Mathias Löffler: Rock & Jazz Harmony

Ultimatives Harmonik-Kompendium

von Walter Eigenmann

Die sog. Har­mo­nie­leh­re, dar­über herrscht kein Zwei­fel, gilt so­wohl man­chen Klas­sik- als auch vie­len Ro­ck/­Pop- oder Jazz-Mu­si­kern als tro­cke­ne Ma­te­rie. Ver­staub­te Theo­rie halt, die man al­len­falls im Mu­sik-Hoch­schul­stu­di­um als “Ne­ben­fach” durch­ste­hen muss oder als Im­pro­vi­sie­ren­der gleich ganz ignoriert.
Doch eben­so zwei­fel­los be­hält in dem neu­en 800-Sei­ten-Wäl­zer von Ma­thi­as Löff­ler: Rock & Jazz Harm­o­ny der Au­tor im Vor­wort ab­so­lut spar­ten­über­grei­fend recht: “Ta­lent mag vom Him­mel in die Wie­ge fal­len, Wis­sen je­doch nicht. Je­der Mu­si­ker, Ma­ler oder Bild­hau­er in­for­miert sich und steht im Aus­tausch mit Kol­le­gen, um zu lernen.”

Drei unterschiedliche Lernebenen

Mathias Löffler - Rock & Jazz Harmony - Die Klangwelt der Rock- und Jazzmusik verstehen - Ama VerlagDie­ses Ler­nen bzw. Leh­ren kommt in Löff­lers breit und strin­gent auf­ge­bau­ter “Har­mo­nie­leh­re” in viel­fäl­ti­ger Ma­nier da­her. Theo­re­ti­sche Aus­füh­run­gen (von den Ba­sics wie das No­ten­le­sen bis zum kom­ple­xen Mo­dal In­ter­ch­an­ge) ste­hen ne­ben gra­phisch il­lus­trier­ten Har­mo­nik-Ana­ly­sen; Zu­sam­men­fas­sen­de Ka­pi­tel-Auf­ga­ben zum Sel­ber-Lö­sen wech­seln sich ab mit kon­kre­ten An­wei­sun­gen für das im­pro­vi­sa­to­ri­sche In­stru­men­tal­spiel; Re­gel­mäs­sig ein­ge­streu­te “De­fi­ni­ti­ons­käst­chen” als un­ver­zicht­ba­re Lern­in­hal­te kon­tras­tie­ren (spä­ter) mit frei an­wend­ba­ren “Stra­te­gien” für das selbst­stän­di­ge Ana­ly­sie­ren. Und es feh­len we­der die Down­load-Hin­wei­se zu on­line ver­füg­ba­ren MP3-Da­tei­en noch eine gros­se Fül­le an No­ten­bei­spie­len aus der gan­zen jün­ge­ren Rock- und Jazz-Szene.

Rock & Jazz Harmony - 3 Vierklänge - Mathias Löffler
Die drei wich­tigs­ten Vier­klän­ge der Rock- und Jazz­mu­sik, wo ein Ton die gleich­mäs­si­ge Terz­schich­tung durchbricht

Grund­sätz­lich schrei­tet da­bei das Lehr- und Übungs­buch vom Ein­fa­chen zum Schwie­ri­gen fort; gleich­wohl hat der Mu­sik­päd­ago­ge Löff­ler die gros­sen Be­rei­che sei­nes fast 800-sei­ti­ges Kom­pen­di­ums ge­schickt in drei “Ler­ne­be­nen” struk­tu­riert: In eine Art “Quick Set Up Gui­des” mit zahl­rei­chen in­halt­lich zu­sam­men­fas­sen­den “Kon­zen­tra­ten”; in den aus­führ­lich er­läu­tern­den Fliess­text mit zahl­rei­chen Songbei­spie­len; und in eine drit­te Ebe­ne, die für Fort­ge­schrit­te­ne das punk­tu­el­le Ler­nen ge­stat­tet. Die­se drei­tei­li­ge “Bin­nen­form” der Stoff­be­hand­lung er­mög­licht ganz un­ter­schied­li­chen Le­ser­schich­ten ein mo­da­les Buch­stu­di­um und trägt we­sent­lich dazu bei, die Lek­tü­re in­di­vi­du­ell und ab­wechs­lungs­reich anzugehen.

