Mit einem Maus­klick wer­den Vari­an­ten nach dem ers­ten Zug aus­ge­blen­det, was eine umfang­rei­che Kom­men­tie­rung sofort deut­lich über­sicht­li­cher wer­den lässt.

Doch sind diese Ver­bes­se­run­gen ver­mut­lich für die meis­ten Inter­es­sen­ten kein Grund, sich ein neues Schach­pro­gramm anzu­schaf­fen. Kom­men wir daher zu den aus mei­ner Sicht zen­tra­len Neuerungen.

Neue Eröffnungsübersichten

Anzeige Amazon: Schachbuch für Meister von Morgen - Ein Lehr- und Trainingswerk, nicht nur für den Nachwuchs - Awerbach, Kotow, Judowitsch - Beyer Verlag
Anzeige

Durch die Funk­tion “Über­sich­ten” über­nimmt das Pro­gramm die Auf­gabe, einen Vari­an­ten­baum zu einer Eröff­nung bzw. Vari­ante zusam­men­zu­stel­len. Dazu wählt der Anwen­der eine ihn inter­es­sie­rende Stel­lung aus und gibt an, von wel­cher Seite aus diese Posi­tion beleuch­tet wer­den soll. Danach prä­sen­tiert Chess­Base den sei­ner Mei­nung nach bes­ten Zug­vor­schlag und bie­tet einen Über­blick über die mög­li­chen Ant­wor­ten der Gegenseite.
Die­sen Pro­zess kann man beein­flus­sen, indem man bestimmte Kri­te­rien (z.B. “tra­di­tio­nell” oder “modern”, “Klub­spie­ler”- oder “Meis­ter­ni­veau”) vor­gibt. Grund­lage des Vari­an­ten­baums ist ent­we­der eine Über­sicht, die bereits auf dem Ser­ver exis­tiert, oder die eigene Refe­renz­da­ten­bank, aus der die Über­sicht neu gene­riert wird.

Zeitsparende Varianten-Recherche

Mit die­ser Funk­tion spart der Anwen­der viel Zeit. War es zuvor not­wen­dig, sich mit Hilfe ver­schie­de­ner Daten­ban­ken oder des “Live­buchs” selbst über plau­si­ble Fort­set­zun­gen zu infor­mie­ren, erle­digt dies nun der Com­pu­ter. Aller­dings ist es offen­kun­dig, dass die Qua­li­tät neu erstell­ter Über­sich­ten mit der Qua­li­tät der Refe­renz­da­ten­bank steht und fällt. Zudem nimmt mit jedem gespiel­ten Zug die Anzahl der exis­tie­ren­den Par­tien ab, das Pro­gramm hat also weni­ger Mate­rial für eine Eröff­nungs­über­sicht zur Verfügung.
Das kann dazu füh­ren, dass kein Ergeb­nis prä­sen­tiert wird. In mei­nem ers­ten Ver­such ging ich von der fol­gen­den Posi­tion aus dem Damen­bau­ern­spiel aus, die sich noch zu Damen­gam­bit oder Colle ent­wi­ckeln könnte:

Chessbase 16 - Eröffnungsübersicht - Damenbauernspiele (4...Ld6)
Chess­base 16 – Eröff­nungs­über­sicht – Damenbauernspiele

Als ers­tes for­derte ich eine Über­sicht zum zuge­ge­be­ner­ma­ßen exo­ti­schen 5.Se5 an. In mei­ner Refe­renz­da­ten­bank fin­den sich zu dem Sprin­ger­zug 11 Par­tien, das war dem Pro­gramm offen­kun­dig zu wenig für eine Über­sicht. Und auch mein Wunsch, etwas zum Zug 5.b3 zu erfah­ren, wurde nicht erhört. Dies­mal exis­tier­ten immer­hin schon 27 Vor­gän­ger­par­tien. Bei sehr spe­zi­el­len Posi­tio­nen stößt die Funk­tion “Über­sich­ten” also schnell an ihre Grenzen.
Für den nächs­ten Ver­such wählte ich eine Posi­tion, zu der viele tau­send Par­tien vor­lie­gen: Die Grund­stel­lung der König­s­in­di­schen Ver­tei­di­gung nach 1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6. Zunächst ließ ich Chess­Base nach tra­di­tio­nel­len Fort­set­zun­gen auf Tur­nier­ni­veau suchen. Hier konnte das Pro­gramm eine Über­sicht prä­sen­tie­ren, die bereits auf dem Ser­ver vor­han­den war:

Chessbase 16 - Eröffnungsübersicht - Königsindische Verteidigung (5.Sf3)
Chess­base 16 – Eröff­nungs­über­sicht – König­s­in­di­sche Verteidigung

