Inhaltsverzeichnis
Frisch, ironisch, verletzlich
von Katka Räber
“Speak Up” von Laura Steven ist ein witzig und zunächst leichtfüssig im Jugendjargon verfasster Roman in Tagebuchform über mögliche Probleme von Achtzehnjährigen in den USA an einer Highschool. Abgrenzung, Ausgrenzung, Sexualität, Liebe, Freundschaft und Cybermobbing mit allen möglichen Konsequenzen.
Auf Englisch heisst das Buch “The Exact Opposite of Okay” und trägt in der deutschen Übersetzung den Titel “Speak Up”, was auf den ersten Blick undurchsichtiger scheint und “lauter sprechen” bzw. “den Mund aufmachen” bedeutet.
Warum auf Englisch, wenn ein weniger Englischkundiger für die genaue Wortwahl im Wörterbuch nachschauen muss? Vielleicht, weil es dann eher auch die junge Leserschaft anzieht, und das ist gut so.
Jugendliche oder junge Leserinnen und Leser treffen hier eine unangepasste Achtzehnjährige an, die schon als kleines Kind ihre Eltern bei einem Autounfall verloren hat und seitdem bei ihrer grossmutter lebt. Izzy O’Neill ist rotzig unangepasst, aber intelligent, und sie möchte gerne Drehbuchautorin werden. Die Englischlehrerin entdeckt Izzys Talent und hilft ihr bei konkreten Schritten, um ihre Texte tatsächlich veröffentlichen zu können und durch einen Wettbewerb zu einem Studium zu kommen.
Selbstironie als Selbstschutz
Izzy schützt ihre Gefühlswelt mit selbstironischem Humor und ständigen Witzeleien, die tatsächlich humorvoll sind, in der täglichen Konzentration dann manchmal sowohl ihrer Umgebung wie auch mir als Leserin hie und da fast zu viel, also ‚too much’ waren. Aber Laura Steven, die Autorin aus der nördlichsten Stadt Englands, ist selber Jahrgang 1992 und kennt sich in der Szene noch sehr gut aus. Warum sie allerdings die Handlung in den USA und nicht in England spielen lässt, wurde mir nicht ganz klar. Aber das ist unwichtig, denn die Szenerie stimmt, die jungen Leute an der Schule sind noch mehr als mit dem Lehrstoff mit Sex, Partys und Beziehungsproblemen beschäftigt.
Ausgrenzung durch Sprache

Das könnte in jedem Kioskroman vorkommen, wäre da nicht diese tatsächlich witzige, meist sogar geistreiche Sprache der Hauptprotagonistin, wie sie sich ihrem Tagebuch während einem Monat anvertraut. Und aus einer Beobachterperspektive lernen wir zuerst Izzys beste Freundin Ajita und den Freund schon aus dem Kindergarten Danny kennen, mit denen sie herumzieht, die Welt mit kritischem Blick betrachtet und in Gesprächen kommentiert. Ihre eigenen, verletzlichen Gefühle versteckt Izzy hinter schnödem Sarkasmus, der ihr einerseits hilft und sie innerlich stärkt, aber sie in Gesellschaft von anderen Jugendlichen in die Bitch-Ecke stellt.
Zwischen Sexualität und Cybermobbing
Neben der nach aussen derben Sprache und scheinbar abgebrühten Sexualität werden aber auch sehr zarte Liebesgefühle beschrieben, die anrühren und die Spannweite zwischen unserer vollkommen sexualisierten Welt und der Verletzlichkeit von echten Gefühlen, Erwartungen, Unsicherheiten und freundschaftlichen Banden aufzeigen. Und plötzlich kippt dieses Spiel in ein schlimmes Cybermobbing, indem gedankenlos Fotos manipuliert werden und zu einer vernichtenden Waffe mutieren. Dies gehört leider auch bei uns zur Realität an Schulen, wobei das grossartige Internet missbraucht wird zu bösartigen Vernichtungsattacken.
Ungekünstelt-jugendliche Frische
Das Buch hat mich angesprochen in seiner ungekünstelten, jugendlichen Frische, hat mich immer wieder amüsiert, wenn es auch stellenweise ein wenig zu lang geriet, aber es zeigt auf, dass Gerüchte im Internet die Zukunft verbauen und eine menschliche Psyche beschädigen können. Da schwingt kein erhobener Moralfinger mit, es entzaubert bloss den Wunsch, dass junge Menschen noch unverdorben, gut und nicht bösartig sind. Der Lebenskampf beginnt schon früh, auch innerhalb von Freundschaften.
Der englische Humor der jungen, gesellschaftlich sehr engagierten Autorin wurde von Henriette Zeltner hervorragend übersetzt. The Guardian schrieb über die Originalausgabe: “Witzig, geistreich, feministisch.” Das lässt sich auch vom Transfer ins Deutsche behaupten. ♦
Laura Steven: Speak Up – Roman, 348 Seiten, Droemer Verlag, ISBN 978-3-426-28233-5
Katka Räber
Geb. 1953 in der Tschechoslowakei, 1968 Übersiedlung in die Schweiz, Studium der Slavistik, Germanistik und Literaturkritik in Zürich, später Paarberatungsausbildung und Psychodrama-Diplom, lebt als Sachbuch- und belletristische Autorin sowie als Therapeutin und Fotografin in Basel
Lesen Sie im Glarean Magazin zum Thema Jugend und Sexualität auch über den Roman von Peter Reutterer: Siesta mit Magdalena
… sowie zum Thema Jugend und Sprache von Mario Andreotti: Wie Jugendliche heute schreiben