Ein Fahrplan für das Crossover-Studium

Dem Band vor­an­ge­stellt ist da­bei ein sog. Fahr­plan als Ori­en­tie­rungs­hil­fe. Des­sen Weg­wei­ser lei­ten den Le­ser nicht auf­stei­gend von Ka­pi­tel zu Ka­pi­tel, son­dern of­fe­rie­ren die Mög­lich­keit ei­ner Crossover-Lektüre:

Mathias Löffler - Rock & Jazz Harmony - Der Fahrplan - Ama Verlag

Den “Grund­la­gen” ge­stat­tet Löff­ler 150 Sei­ten, da­nach ist das “Ba­sis­la­ger” er­reicht, und das In­ter­es­se des Le­sen­den kann sich zu split­ten be­gin­nen. Die ers­ten drei Ka­pi­tel ent­hal­ten da­bei die in­ten­sivs­ten Trai­nings­ein­hei­ten mit zahl­rei­chen Auf­ga­ben-Sei­ten, die das Ge­lern­te ab­ru­fen und ver­tie­fen sollen.

Themenfelder lückenlos erfasst

Häufig eingestreute Aufgaben erlauben dem Leser eine Standort-Bestimmung des Gelernten (Rock & Jazz Harmony - Aufgaben-Beispiele)
Häu­fig ein­ge­streu­te Auf­ga­ben er­lau­ben dem Le­ser eine Stand­ort­be­stim­mung sei­nes Gelernten

Mei­nes Wis­sens war auf dem Buch­markt bis­lang kei­ne the­ma­tisch ver­wand­te Pu­bli­ka­ti­on ver­füg­bar, die den rein mu­sik­theo­re­ti­schen Aspekt der sog. U-Mu­sik – Löff­ler de­fi­niert “Rock & Jazz” breit, sub­su­miert dar­un­ter auch Blues, Soul, La­tin, Schla­ger, Me­tal oder Coun­try u.a. – der­art tief­grei­fend und dif­fe­ren­ziert be­han­delt. The­men­fel­der und Be­griff­lich­keit sind da­bei an­fäng­lich bzw. als Grund­la­ge durch­aus der Klas­si­schen Har­mo­nie­leh­re ent­nom­men. Un­ge­fähr ein Drit­tel des Bu­ches dürf­te de­zi­diert die­ser “tra­di­tio­nel­len” Leh­re des 17. bis 19. Jahr­hun­derts zu­zu­ord­nen sein, wo­bei auch An­fän­ger wie Wie­der-Ein­stei­ger al­ler Stu­fen ih­ren Nut­zen dar­aus zie­hen kön­nen. Der Link zum his­to­risch an­ge­häuf­ten Wis­sens­fun­dus ist also ge­ge­ben. Dar­über hin­aus aber be­rei­tet der Band das ge­sam­te theo­re­ti­sche Ma­te­ri­al der neue­ren U-Mu­sik-Ge­schich­te auf, so­weit es har­mo­nie­tech­nisch über­haupt ana­ly­sier- bzw. ver­mit­tel­bar ist.

Lehr- und Wörterbuch zugleich

Dass sich in Theo­rie und Pra­xis oh­ne­hin die Schwer­punk­te, Me­tho­den und His­to­ri­en der bei­den Spar­ten U- und E-Mu­sik teils syn­onym über­schnei­den, ist klar. Dass aber die “Po­pu­lä­re Mu­sik” der letz­ten ca. 80-100 Jah­re vom frü­hen Afro-Blues bis in un­se­re Tage des Alea­to­ri­schen Free­Style-Jazz sich in­zwi­schen eben­falls ei­nen mu­sik­his­to­risch ka­ta­lo­gi­sier- und di­dak­tisch auf­be­reit­ba­ren Be­griffs­ap­pa­rat ge­ne­riert hat, wird eben an sol­chen Ar­bei­ten wie Löff­lers “Harm­o­ny” er­sicht­lich, die kaum ei­nen Aspekt aus­ser Acht lässt, der klang­lich ir­gend­wie Ein­gang ins heu­ti­ge – an­sons­ten ja sti­lis­tisch völ­lig un­über­seh­ba­re – Kon­zert­le­ben ge­fun­den hat. (Über die gan­ze Fül­le des be­han­del­ten Ma­te­ri­als ori­en­tiert hier das In­halts­ver­zeich­nis von Rock & Jazz Harm­o­ny).

