Peter Biro: Kamasutra mit Fleischzange (Satire)

Kamasutra mit Fleischzange

Peter Biro

Peter Biro - Kamasutra mit Fleischzange - Satire - Februar 2023 - Glarean MagazinIch bestieg die Metro, Linie 4, beim Evan­ge­li­schen Bahn­hof Rich­tung Wald­sta­dion, wie immer jeden Diens­tag-Nach­mit­tag auf dem Weg zum all­wö­chent­li­chen Käses­tem­men der pen­sio­nier­ten Augen­ärzte im “Fit­ness­cen­ter Mus­kel­kö­ter”. Da fällt mir doch auf dem gegen­über­lie­gen­den Sitz eine aus­ge­ris­sene Zei­tungs­seite auf. Es war nicht ein­mal eine ganze Seite, nur ein des­sert­tel­ler­gro­ßes Fit­zel­chen. Ich konnte unschwer erken­nen, dass es aus dem Feuil­le­ton unse­rer Lokal­zei­tung, dem “Bux­te­hu­der Abend­ge­schrei” stammte. Da hat jemand sich der über­flüs­si­gen Blät­ter ent­le­di­gen und nur die­sen Aus­schnitt behal­ten wol­len, und hat ver­mut­lich in der Eile die­sen Aus­riss lie­gen­ge­las­sen. Da fragte ich mich als neu­gie­ri­ger Bür­ger, pas­sio­nier­ter Käses­tem­mer und Augen­arzt im Ruhe­stand: Woran war der oder die ver­gess­li­che Zei­tungs­le­se­rin so inter­es­siert? Also nahm ich das Schnip­sel an mich und fand das fol­gende Frag­ment einer recht enthu­si­as­ti­schen Buchbesprechung:

Das besondere Buch – ein neues Werk der vielgereisten Hildegard Krämer

von Hei­ner Lachkramp-Gonzales

Die dem­nächst im Früh­jahr bei Horn & Hörn­chen erschei­nende siebte Auf­lage des “Kama­su­tra bei Ver­rich­tun­gen im Haus­halt” bedarf einer neuen Wür­di­gung, denn die sechste liegt bereits über zwan­zig Jahre zurück. Seit­her ist in der häus­li­chen Ero­tik und noch viel mehr in der Haus­wirt­schafts­lehre sehr viel hin­zu­ge­kom­men. Neue mikro­pro­zes­sor­ge­steu­erte und umwelt­scho­nende Haus­halts­ge­räte haben die Art und Dauer der im Haus­halt anfal­len­den Arbei­ten radi­kal geän­dert, so dass deren Umset­zung zum hei­mi­schen Lust­ge­winn neu behan­delt wer­den muss.
Damit hat sich die Autorin Hil­de­gard Krä­mer einer Mam­mut­auf­gabe gestellt, die, in der Hand eines weni­ger kom­pe­ten­ten Schrei­ben­den, leicht zu einer blo­ßen Auf­zäh­lung von Lie­bes­prak­ti­ken und Ver­ren­kun­gen in Küche, Wasch­raum und Win­ter­gar­de­robe hätte wer­den kön­nen. Doch die lebens­er­fah­rene und lie­bes­kun­dige Krä­me­rin zeigt sich in die­sem 450-sei­ti­gen Werk der heik­len Auf­gabe in jeder Hin­sicht gewach­sen. Dies nicht zuletzt wegen ihrer Vor­ge­schichte, einer­seits als erfah­rene Gleit­creme-Che­mi­ke­rin bei Oleo-Olé Schmier­mit­tel und Öle GmbH, sowie ande­rer­seits als Dis­po­nen­tin für Frei­zeit­ge­stal­tung und Sexu­al­kunst bei der Lan­des­ver­ei­ni­gung für Gemein­schaft­li­che Erwachsenenunterhaltung.

Nicht zuletzt hat für die Ver­lags­di­rek­to­rin, Frau Dok­tor Angela Horn, Hil­de­gards mehr­jäh­ri­ger Auf­ent­halt in Indien und Nepal den Aus­schlag gege­ben, ihr den Zuschlag zu geben, und nicht etwa dem Autor der letz­ten drei Auf­la­gen. Jener Franz Hane­büch­ler hatte das bereits sei­ner­zeit recht kom­plexe Thema im Geiste der dama­li­gen Mode­er­schei­nun­gen behan­delt und sich viel zu aus­führ­lich mit rein mecha­ni­schen Sti­mu­lan­tien wie Käse­ho­bel, Schuh­span­ner und Abfluss­pöm­pel befasst. Nun jedoch ließ sein mitt­ler­weile vor­ge­rück­tes Alter erheb­li­che Zwei­fel an sei­ner Sach­kunde in moder­ner Haus­wirt­schaft und erst recht in zeit­ge­nös­si­scher, akro­ba­tisch anmu­ten­der Ero­tik aufkommen.
Im Gegen­satz zu Hane­büch­ler, hatte Krä­mer zuvor im letz­ten ihrer recht erfolg­rei­chen Rei­se­rat­ge­ber für sex­süch­tige Alpi­nis­ten “Ich erklomm berau­schende Höhe­punkte im Hima­laya” detail­liert über ihre Erfah­run­gen berich­tet, die sie in diver­sen Ashrams bei ero­to­ma­nisch ver­an­lag­ten Gurus gesam­melt hatte. Ohne jede Zurück­hal­tung oder gar Scham ver­schafft sie darin Ein­bli­cke in die Ori­gi­nal­ver­sion des Kama­su­tra ein­schließ­lich des ero­tik­be­haf­te­ten Umgangs mit aller­lei Aus­rüs­tungs­ge­gen­stän­den fürs nudis­ti­sche Bergsteigen.
Beson­ders bekannt, wenn­gleich auch umstrit­ten, wurde die Krä­me­rin für den Abschnitt über sexu­elle Aus­schwei­fun­gen ihrer Seil­schaft im Biwak am Fuße des Sechs­tau­sen­ders Lang­gang-Putri, bei denen aller­lei Aus­rüs­tungs­ge­gen­stände zum Zwe­cke des Lust­ge­winns zweck­ent­frem­det wur­den. Gerade im Hin­blick auf Eis­pi­ckel und Kara­bi­ner­ha­ken hatte sich Hil­de­gard Krä­mer als beson­ders agile Extrem-Bestei­ge­rin erwiesen.

