Karsten Müller: Schachendspiele für Kids

Endspiel-Schule für ehrgeizige Schach-Kids

von Thomas Binder

Der renom­mierte Lon­do­ner Schach­ver­lag Gam­bit Publi­ca­ti­ons, zu des­sen Grün­dern die Gross­meis­ter John Nunn und Mur­ray Chand­ler gehö­ren, hat seine Serie der Schach­bü­cher “… for kids” nun um das End­spiel­lehr­buch “Schach-End­spiele für Kids” ergänzt. Als Autor wurde kein Gerin­ge­rer gewon­nen, als der Ham­bur­ger Mathe­ma­ti­ker und Gross­meis­ter Kars­ten Mül­ler.

Mül­ler gilt als der füh­rende End­spiel­ex­perte unse­rer Zeit – min­des­tens im deutsch­spra­chi­gen Raum, ver­mut­lich aber auch dar­über hin­aus. Aus sei­ner Feder stammt u.a. das aktu­elle Stan­dard­werk “Grund­la­gen der Schach­end­spiele” (gemein­sam mit Frank Lam­precht). Aus­ser­dem hat er bei Chess­base eine Serie von 14 DVDs vor­ge­legt, die das gesamte End­spiel­wis­sen abde­cken. Die vor­ge­nann­ten Werke wen­den sich dabei vor­wie­gend an erfah­rene Spie­ler. Aus dem “Grundlagen“-Lehrbuch soll selbst Welt­meis­ter Carlsen noch lehr­rei­che Erkennt­nisse gewon­nen haben. In der Kom­bi­na­tion als Spie­ler, Autor und Trai­ner ist Kars­ten Mül­ler –  er gehört zum regel­mäs­si­gen Trai­ner­stab der Schach­schule Ham­burg – die Ide­al­be­set­zung für die­ses Werk.

Von der elementaren Mattführung bis zu schwierigeren Mustern

Karsten Müller: Schach-Endspiele für KidsMül­ler teilt den Stoff in 50 Lek­tio­nen, die jeweils eine Dop­pel­seite bele­gen. Jede Lek­tion beginnt mit einem ein­füh­ren­den Text, und es fol­gen 6 Dia­gramme zur Ver­deut­li­chung der wich­tigs­ten Aspekte. Das sind oft 6 eigen­stän­dige Bei­spiele aus Par­tien, Stu­dien oder Lehr­stel­lun­gen. Manch­mal aber erstreckt sich der Ver­lauf einer Zug­folge auch über meh­rere Dia­gramme. Ins­ge­samt haben wir es mit einer streng for­ma­li­sier­ten Ein­tei­lung jeder Lek­tion zu tun – eine Eigen­heit, die mir auch in ande­ren Büchern von “Gam­bit” bereits auf­ge­fal­len war. Es ist Sache des Autors sei­nen Stoff so zu struk­tu­rie­ren, dass jedes ein­zelne Thema ange­mes­sen dar­ge­stellt wer­den kann. Kars­ten Mül­ler hat das bes­tens hingekriegt.
Seine Lek­tio­nen begin­nen mit ele­men­ta­ren Matt­füh­run­gen. Für das Matt mit einem Turm bringt er – im Gegen­satz zu den meis­ten ande­ren End­spiel-Ein­füh­run­gen – sogar zwei Metho­den. (Als akti­ver Jugend­trai­ner möchte ich dies aus­drück­lich begrüs­sen. Die in vie­len Büchern allein­ste­hende Methode der immer klei­ner wer­den­den Recht­ecke, mag oft schnel­ler sein, aber sie birgt für Anfän­ger die Gefahr, in ein Patt zu lau­fen. Des­halb ziehe ich selbst im Trai­ning die allein auf Oppo­si­tion beru­hende zweite Methode vor).
Nach den ein­fa­chen Matts folgt Mül­ler der übli­chen Ein­tei­lung von End­spiel­bü­chern nach den betei­lig­ten Figu­ren­ty­pen. Die bei­den letz­ten Lek­tio­nen run­den das Buch mit dem ewig gelieb­ten oder gehass­ten Thema “Matt mit Läu­fer und Sprin­ger” ab.