Auch komplexere Harmonik-Strukturen werden in "Rock & Jazz Harmony" von Mathias Löffer anschaulich erläutert
Auch kom­ple­xe­re Har­mo­nik-Struk­tu­ren wer­den in “Rock & Jazz Harm­o­ny” von Ma­thi­as Löf­fer an­schau­lich erläutert

In sei­nem gan­zen di­dak­ti­schen Auf­bau ist der Band als Lehr­buch also sehr gut ver­wend­bar. Gleich­zei­tig ist er mit sei­nem be­griffs­ori­en­tier­ten, teils auch mo­da­len Kon­zept und der über­sicht­lich­ten Glie­de­rung der The­men­fel­der (bis hin zum mehr­sei­ti­gen Re­gis­ter­ver­zeich­nis) auch ein Nach­schla­ge­werk. Wohl­tu­end da­bei nicht nur für das Heer der “Garagen-Musik”-Amateure: Löff­lers Buch ver­steht sich nicht als wis­sen­schaft­li­che Ab­hand­lung, son­dern stellt den theo­re­ti­schen Be­zug zur Rock- und Jazz-Mu­sik in ei­ner un­ge­zwun­ge­nen Spra­che her. Nicht Do­zie­ren, son­dern Ver­mit­teln war of­fen­sicht­lich angesagt.

Harmonische Analyse direkt an den Songs

Stufen- und Skalen-Analyse von "Blue In Green" (Miles Davis)
Stu­fen- und Ska­len-Ana­ly­se von “Blue In Green” (Mi­les Davis)

Am kon­kre­tes­ten wird die­ser An­satz im letz­ten, dem “Analysen”-Kapitel. Auf fast 100 Sei­ten be­han­delt Löff­ler hier bei­na­he Takt für Takt das har­mo­ni­sche Ge­rüst von “Klas­si­kern” wie “Hey Joe” (Jimi Hen­drix) oder “Every Breath You Take” (The Po­li­ce) über Pop-Hits wie “I Turn To You” (Chris­ti­na Agui­lera) oder Film-Ti­tel wie “A Fog­gy Day” (Ge­or­ge Ger­schwin) bis hin zu le­gen­dä­ren Jazz-Ti­teln wie “500 Mi­les High” (Chick Co­rea) und “Keep Me In Mind” (John Sco­field) oder auch Be­pop-Ever­greens wie “Don­na Lee” (Char­lie Par­ker). Auch hier wie­der il­lus­trie­ren teils um­fang­rei­che No­ten­bei­spie­le und un­ter­stüt­zen die Ana­ly­se der har­mo­ni­schen Binnenstrukturen.

Die Referenz in Sachen Rock-Jazz-Harmonik

Gitarrist, Band-Gründer, Dozent: Autor Mathias Löffler (geb. 1965)
Gi­tar­rist, Band-Grün­der, Do­zent: Au­tor Ma­thi­as Löff­ler (geb. 1965)