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Mit die­sem geo-ero­ti­schen “Emp­feh­lungs­schrei­ben” war es eine nur zu natür­li­che Sache, dass die Wahl für die geplante Neu­auf­lage des Haus­halts­ar­ti­kel-Kama­su­tras auf sie fiel. So hat sich die Ver­lags­lei­te­rin, Frau Dok­tor Angela Horn, mit der bes­tens beleu­mun­de­ten neuen Autorin gegen­über ihrem Chef­lek­tor Mar­tin Hörn­chen durch­ge­setzt, der den bewähr­ten Her­aus­ge­ber der frü­he­ren Auf­la­gen bevor­zugte. Hörn­chens Argu­ment betref­fend Hane­büch­lers lang­jäh­ri­ger Erfah­rung mit dem Thema gal­ten in den Augen Frau Dok­tor Horns nicht viel, zumal bei bei­den Her­ren das Len­den­feuer bereits deut­lich nach­ge­las­sen hatte, und ins­be­son­dere Zwei­fel an ihren Kennt­nis­sen der neue­ren Haus­halts­ap­pa­ra­tu­ren ange­bracht waren. Horn hielt ihrem Hörn­chen vor, er könne nicht ein­mal die Bräu­nungs­stu­fen sei­nes Toas­ters rich­tig ein­stel­len, geschweige denn damit zu einem halb­wegs nach­hal­ti­gen Höhe­punkt kommen.

Die Ent­schei­dung für Hil­de­gard Krä­mer und gegen Franz Hane­büch­ler kom­men­tierte die streit­bare Ver­lags­chefin in einem vor kur­zem aus­ge­strahl­ten Rund­funk­in­ter­view auf Antenne 12 mit dem Hin­weis, dass weder ihr Chef­lek­tor, Herr Hörn­chen, noch des­sen Intim­freund Herr Hane­büch­ler eine Ahnung hät­ten, wie man mit dem Deckel einer Ther­mo­Flott-Koch­ma­schine eine kli­to­r­ale Sti­mu­la­tion erzeu­gen könne. Dem­ge­gen­über habe eine hand­feste Vor­stel­lung Frau Krä­mers in den Ver­lags­räu­men im Umgang mit einem beheiz­ba­ren Bügel­brett des Hörn­chens letzte Zwei­fel aus­räu­men kön­nen, wobei die anwe­sen­den Ver­lags­mit­ar­bei­ter ins­be­son­dere den eksta­ti­schen Abschluss der Dar­bie­tung mit dem straff um ihre Ober­schen­kel gewi­ckel­ten Strom­ka­bel beson­ders über­zeu­gend fanden.

So viel zur Ent­ste­hungs­ge­schichte bzw. Autoren­wahl für die Neu­auf­lage des “Kama­su­tra bei Ver­rich­tun­gen im Haus­halt”, wel­ches bei der nächs­ten Kie­ler Buch­messe zum ers­ten Mal prä­sen­tiert wer­den soll. Dabei hat sich der Ver­lag etwas Beson­de­res ein­fal­len las­sen: Am Mes­se­stand wird man eine bes­tens aus­ge­stat­tete Wohn­kü­che auf­bauen und ein hal­bes Dut­zend Akteure ein­stel­len, die wäh­rend der Besuchs­zei­ten zu jeder vol­len Stunde einen zehn­mi­nü­ti­gen Akt von ero­ti­schen Hand­lun­gen unter­ein­an­der und an aller­lei Küchen­ge­rä­ten simu­lie­ren wür­den. Wäh­rend­des­sen wird die Autorin pas­sende Abschnitte aus ihrem Werk vor­le­sen und die Anwe­sen­den zum Mit­ma­chen animieren.

