Musik: Zum Tode des Gitarristen Julian Bream (1933-2020)

Ausnahmemusiker mit grosser Kulturvielfalt

von Horst-Dieter Radke

Am 14. Au­gust die­ses Jah­res starb 87-jäh­rig der eng­li­sche Gi­tar­rist und Lau­te­nist Ju­li­an Bream. Auch wenn manch ei­ner ob des un­ver­meid­li­chen To­des und des doch lan­gen Le­bens mit den Schul­tern zuckt: Ich fin­de es im­mer wie­der be­dau­er­lich, wenn je­mand stirbt, den ich zeit­le­bens sehr ge­schätzt habe, mag er oder sie noch so alt ge­wor­den sein. Dies trifft auf Ju­li­an Bream ganz be­son­ders zu.

Ers­te Er­fah­run­gen mit der Gi­tar­re mach­te Bream mit der Jazz­gi­tar­re sei­nes Va­ters. Im Al­ter von 11 Jah­ren be­kam er eine spa­ni­sche Gi­tar­re ge­schenkt, auf der er Un­ter­richt von Bo­ris Perott er­hielt. Mit 12 Jah­ren ge­wann er ei­nen Preis für sein Kla­vier­spiel, der es ihm er­mög­lich­te, am Roy­al Col­lege of Mu­sic zu stu­die­ren. Gi­tar­re lern­te er au­to­di­dak­tisch wei­ter und gab im Al­ter von 13 Jah­ren sein ers­tes Kon­zert­de­büt. Mit 18 Jah­ren trat er mit der Gi­tar­re in der Lon­do­ner Wig­ma­re Hall auf. Wäh­rend sei­ner Mi­li­tär­zeit ka­men ihm die frü­hen Er­fah­run­gen auf Va­ters Jazz­gi­tar­re zu Gute, denn er spiel­te in die­ser Zeit Gi­tar­re in der Roy­al Ar­til­lery Band.

Mit Klassik durch Europa

Julian Bream - Gitarrist - Glarean Magazin
Ju­li­an Bream 1933 – 2020)

Nach sei­ner Mi­li­tär­zeit nahm er je­den mu­si­ka­li­schen Job an, den er be­kom­men konn­te. Er spiel­te Film­mu­sik für die BBC und tour­te mit klas­si­schem Gi­tar­ren­re­per­toire durch Eu­ro­pa (ab 1954) und den Rest der Welt (ab 1958). Ne­ben­bei ent­deck­te er die Lau­te, pass­te das In­stru­men­te an sei­ne Be­dürf­nis­se an – er spiel­te ein re­la­ti­ves gros­ses In­stru­ment, und nicht nur mit ei­ner ein­zel­nen ho­hen Sai­te son­dern de­ren zwei –, brach­te mit dem Te­nor Pe­ter Pears die Lie­der von John Dow­land wie­der in die Kon­zert­sä­le und grün­de­te das Ju­li­an Bream Cons­ort, das zu den ers­ten En­sem­bles ge­hör­te, das alte Mu­sik auf Ori­gi­nal­in­stru­men­ten spiel­te. Er spe­zia­li­sier­te sich je­doch nicht nur auf alte Mu­sik, traf Mu­si­ker an­de­rer Kul­tu­ren (etwa Ali Ak­bar Khan und Paco Pena), und spiel­te auch Kom­po­si­tio­nen zeit­ge­nös­si­scher Kom­po­nis­ten, von de­nen eine gan­ze Rei­he spe­zi­ell für Bream kom­po­nier­ten. Ben­ja­min Brit­tens “Noc­turnal”, oder Hans Wer­ner Hen­ze die So­na­ten “Roy­al Win­ter Mu­sic”. Die spa­ni­sche Gi­tar­ren­mu­sik leg­te er in Ein­spie­lun­gen von der Re­nais­sance bis zum 20. Jahr­hun­dert vor. Sei­ne Ein­spie­lun­gen auf CD sind auch heu­te noch ver­füg­bar, ein­zeln und in Sammlungen.

In erster Linie Musiker

Ju­li­an Bream war der ers­te Gi­tar­rist, der mich für die klas­si­sche Gi­tar­re ein­nahm. Sego­via liess mich kalt, und an­de­re wa­ren mir noch nicht un­ter­ge­kom­men. Bream war Gi­tar­rist, na­tür­lich, aber in ers­ter Li­nie Mu­si­ker. Er bril­lier­te nicht vor­der­grün­dig mit stu­pen­der Tech­nik, son­dern in­ter­pre­tier­te die Mu­sik, die Kom­po­nis­ten nie­der­ge­schrie­ben hat­ten. Sei­ne Tech­nik ist selbst­ver­ständ­lich enorm, man kann kei­ne Be­gren­zun­gen hö­ren, aber sie tritt hin­ter der Mu­sik zurück.