Im Un­ter­schied zu vie­len ver­gleich­ba­ren “Schul­bü­chern” zum The­ma ge­lingt es die­ser “Har­mo­nie­leh­re” des 53-jäh­ri­gen Band-Grün­ders, Pro­fi-Gi­tar­ris­ten und Do­zen­ten Ma­thi­as Löff­ler, sei­nen weit­läu­fi­gen und kom­ple­xen Ge­gen­stand in be­son­ders trans­pa­ren­ter Ma­nier auf­zu­be­rei­ten. Dazu trägt nicht nur die raf­fi­nier­te di­dak­ti­sche Bän­di­gung der Theo­rie bei, son­dern auch der stän­di­ge Be­zug zum “mu­si­ka­li­schen All­tag” mit Song-, No­ten- und Hör­bei­spie­len di­rekt “aus der Pra­xis”. Bei zu­künf­ti­gen Auf­la­gen ist zu wün­schen, dass die On­line-An­bin­dung des Bu­ches noch aus­ge­baut bzw. ak­tua­li­siert wird, um so das mo­der­ne Lern­ver­hal­ten wei­ter Ju­gend-Krei­se zu un­ter­stüt­zen. Aber auch schon jetzt flan­kie­ren di­ver­se Au­dio-Down­load-Op­tio­nen  das Buch und ver­stär­ken so die Stoffvermittlung.

FAZIT: „Rock & Jazz Harm­o­ny“ von Ma­thi­as Löff­ler macht deut­lich, dass Kon­zert­er­fol­ge auch in der U-Mu­sik-Welt tat­säch­lich nicht „vom Him­mel fal­len“, son­dern ur­säch­lich mit der „Har­mo­nik“ zu tun ha­ben, die al­les „im In­ners­ten zu­sam­men­hält“. Die ge­naue Kennt­nis der „Har­mo­nie­leh­re“ ist also nicht der Wi­der­part des spon­ta­nen Mu­si­zie­rens, son­dern de­ren Vor­aus­set­zung… Kurz­um: Löff­lers höchst um­fang­rei­ches, aber sei­nen Ge­gen­stand sehr ab­wechs­lungs­reich ver­kau­fen­des Kom­pen­di­um ist mei­nes Er­ach­tens die neue Re­fe­renz zur The­ma­tik und ge­hört als Lehr- wie als Wör­ter­buch in jede Mu­sik-Un­ter­richts­stu­be an Hoch- wie an Volks- und Musikschulen.
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Rock & Jazz Harm­o­ny” von Ma­thi­as Löff­ler macht deut­lich, dass Kon­zert­er­fol­ge auch in der U-Mu­sik-Welt tat­säch­lich nicht “vom Him­mel fal­len”, son­dern ur­säch­lich mit der “Har­mo­nik” zu tun ha­ben, die al­les “im In­ners­ten zu­sam­men­hält”. Die ge­naue Kennt­nis der “Har­mo­nie­leh­re” ist also nicht der Wi­der­part des spon­ta­nen Mu­si­zie­rens, son­dern des­sen Voraussetzung…

Kurz­um: Löff­lers höchst um­fang­rei­ches, aber sei­nen Ge­gen­stand sehr ab­wechs­lungs­reich ver­kau­fen­des Kom­pen­di­um ist mei­nes Er­ach­tens die neue Re­fe­renz zur The­ma­tik und ge­hört als Lehr- wie als Wör­ter­buch in jede Mu­sik-Un­ter­richts­stu­be an Hoch- wie an Volks­schu­len. Doch auch je­der Mu­sik­theo­rie-An­fän­ger – und der In­stru­men­ta­list im “klas­sis­schen” Sek­tor so­wie­so… – wird die “Rock & Jazz Harm­o­ny” als will­kom­me­ne Er­gän­zung, ja als not­wen­di­ge Ho­ri­zont­er­wei­te­rung sei­ner Mu­sik er­fah­ren. Der pro­fes­sio­nel­le Song­wri­ter oder Ar­ran­geur schliess­lich er­hält zahl­rei­che wei­ter­füh­ren­de An­re­gun­gen, die sei­ne Ar­beit in­ten­si­vie­ren werden. ♦

Ma­thi­as Löff­ler: Rock & Jazz Harm­o­ny – Die Klang­welt der Rock- und Jazz­mu­sik ver­ste­hen, 784 Sei­ten, AMA Ver­lag, ISBN 978-3899222395

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma Mu­sik­theo­rie auch über Chris­toph Wünsch: Satz­tech­ni­ken im 20. Jahrhundert

