Inhaltsverzeichnis
Die Grenzen des Journalismus
von Katka Räber
“Werner van Gent – Leben zwischen Krieg und Musik” ist ein Dokumentarfilm mit allen Facetten, die ein derartiges filmisches Dokument bieten kann: Geschichtliche Bildersequenzen, die fesseln; das berufliche Leben einer äußerst spannenden Persönlichkeit; eine diskussionsanregende Gedankenebene. All das erfüllt der Film über den holländisch-schweizerischen Journalisten Werner van Gent, der bis vor kurzem vier Jahrzehnte lang sehr eindrücklich, stets unaufgeregt und sehr glaubwürdig aus den Kriegsgebieten u.a. des Nahen Ostens, aus Afghanistan, Pakistan, Syrien, Ex-Jugoslawien berichtet hat.
Mit verschiedenen Stilmitteln nähert sich der Film dem Protagonisten: Historische Aufnahmen aus seinen Berichterstattungen; Mitschnitte aus dem jetzigen Leben; seine Stimme aus dem Off mit Gedanken über das Leben allgemein, über Krieg und Frieden, Recht und Unrecht, Freuden und Frustrationen des Journalismus. Im Film begegnen wir außerdem van Gents Gattin Amalía, einer Griechin, die ebenfalls im Journalismus arbeitet. Und zwischen diesen zahllosen Begegnungen, Berichten und Interviews immer wieder musikalische Ein- und Rückblenden, besonders der Violinistin Patricia Kapatschinskaja, die Werner van Gent als Amateur-Cellist sehr bewundert.
Filmisches Mosaik

Der Dokumentarfilm selber ist ein filmisches Meisterwerk, der vorführt, wie auch schwierige, oft unmenschliche Tatsachen und Begebenheiten gezeigt werden können in Verbindung mit dem Leben eines sehr engagierten Journalisten und seiner Gattin. Ein Dokument, das aufzeigt, was journalistische Arbeit beinhaltet, welche Gefahren, aber auch Freundschaften auf der ganzen Welt sie mit sich bringt, welche Herausforderungen sich hinter den uns erreichten Nachrichten verbergen. Ein Film auch, der einerseits Hoffnung macht, weil es Journalistinnen und Journalisten gibt, die sich einsetzen für eine möglichst wahrhaftige Berichterstattung auch aus gefährdetsten und gefährlichsten Regionen dieser Welt, aus Kriegsgebieten nämlich, die es leider immer gab und heute nicht weniger gibt. Einer dieser glaubwürdig, engagiert und gleichzeitig objektiv berichtenden Medienschaffenden ist Van Gent.
Musik als Heimat
Van Gent und seine Frau sind Weltbürger. Er: Der Sohn eines Holländers und einer Schweizerin. Sie: Eine Griechin. Van Gents Vater ist im Zweiten Weltkrieg als junger Mann wegen Transportierens von antifaschistischen Flugblättern in ein Konzentrationslager gekommen, das er überlebte, und worüber er erst am Lebensende gesprochen hat. Auch diese Ebene wird in den vielschichtigen, farbigen Film-Teppich sehr geschickt eingewoben.
Wir folgen van Gents jetzigem Leben nach seiner Pensionierung nach Athen, wo das Paar heute lebt, nachdem sie verschiedene Domizile bewohnten, aber immer wieder in der kargen Landschaft der Insel Tinos Ruhe und Erholung fanden, in ihrem Haus, das sie vor vielen Jahren gekauft haben.
Die Musik, die nach van Gents Worten “Heimat” für ihn bedeutet, unterstützt im Leben wie im Film immer wieder seine Worte. Denn aus ihr schöpfte er stets die Kraft weiterzumachen, trotz der unmenschlichen Kriege an so vielen Orten der Welt – “um den Glauben an den Menschen nicht zu verlieren”.
Trotz Elend noch an Gott glauben?

Der Schweizer Nachrichtensprecher Florian Inhauser fragt ihn im Film, ob man im Wissen um so viel Schreckliches in der Welt noch an Gott glauben kann. Van Gent antwortet mit dem Zitat eines Veteranen aus dem Zweiten Weltkrieg: “Jetzt weiß ich, dass es einen Gott gibt. Er trägt eine braune Uniform.” Es sei enttäuschend, dass in der Welt nicht die Vernunft siegt.
Im Film sehen wir beispielsweise das Begräbnis von Mikis Theodorakis (September 2021), dem auch politisch engagierten griechischen Musiker, der vielen Menschen Hoffnung brachte. Musik kann auch Werner van Gent eine gewisse Versöhnung bringen.
Der Film schafft es auf jeden Fall, diese ganze Vielfalt auf eine sehr berührende und doch informative Art zusammenzuführen. Ich wünsche dieser Dokumentation viel Publikum, egal ob im Kino oder am Fernsehen. ♦
Michael Magee (Regie): Werner van Gent – Leben zwischen Krieg und Musik (Dokumentarfilm), ca. 60 Minuten
Lesen Sie zum Thema Politischer Dokumentarfilm auch über F. Chiquet & M. Affolter: Die Pazifistin