Der Zug­vor­schlag 5.Sf3 ent­spricht mit Sicher­heit der “tra­di­tio­nel­len Aus­rich­tung” – was könnte klas­si­scher sein als das Klas­si­sche Sys­tem? Auch über schwarze Ant­wor­ten wird ein umfang­rei­cher Über­blick gege­ben, inklu­sive Hin­weise auf Zug­um­stel­lun­gen und Partiezitate.
Ver­än­dert man die Prä­fe­ren­zen, erge­ben sich andere Vari­an­ten. Hier die Über­sicht aus der glei­chen Stel­lung, dies­mal aber auf Klub­ni­veau und mit dem Schwer­punkt auf “Angriff”:

Chessbase 16 - Eröffnungsübersicht - Königsindische Verteidigung (Awerbach-Angriff)
Chess­base 16 – Eröff­nungs­über­sicht – König­s­in­di­sche Ver­tei­di­gung (Awer­bach-Angriff)

Die Begren­zung auf nur einen Zug­vor­schlag ist mei­nes Erach­tens Fluch und Segen zugleich. Möchte man als Angriffs­spie­ler schnell eine brauch­bare Vari­ante gegen König­s­in­disch erhal­ten, so wird man mit 5.Le2 nebst bal­di­gem Bau­ern­vor­marsch am Königs­flü­gel gut bedient. Es wer­den aber natür­lich viele andere Sys­teme ver­schwie­gen, die einem Angriffs­spie­ler eben­falls lie­gen könn­ten: Die Sämisch-Vari­ante, der Vier­bau­ern­an­griff usw.
Auch ist mir nicht immer klar, nach wel­chen Kri­te­rien das Pro­gramm einen bestimm­ten Zug vor­schlägt. Bei den Vor­ga­ben “Klub­ni­veau” und “Ver­ein­fa­chen” emp­fiehlt Chess­Base gegen König­s­in­disch wenig über­ra­schend die Abtausch­va­ri­ante 5.Sf3 0-0 6.Le2 e5 7.dxe5. Doch was soll Weiß unter­neh­men, wenn Schwarz nicht 6…e5 spielt, son­dern 6…c5? Hier spricht sich das Pro­gramm für 7.d5 aus, was ein völ­lig logi­scher Zug ist. Und den­noch: Wieso aus­ge­rech­net 7.d5?

Chessbase 16 - Eröffnungsübersicht - Königsindisch - 7.d5
Chess­base 16 – Eröff­nungs­über­sicht – König­s­in­disch – 7.d5

Kritisches Hinterfragen der Computer-Bewertungen

Ein Blick in die Online-Daten­bank zeigt, dass 7.0-0 deut­lich häu­fi­ger gespielt wurde und eine deut­lich höhere Erfolgs­sta­tis­tik auf­weist als 7.d5. Dies kann also nicht der Grund für die Emp­feh­lung sein. Und auch Engi­nes bewer­ten den Bau­ern­vor­stoß nicht grund­sätz­lich bes­ser als die Rochade. Zudem sind die Fol­gen der Zug­aus­wahl an die­ser Stelle durch­aus weit­rei­chend: 7.0-0 würde zu einer kom­plett ande­ren Stel­lung füh­ren als 7.d5.
Auch hier gilt also, was schon an unzäh­li­gen ande­ren Stel­len über Com­pu­ter­vor­schläge und -bewer­tun­gen geschrie­ben wurde: Man sollte sich nicht blind auf die Emp­feh­lun­gen des Pro­gramms ver­las­sen, son­dern sie als das neh­men, was sie sind: sehr schnell ver­füg­bare und sehr nütz­li­che Hilfs­mit­tel, die man aber jeweils kri­tisch durch­den­ken sollte.

Schürfen nach Neuerungen

Anzeige Amazon: Magnus Carlsens's most instructive games - Gambit Verlag
Anzeige

Eine wei­tere span­nende Funk­tion ist das Schür­fen nach Neue­run­gen. Die Engine sucht in einer gro­ßen Anzahl von Vari­an­ten, ein­schließ­lich der Neben­va­ri­an­ten, nach sel­ten oder noch gar nicht gespiel­ten Zügen, die eine über­ra­schend gute Bewer­tung auf­wei­sen. Der Nut­zen leuch­tet sofort ein: Man bekommt schnell Hin­weise auf neue und unge­wöhn­li­che Züge, auf die man bei einer her­kömm­li­chen Ana­lyse bzw. Daten­bank­su­che viel­leicht über­haupt nicht oder jeden­falls erst nach län­ge­rer Zeit gesto­ßen wäre.