4 Kommentare

  1. Was ich nie ganz ver­stan­den habe ist, war­um man im Deut­schen so oft von “Zwi­schen­do­mi­nan­ten” spricht. Im Eng­li­schen wä­ren es die Se­kun­där­do­mi­nan­ten, sehr pas­send zu der Pri­mär­do­mi­nan­te – auch ich habe nach Ber­ke­ley ge­lernt, das scheint mir sehr kon­sis­tent zu sein.
    Auch im Be­reich TS fin­de ich dann den ge­wähl­ten Be­griff sehr pas­send. Ist das eine vom Sprach­raum ab­hän­gi­ge Ver­wen­dung der Be­grif­fe? Auch Hau­en­schild spricht ja von Zwischendominanten.
    Wer­de mir das Werk in je­dem Fall ger­ne kau­fen, um auch bes­ser Ver­glei­che zwi­schen die­sem, Hau­en­schild und dem Ber­ke­ley – An­satz ma­chen zu können.
    Mir ge­fällt z.B, dass man (bei Löff­ler) nicht ganz am An­fang mit den In­ter­val­len kommt, weil das für An­fän­ger so nicht sehr schlüs­sig wäre. Zu­erst also z.B. eine Dur­ton­lei­ter ver­ste­hen, dann kann man dazu schön die In­ter­val­le er­klä­ren (gros­se & rei­ne), wo­mit der An­fän­ger ei­nen gu­ten, prak­ti­schen Zu­gang zu den In­ter­val­len be­kommt, statt stump­fes Aus­wen­dig­ler­nen zu be­trei­ben. Freue mich auf das Buch!

    • Lie­ber Oliver,

      der Be­griff „Zwi­schen­do­mi­nan­te“ be­schreibt sehr gut, was man hört: eine „zwi­schen­zeit­li­che Auf­lö­sung“. Da­mit ist ge­meint, dass bei ei­ner zwi­schen­do­mi­nan­ti­schen Wen­dung wie etwa A7 – Dm in C-Dur, das Ohr den Dm-Ak­kord für ei­nen Au­gen­blick als To­ni­ka in­ter­pre­tiert. U.a. Diet­her de la Mot­te spricht da­her beim Dm-Ak­kord mei­nes Bei­spiels auch von ei­ner „Zwi­schen­to­ni­ka“, der A7-Ak­kord ist im Grun­de fol­ge­rich­tig dann die „Zwi­schen­do­mi­nan­te“. Die­ser Au­gen­blick der (kom­po­si­to­risch ge­woll­ten) kurz­zei­ti­gen klang­li­chen Ir­ri­ta­ti­on wird im Eng­li­schen als „key of the Mo­ment“ („Ton­art des Au­gen­blicks“) be­zeich­net. So soll­te dann sprach­lich ähn­lich kon­se­quent wie im Deut­schen die Zwi­schen­do­mi­nan­te im Eng­li­schen als „key of the Mo­ment-Do­mi­nantchord“ be­zeich­net wer­den. Wie die Mu­si­ker so sind, wür­de dar­aus be­stimmt ir­gend­wann eine „Mo­ment-Dom“ oder gar die “Mom­dom”:-))

      Man kann nach­voll­zie­hen, dass hier kei­ne gute eng­li­sche Be­zeich­nung in der Luft liegt, die sprach­lich das rü­ber­bringt, was man hört. Also gab man ir­gend­wann der Lo­gik den Vor­zug und ver­gab nach „pri­ma­ry do­mi­nant“ die Ka­te­go­rie “se­con­da­ry do­mi­nant“. Ich be­sit­ze hier kei­nen An­spruch auf his­to­ri­sche Ge­nau­ig­keit, son­dern will mit die­ser Mini-Ge­schich­te nur den Sach­ver­halt erläutern. 

      So­weit so gut, könn­te man mei­nen. Läs­tig wird es erst da­durch, dass ir­gend­wann ab den 1980er Jah­ren die ers­ten deutsch­spra­chi­gen Ber­ke­ley Rück­keh­rer über­flüs­si­ger­wei­se be­schlos­sen, „se­con­da­ry do­mi­nant“ ein­zu­deut­schen und rr­rumms, ha­ben wir den Be­griff „Se­kun­där­do­mi­nan­te“ ( = se­con­da­ry do­mi­nant) für eine Do­mi­nant­funk­ti­on, die es be­griff­lich schon längst gibt, näm­lich un­se­re gute alte Zwischendominante. 