Julian Bream - Gitarrenmusik aus drei Jahrhunderten - Glarean Magazin
Le­gen­dä­res Bream-Al­bum auf Vi­nyl: “Gi­tar­ren­mu­sik aus drei Jahrhunderten”

Mei­ne Be­geg­nung mit die­sem Aus­nah­me­gi­tar­ris­ten ge­schah fol­gen­der­mas­sen: Als Schü­ler war ich im­mer knapp bei Kas­se, doch ein­mal hat­te ich Dank ei­nes kur­zen Jobs et­was mehr Geld als üb­lich in der Ta­sche und ging in ei­nen Plat­ten­la­den. Her­aus kam ich mit ei­ner Kas­set­te, die zwei LPs von Ju­li­an Bream ent­hielt. Ti­tel: “Gi­tar­ren­mu­sik aus drei Jahr­hun­der­ten”. Ur­sprüng­lich woll­te ich et­was von Jimi Hen­drix oder ähn­li­ches kau­fen. Da man sich da­mals aber die Plat­ten noch im La­den an­hör­te und die Kas­set­te von Bream vor der Ecke ‚Rock/Pop‘ stand, kam ich gar nicht erst bis da­hin. Ich hör­te nur bis zum drit­ten Stück (“Tom­beau sur la mort de M. Comte de Logy” von S.L. Weiss, nach zwei Stü­cken von Bach), da­nach gab es kein Über­le­gen, kein ‚Für und Wi­der‘ mehr. Mein fi­nan­zi­el­ler Etat war wie­der auf dem üb­li­chen Ni­veau, und ich zog mit den neu­en Plat­ten heimwärts.

Die Laute der Gitarre angepasst

Tat­säch­lich ent­hiel­ten die bei­den Plat­ten der Kas­set­te we­nig ori­gi­nä­res Gi­tar­ren­re­per­toire. Da war un­wei­ger­lich das d-moll Prä­lu­di­um von Bach, da war Vil­la-Lo­bos mit sei­nem Cho­ros Nr. 1. Und da wa­ren die Spa­ni­er Tor­ró­ba, Al­bé­niz, de Falla und Tu­ri­na, von de­nen nur der ers­te tat­säch­lich für die Gi­tar­re ge­schrie­ben hat­te, die Mu­sik der an­de­ren Spa­ni­er von den Gi­tar­ris­ten aber schon so ver­ein­nahmt war wie die Lau­ten­mu­sik von Bach. Zu­sätz­lich fand sich auf den Plat­ten aber auch Mu­sik von Do­me­ni­co Scar­lat­ti, Mau­rice Ra­vel, Lui­gi Boc­che­ri­ni, Joa­quin Ro­dri­go und Ben­ja­min Brit­ten. Letz­te­rer mit dem Noc­turnal, das er nach Mo­ti­ven Dow­lands ex­tra für Ju­li­an Bream ge­schrie­ben hatte.

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Aber, ob nun für Gi­tar­re kom­po­niert oder nur für Gi­tar­re ar­ran­giert – die Mu­sik klang au­then­tisch, und Will­kür­lich­kei­ten wie bei Sego­via, bei al­ler in­ter­pre­ta­to­ri­schen Frei­hei­ten die sich Bream nahm, konn­te man nicht fin­den. Bald dar­auf be­kam ich mit “The Woods so Wild” eine LP ge­schenkt, auf der Bream Lau­te spiel­te. Auch das hat mich da­mals be­rührt und für die Lau­te in­ter­es­siert, die ich nur am Ran­de und eher ober­fläch­lich be­ach­tet hat­te bis da­hin. Heu­te weiss ich, dass Bream kein ori­gi­nä­rer Lau­te­nist war, dass er das In­stru­ment sei­ner Gi­tar­ren­tech­nik an­ge­passt hat. Ich höre trotz­dem noch ab und an sei­ne Lau­ten-Al­ben, weil auch da das Phä­no­men, dass er als Mu­si­ker un­ab­hän­gig vom In­stru­ment das Werk dar­bie­tet, trotz al­lem über­zeugt. In letz­ter Kon­se­quenz zie­he ich das al­ler ver­meint­li­chen Werk­treue vor.

Gitarrenmusik als Trost und Freude

Nun ist er also ab­ge­tre­ten. Sein letz­tes Kon­zert liegt schon 18 Jah­re zu­rück. Die bei­den Schall­plat­ten höre ich nicht mehr so oft wie sei­ne CDs, aber sie sind mit mir durch all die Jahr­zehn­te mei­nes Le­bens ge­gan­gen und wa­ren mir oft und oft Ge­nuss, Ent­span­nung, Trost und Freu­de, das wird auch si­cher so blei­ben. Und je­des Mal wenn ich sie höre, höre ich Mu­sik und nur ne­ben­bei Gi­tar­re. Ich be­daue­re sei­nen Tod sehr, auch wenn ich weiss, dass er letzt­end­lich für je­den un­ver­meid­lich ist. ♦

Le­sen Sie zum The­ma Klas­si­sche Gi­tar­ren­mu­sik auch über Ja­kob Ban­so: Con­nect – Elec­tro­nic Works For Guitar

2 Kommentare

  1. (sic) Er brilliert(e) nicht vor­der­grün­dig mit stu­pen­der Tech­nik, son­dern in­ter­pre­tier­te die Mu­sik, die Kom­po­nis­ten nie­der­ge­schrie­ben hat­ten. (sic)

    Wun­der­ba­rer bio­gra­fi­scher Nach­ruf, den ich ger­ne und mit gro­ßem In­ter­es­se ge­le­sen habe.
    Nur der klei­ne Tem­pus­feh­ler in obi­gem Satz soll­te kor­ri­giert werden. 😉

    • Mit Tipp­feh­lern ver­fah­ren wir im­mer gross­zü­gig: Wer sie fin­det, darf sie behalten 😉

      Trotz­dem vie­len Dank fürs auf­merk­sa­me Le­sen und das po­si­ti­ve Feedback.

      W. E.

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