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Musikphilosophische Kernfragen
von Walter Eigenmann
Wenn ein Musik-Periodikum aus der Schweiz Fragen stellt wie: “Kann es eine Ästhetik der Intensität und der Klangfarbe geben?”; “Wozu eine Ontologie der Musik?”; “Praxisorientierte Musik-Wissenschaft: Ein Widerspruch”? oder “Peut-on dire la musique?”, dann kann es sich nur um exakt eine Zeitschrift handeln: “Dissonanz-Dissonance“.
Die aktuelle Nummer 98/Juni07 der vier Mal jährlich vom Schweizerischen Tonkünstlerverein herausgegebenen (und wie immer zweisprachigen) “Dissonanz” spannt den theoretischen Bogen erneut weit. Während beispielsweise Thomas Meyer die “Forschung an den Musikhochschulen” rechiert und u.a. nach der (auch interdisziplinären) musikwissenschaftlichen Zusammenarbeit auf dem Hochschulplatz Schweiz einerseits und anderseits nach überhaupt den medialen Wegen der Vermittlung von Forschungsergebnissen fragt, theoretisiert Roger Pouivet umfangreich über Aaron Ridleys “The Philosophy of Music” und dessen radikale Kritik an einer Ontologie des Kunstwerkes (Ridley: “Wann haben Sie sich nach dem Anhören eines Musikstücks, sei es nun im Konzert oder aufgezeichnet, zum letzten Mal ernsthaft gefragt, ob diese Aufführung nun eine des Werks selbst gewesen sei”?)
Wittgenstein und das “Reden über Musik”
Musikphilosophie kommt auch in einem dritten “Dissonanz”-Schwerpunkt zum Zuge, in dem französischen Beitrag “Wittgenstein et le sens de la musique”, worin Sebastian Aeschbach das (unsystematische, meist verstreute) “Reden über Musik” des genialen Sprache-Denkers ins Zentrum rückt und dabei “Wittgensteins Fragestellungen eine grosse Bedeutung in der gegenwärtigen musikästhetischen Debatte” beimisst.
Ein besonderer Verdienst von “Dissonanz” ist immer von neuem, dass der Blick, also das Ohr der Leserschaft kompetent und dokumentiert auf singuläre Erscheinungen des aktuellen Komponierens gelenkt (teils gar gezwungen) wird. Diesmal spürt Autor Sebastian Kiefer der “Intensität” und der “Klangfarbe” im Schaffen der 1967 in Grossbritannien geborenen Rebecca Saunders nach.
Schlieβlich steht im Mittelpunkt des Reflektierens in “Dissonanz” sporadisch, aber regelmäβig auch das Schaffen Maurizio Kagels; die neu vorgelegte Ausgabe (Chefredaktion: Michael Kunkel) wirft die Frage (von Daniel weissberg) auf, “inwieweit der Fokus auf experimentelle Klangerzeuger bei Kagel dessen Schaffen erhellen kann, und wo dieser den Blick auf eine kompositorische Haltung, die Werken unterschiedlicher Erscheinungsformen gemeinsam ist, verstellt”. ♦
Dissonanz/Dissonance, Schweizer Zeitschrift für aktuelle Musik, Nr. 98/Juni07, Schweizerischer Tonkünstlerverein, 64 Seiten, ISSN 1660-7244
Lesen Sie im Glarean Magazin zum Thema “Neue Musik” auch das “Zitat der Woche” von Ursula Petrik: Von den Kontaktschwierigkeiten der Neuen Musik