      Doch da­mit nicht ge­nug der ba­by­lo­ni­schen Sprach­ver­wir­rung, denn den Be­griff „ Se­kun­där­do­mi­nan­te“ gibt es schon län­ger im Deut­schen, sie­he z.B. Axel Jung­bluth. Hier­mit ist je­doch eine drit­te Ka­te­go­rie von Be­we­gun­gen ei­nes Do­mi­nant­sept­ak­kor­des ge­meint, de­nen gleich­zei­tig der Me­cha­nis­mus des Trug­schlus­ses und der Tri­to­nus­sub­sti­tu­ti­on in­ne­wohnt. Die­se Grup­pe von Do­mi­nant­sept­ak­kor­den müss­te im Eng­li­schen lo­gi­scher­wei­se dann in etwa „third­ly do­mi­nant“ heis­sen oä. Hier spricht Ber­ke­ley hin­ge­gen von „spe­cial funk­ti­on do­mi­nant chords“ (ohne üb­ri­gens auf den we­sent­li­chen Aspekt der Stimm­füh­rung einzugehen).

      Ich könn­te jetzt mun­ter wei­ter­schrei­ben, zum Bei­spiel die gran­dio­se Ver­wir­rung, die durch den Be­griff “Ten­si­ons“ her­bei­ge­führt wird, ein­zig weil es eine Ab­kür­zung von „EX­ten­si­ons“ ist. Aber wozu habe ich ein Buch ge­schrie­ben, da steht al­les drin…. 

      Ich fin­de es in sol­chen Fäl­len gut, mit Schau­bil­dern zu arbeiten:

      https://glarean-magazin.ch/wp-content/uploads/2020/08/Matthias-Loeffer-Schaubild-Dominanten-Begriffsvergleiche-Glarean-Magazin.pngDominanten - Begriffsvergleiche

      bes­te Grüße,

      Ma­thi­as Löffler

  2. Klingt ja re­gel­recht eu­pho­risch… 😉 Und mit an­nä­hernd 800 Sei­ten hat das Buch ja bi­bli­sche Aus­ma­ße. Gra­zie für die Review.
    Zwi­schen­fra­ge: Wird dar­in auch auf die klang­li­chen Mög­lich­kei­ten des Su­per­im­po­sing (mit 3- und 4-Klän­gen) ein­ge­gan­gen? Ich hät­te ger­ne ein paar An­re­gun­gen dazu er­hal­ten für mein ei­ge­nes Solo-Spie­len (bin Amateur-Klavier-Jazzer).
    Gruss: Carlo

    • Lie­ber Car­lo, dan­ke für Dein In­ter­es­se an mei­nem Buch!

      Die Ant­wort auf Dei­ne Fra­ge nach “Su­per­im­po­sing” fin­dest Du auf Sei­te 670 – Su­per­im­po­sing mit Drei­klän­gen so­wie auf Sei­te 675 – Su­per­im­po­sig mit Vier­klän­gen; bei­de Ab­schnit­te ge­hö­ren zum Ka­pi­tel “Im­pro­vi­sa­ti­on”, in dem ich eine grund­le­gen­de Ori­en­tie­rung zum The­ma bie­te, vom “Lick” bis zum “out­go­ing”.
      Das Ka­pi­tel Voi­cings (Sei­te 233) im Zu­sam­men­hang mit Lower – und Up­per Struc­tu­re Triads so­wie ein kur­zer Streif­zug zu den “left hand voi­cings” von Evans soll­test Du in dem Zu­sam­men­hang eben­falls stu­die­ren. Ab Sei­te 672 fin­dest Du im Üb­ri­gen noch “Su­per­im­po­sing mit Pen­ta­to­nik” incl. der So­lo­trankrip­ti­on ei­ner SI-Phra­se von Ja­cky Ter­ras­son, den ich to­tal mag.

      bes­te Grüße,

      Ma­thi­as Löffler

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