Aus­gangs­punkt mei­nes Pra­xis­tests war eine Stel­lung aus dem hol­län­di­schen Staun­ton-Gam­bit nach den Zügen 1.d4 f5 2.e4 fxe4 3.Sc3 Sf6 4.f3 d5. Hier ließ ich das Pro­gramm mit den oben zu sehen­den Ein­stel­lun­gen nach Neue­run­gen suchen. Nach 27 Minu­ten kam es zu fol­gen­dem Ergebnis:

Chessbase 16 - Neuerungen schürfen - Holländisch - Staunton Gambit
Chess­base 16 – Neue­run­gen schür­fen – Hol­län­disch – Staun­ton Gambit

Verwirrende Züge-Suche

Die gefun­dene Neue­rung soll also in der Vari­ante 5.fxe4 dxe4 6.Lg5 c6 mit dem Zug 7.Sge2 (gegen­über dem häu­fi­ger gespiel­ten 7.Lc4) zu fin­den sein. Ver­wir­rend ist aller­dings, dass sich zu dem Sprin­ger­zug fünf frü­here Par­tien fin­den, obwohl ich Chess­Base nach Zügen hatte suchen las­sen, die bis­lang maxi­mal ein­mal vor­ka­men. Ich kann das Ergeb­nis nicht erklä­ren, in ande­ren Test­stel­lun­gen wur­den tat­säch­lich nur neue Züge ange­bo­ten. Wohl­ge­merkt beein­träch­tigt die­ses Ergeb­nis nicht den Wert von 7.Sge2, denn auch bei 5 Vor­gän­ger­par­tien ist die­ser Zug ja ein­deu­tig sel­ten genug um Geg­ner zu überraschen.

Kaufen – ja oder nein?

Die Gret­chen­frage einer jeden Rezen­sion lau­tet, ob der Autor die Anschaf­fung des Pro­duk­tes emp­fiehlt. Im Fall von Chess­Base 16 fällt die Ant­wort zwie­späl­tig aus. Seit Chess­Base 1987 das Licht der Welt erblickte, hat es unzäh­lige Ver­bes­se­run­gen erfah­ren, längst setzt es den Stan­dard im Bereich des Schach­trai­nings, der Geg­ner­vor­be­rei­tung, aber auch der Ana­lyse und Ver­öf­fent­li­chung von Partien.
Wer keine neuere Ver­sion des Pro­gramms sein Eigen nennt und ambi­tio­niert Schach spielt oder trai­niert, kann beden­ken­los bei Ver­sion 16 zugrei­fen – es ist ohne Zwei­fel ein sehr gutes und aus­ge­reif­tes Programm.

Innovatives für Theoretiker und Trainer

Anzeige Amazon: Millennium The King Performance - Schachcomputer für Ästheten. Mit Echtholz-Rahmen, Holzfiguren und 81 LEDs zur Zuganzeige. Mit der legendären Software The King von Johan de Koning
Anzeige

Lau­tet die Frage aber, ob es einen sol­chen Fort­schritt dar­stellt, dass man es auch erwer­ben muss, wenn man bereits die Vor­gän­ger­ver­sion besitzt, so ist die Ant­wort weit­aus weni­ger ein­deu­tig. Die Inno­va­tio­nen sind inter­es­sant und durch­aus nütz­lich, aller­dings sind der Kauf­preis für das Start­pa­ket in Höhe von 199,90 € und der Preis von 99,90 € für ein Update von Ver­sion 15 Sum­men, bei denen viele Schach­freunde genau über­le­gen wer­den, wie wich­tig die neuen Funk­tio­nen für sie sind.

Nichts für Gelegenheitsspieler

Die Eröff­nungs­über­sich­ten und die Suche nach Neue­run­gen, auf die ich mein Haupt­au­gen­merk gelegt habe, spre­chen in ers­ter Linie Spie­ler und Trai­ner an, die regel­mä­ßig und tief­grün­dig im Bereich der Eröff­nun­gen arbei­ten. Für sie lohnt sich die Anschaf­fung von Chess­Base 16, da die neuen Funk­tio­nen sehr viel Zeit und Arbeit spa­ren und wohl auch auf Züge hin­wei­sen, die ansons­ten unent­deckt geblie­ben wären.
Für den Gele­gen­heits­spie­ler oder auch Ver­eins­spie­ler einer mitt­le­ren Spiel­stärke halte ich den Ein­satz die­ser neuen Mög­lich­kei­ten für nicht unbe­dingt erforderlich. ♦

Chess­base 16 – Schach­da­ten­bank, Edi­tion 2021, Chess­base Ham­burg, ISBN 978-386681-779-1

Lesen Sie im GLAREAN MAGAZIN zum Thema Schach-Daten­bank-Soft­ware auch über den Vor­gän­ger Chess­base 15 und seine neuen Features

Außer­dem zum Thema Com­pu­ter­schach: The Engine Crackers


Kommentare sind willkommen! (Keine E-Mail-Pflicht)