R. & S. Zürcher: Das Mädchen und die Spinne (Spielfilm)

Trauerspiel im Dreivierteltakt

von Katka Räber

Die bei­den Schwei­zer Zwil­lings­brü­der Ra­mon und Sil­van Zür­cher ha­ben mit “Das Mäd­chen und die Spin­ne” ei­nen ei­gen­wil­li­gen Film über jet­zi­ge Be­zie­hun­gen ge­dreht. Der Film wur­de an der Ber­li­na­le 2021 mit dem Preis für die bes­te Re­gie in der Sek­ti­on En­coun­ters aus­ge­zeich­net. Be­grün­dung der Jury: “Die be­ein­dru­cken­de Aus­füh­rung ei­ner ri­go­ro­sen In­sze­nie­rung, wel­che die Mehr­deu­tig­keit je­der Fi­gur mit An­mut, Hu­mor so­wie Raf­fi­nes­se un­ter­stützt und letzt­lich die Kom­ple­xi­tät mensch­li­cher Be­zie­hun­gen umfasst.”

Das Mädchen und die Spinne - Gebrüder Zürcher - Rezension Glarean MagazinWäh­rend des Um­zugs von Lisa, ei­ner jun­gen Frau, aus ei­ner WG und des Ein­zugs in ihre neue Woh­nung, die sie nun al­lei­ne be­woh­nen will, ent­wi­ckelt sich die Hand­lung, und auch die Cha­rak­te­re der Prot­ago­nis­ten zei­gen sich in ver­schie­de­nen Schat­tie­run­gen. Die drei Aris­to­te­li­schen Ein­hei­ten von Ort, Hand­lung und Zeit, hier an zwei Ta­gen, wer­den ein­ge­hal­ten. Bloss ei­ni­ge Er­in­ne­rungs­se­quen­zen er­gän­zen die Hand­lung. In je­der der bei­den Woh­nun­gen geht es sehr chao­tisch zu, ich hät­te da nicht da­bei­sein wol­len. Ganz vie­le Hel­fer, Hand­wer­ker, Li­sas Mut­ter, an­de­re Haus­be­woh­ner und auch Kin­der aus den bei­den Wohn­häu­sern han­deln und spre­chen durch­ein­an­der, was es aber auch wie­der­um leicht­füs­sig macht – ein we­nig im Stil von man­chen äl­te­ren, sti­li­sier­ten fran­zö­si­schen Filmen.

Gefilmte Stillleben

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Ob­wohl das Be­zie­hungs­netz der Fi­gu­ren durch klei­ne Dia­log-Epi­so­den aus­ge­klü­gelt ist, habe ich mit kei­ner der Per­so­nen mit­ge­fie­bert. Sie blie­ben mir fern, fremd und nicht be­son­ders sym­pa­thisch, auch wenn die jun­gen Men­schen schön an­zu­schau­en wa­ren. Aber durch die sti­li­sier­te Ver­frem­dung und Über­hö­hung der Ge­sprächs­fet­zen blie­ben alle auf Di­stanz. Auch un­ter­ein­an­der, ob­wohl sie einst Freun­de ge­we­sen sein wol­len. Dies war wohl die Aus­sa­ge der mög­li­chen Be­zie­hungs­mus­ter. Mir kam das vor, als hät­te ich in ei­ner Aus­stel­lung in­ter­es­san­te, schön ge­film­te Still­le­ben angeschaut.

Das Mädchen und die Spinne - Gebrüder Zürcher - Szenen-Foto - Rezension Glarean Magazin
“Alle lä­cheln stän­dig, ob­wohl es nichts zu la­chen gibt”: Sze­nen-Foto aus “Das Mäd­chen und die Spinne”

Die Fi­gu­ren soll­ten si­cher die Ein­sam­keit ei­nes je­den Ein­zel­nen zei­gen. Jede und je­der wühlt schein­bar im ei­ge­nen Schlamm, macht viel­leicht so­gar Witz­chen, alle lä­cheln stän­dig, ob­wohl es nichts zu la­chen gibt. Wie in Tschechow­schen Thea­ter­stü­cken, nur halt in die Ge­gen­wart ver­setzt, wo alle ein­sam und un­glück­lich sind – oder ein biss­chen rat­los, ob­wohl sie vor­ge­ben, ein­an­der ge­liebt zu ha­ben. Wahr­schein­lich war es das, was die Eu­pho­rie des Ber­li­na­le-Pu­bli­kums hervorrief.

Lange Blicke rätselhafter Figuren

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Als ich aus dem Ki­no­saal kam, war ich schlecht ge­launt. Wäh­rend dem Film habe ich mich so­gar ein biss­chen ge­lang­weilt, was mir sehr sel­ten pas­siert, da ich Be­zie­hungs­fil­me lie­be. Und lus­tig müs­sen sie auch nicht sein, aber ein we­nig Hu­mor soll­te nicht feh­len. (Schein­bar gab es ihn ja, ich habe ihn aber nicht ent­deckt). “Das Mäd­chen und die Spin­ne” ist eher ein zeit­ge­nös­si­sches Trau­er­spiel im Drei­vier­tel­takt – die Me­lo­die ei­nes be­kann­ten Wal­zers be­glei­tet ei­nen durch den gan­zen Film. Im­mer­hin: Rhyth­mus hat der Strei­fen, und die lan­gen Bli­cke der rät­sel­haf­ten Fi­gu­ren blei­ben mir im Gedächtnis… ♦

Ra­mon Zür­cher & Sil­van Zür­cher (Re­gie): Das Mäd­chen und die Spin­ne, Spiel­film, Deutsch­land 2021, mit Hen­ri­et­te Con­fu­ri­us, Li­lia­ne Amuat, Ur­si­na Lar­di u.a.

Le­sen Sie im GLAREAN MAGAZIN zum The­ma Be­zie­hungs- und Lie­bes­fil­me auch über Chris­ti­an Pet­zold: Undine

… so­wie über den Do­ku­men­tar­film von F. Chi­quet & M. Af­fol­ter: Die Pazifistin

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