Doch nun zurück zum Beleg­ex­em­plar, wel­ches ich nur mit einer Hand zu hal­ten ver­mag. Bereits der Buch­de­ckel gewährt einen viel­sa­gen­den Ein­blick in den sowohl fri­vo­len als auch haus­halts­er­go­no­misch fas­zi­nie­ren­den Inhalt: Vor einem dun­kel­ro­ten Hin­ter­grund win­den sich zwei geschmei­dige Kör­per in umständ­li­cher Ver­flech­tung um einen Staub­sauger. Über­große, rand­voll mit Ah!- und Oh!-Wortfetzen gefüllte Sprech­bla­sen stei­gen aus den hin­ter dem pral­len Staub­beu­tel zu ver­mu­ten­den Köp­fen der bei­den Prot­ago­nis­ten auf. Auf der Innen­seite springt einem die lust­volls­ten Asso­zia­tio­nen weckende ISBN 666-96-69-666 pro­vo­ka­tiv ent­ge­gen. Dar­über prangt die nicht min­der zwei­deu­tige Wid­mung “…für Her­bert, den bes­ten Reis­ge­fähr­ten und geils­ten Berg­schuh­fe­ti­schis­ten…”, der sie bei vie­len ihrer ero­ti­schen Rei­se­aben­teu­ern beglei­tet habe.

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Von Erneue­rungs­drang durch­drun­gen hat Hil­de­gard Krä­mer ihre Ver­sion des Haus­halts-Kama­su­tra völ­lig neu struk­tu­riert. Anstatt von den übli­chen Lie­bes­ri­tua­len zwi­schen zwei oder meh­re­ren Akteu­ren einer­lei oder bei­der­lei Geschlechts aus­zu­ge­hen, so wie das in den acht Abschnit­ten des Ori­gi­nals ange­legt ist, hat Krä­mer ihre Ver­sion an den typi­schen Ver­rich­tun­gen im Haus­halt ori­en­tiert. Sie wid­mete ganze Kapi­tel dem Lust­ge­winn beim Kochen, Bra­ten & Backen (Kapi­tel 1), Geschirr­spü­len (Kapi­tel 4), Waschen & Bügeln (Kapi­tel 8, mit einer aus­führ­li­chen Fuß­note zum auto­ero­ti­schen Wäsche­trock­nen), Wischen, Fegen & Staub­saugen (Kapi­tel 11) usw. – selbst­ver­ständ­lich unter erre­gungs­för­dern­der Ein­be­zie­hung der jewei­li­gen Appa­ra­tu­ren der neu­es­ten Generation.
Ganz beson­ders erwäh­nens­wert ist Krä­mers sorg­fäl­tige Aus­wahl von ener­gie­spar­sa­men Gerät­schaf­ten, die selbst bei einem sehr lang­dau­ern­den Koitus ledig­lich geringe Strom­ver­brauchs­werte auf­wei­sen. Ich zitiere aus dem Vor­wort: “Erst recht beim Anle­gen von ener­gie­in­ten­si­ven, vibrie­ren­den Koch­uten­si­lien sollte uns der Umwelt­ge­danke beson­ders nahe­lie­gen, damit auch künf­tige Gene­ra­tio­nen unbe­schwert ihre ero­ge­nen Zonen sti­mu­lie­ren las­sen kön­nen…”. Ein ihr beson­ders nah am Her­zen lie­gen­des Kapi­tel wid­met Angela Krä­mer ihren Mas­tur­ba­ti­ons­tech­ni­ken mit ein­fa­chen tech­ni­schen Hilfs­mit­teln, die sich in jedem Haus­halt fin­den las­sen. Dabei macht sie kei­nen Hehl aus ihrer spe­zi­el­len Vor­liebe für Fleisch­zan­gen, von denen sie meint, “…man kann nie genug von die­sen Din­gern in allen Grö­ßen, For­men und Varia­tio­nen haben. So wie die eigene Ana­to­mie, ist eine jede Fleisch­zange ver­schie­den und ver­schafft einem seine eigene, indi­vi­du­elle Form von Lust­ge­winn – wenn man sie nur rich­tig anlegt…”.
Im reich­hal­tig bebil­der­ten Band fin­den sich über­aus anschau­li­che Abbil…

Lei­der war hier bereits das jähe Ende des Zei­tungs­schnip­sels erreicht, so dass ich mich mit mei­ner neu­ent­fach­ten Neu­gier allein­ge­las­sen wie­der­fand. Aber das darf nicht lange anhal­ten. Gleich nach dem Käses­tem­men gehe ich zu Elek­tro­Ramsch am Stie­fel­markt und kaufe mir eine brand­neue pro­gram­mier­bare Frit­teuse mit zehn Vibrationsstufen. ♦

Lesen Sie im GLAREAN MAGAZIN auch von Peter Biro die Satire Der Fluch der Aphrodite

…sowie die Humo­reske von Jutta Mil­ler-Wald­ner: Sowat von süß


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Ein Kommentar

  1. Sehr schöne Satire! Habe mich köst­lich amü­siert. Bravo! Auf sol­che Ideen muss man erst mal kom­men… Obwohl ja immer wie­der ganz dumme Unfälle in die­sem Bereich pas­sie­ren sol­len… 😉 Wit­zi­ger Text, danke – Jens aus Berlin

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