Gute Auswahl des Stoffes garantiert Fortschritte

Karsten Müller: Schach-Endspiele für Kids (Probeseite 3)
Kars­ten Mül­ler: Schach-End­spiele für Kids (Pro­be­seite)

Die Aus­wahl der ein­zel­nen Stoff­kom­plexe ist dem Autor her­vor­ra­gend gelun­gen. Es fehlt nichts, was man einem jun­gen Schach-Enthu­si­as­ten erklä­ren müsste, es ist nichts dabei, was ich für über­flüs­sig hielte. Wir ler­nen die wich­tigs­ten tech­ni­schen und geo­me­tri­schen Ver­fah­ren im Bau­ern­end­spiel. Wir sehen gleich- und ungleich­far­bige Läu­fer im Duell. Auch die Frage, wel­che Leicht­fi­gur im kon­kre­ten Fall den Vor­zug ver­dient, wird beant­wor­tet. Im Kapi­tel über Turm­end­spiele wer­den u.a. die wich­tigs­ten Gewinn- und Remis­ver­fah­ren erläu­tert, die mit den Namen Phil­i­dor, Kar­stedt, Lucena und Van­cura ver­bun­den sind. Am Ende des Buches ste­hen 36 Test­auf­ga­ben mit Lösun­gen, anhand derer der Ler­nende sei­nen Fort­schritt über­prü­fen kann.

Keine speziell auf Kinder ausgerichteten Unterrichtselemente

Fazit-Rezensionen_Glarean Magazin
Mül­ler prä­sen­tiert in den 50 Lek­tio­nen sei­ner “Schach­end­spiele für Kids” ein umfang­rei­ches Eröff­nungs­wis­sen, begin­nend beim abso­lu­ten Anfän­ger­ni­veau und bis hin zu einem Level, bei dem auch gestan­dene Tur­nier­spie­ler gern noch ein­mal im Lehr­buch nach­schla­gen wer­den. Die Aus­wahl sei­ner The­men ist her­vor­ra­gend gelun­gen. Die Ver­mitt­lung des Stof­fes wen­det sich aller­dings kei­nes­wegs nur an Kin­der. Sehr junge Kids wer­den sogar der Beglei­tung und Anlei­tung bedür­fen, um aus dem vor­lie­gen­den Buch maxi­ma­len Lern­erfolg zu ziehen.

Wer wird die­ser Ler­nende sein? Das Buch wen­det sich an den ambi­tio­nier­ten Ein­stei­ger. Vor­kennt­nisse auf dem Gebiet der End­spiel­tech­nik sind nicht erfor­der­lich.  Damit sind natür­lich die auf dem Titel adres­sier­ten “Kids” ange­spro­chen. Es gibt indes kei­nen Grund, die Ziel­gruppe des Buchs auf Kin­der zu beschrän­ken. Der Stoff und seine Ver­mitt­lung wer­den jedem Schach-Anfän­ger gerecht und selbst Ver­eins­spie­ler mitt­le­rer Spiel­stärke wer­den viel­leicht noch ein­mal nach­schla­gen wol­len, wie denn wohl die Regel von Cen­tu­rini bei gleich­far­bi­gen Läu­fern lau­tet. Ande­rer­seits feh­len dem Buch jede spe­zi­ell auf Kin­der aus­ge­rich­te­ten Ele­mente. Inso­fern wecken Titel und Titel­bild viel­leicht eine fal­sche Erwar­tung. Es gibt keine spie­le­ri­schen Ein­schübe und die Gestal­tung wirkt ins­ge­samt sehr sach­lich. Eine beson­dere “kind­ge­rechte” Locker­heit der Spra­che sucht man eben­falls vergebens.
Die ein­füh­ren­den Texte jeder Lek­tion sind ver­ständ­lich geschrie­ben. Sie bil­den eine im gesetz­ten Rah­men per­fekte Erläu­te­rung zum Thema. Im Gegen­satz dazu sind die Texte zu jedem ein­zel­nen Dia­gramm doch sehr knapp und for­dern vom Leser inten­si­ves Mit­ar­bei­ten und Mitdenken.
Als Trai­ner im unte­ren Alters- und Leis­tungs­be­reich weiss der Rezen­sent, dass Kids oft völ­lig abwe­gige “Was wäre wenn”-Fragen stel­len, auf die sie allein keine Ant­wort finden.
Für sehr junge Kids, die ihre ers­ten Schritte in Sachen Schach unter­neh­men, wird die­ses Buch also nicht ohne Beglei­tung eines Trai­ners, Leh­rers oder schach­spie­len­der Eltern zu bewäl­ti­gen sein. Wenn sie aber die Kraft auf­brin­gen, es durch­zu­ar­bei­ten und die Inhalte zu ver­ste­hen, dann macht ihnen im nächs­ten Nach­wuchs­tur­nier kein Geg­ner mehr im End­spiel etwas vor. ♦

Kars­ten Mül­ler: Schach­end­spiele für Kids – 50 End­spiel-Lek­tio­nen, 128 Sei­ten, Gam­bit Books, ISBN 978-1-910093-66-5

Lesen Sie im Glarean Maga­zin zum Thema „Kin­der- und Jugend­schach“ auch über Peter Mit­schit­c­zek: Fang den König!

Kommentare sind willkommen! (Keine E-Mail-Pflicht)