Christian Petzold: Undine (Film)

Die Abgründe der Liebe

von Katka Räber

Un­di­ne, die Was­ser­frau, Ru­sal­ka oder der Was­ser­geist… Wenn sie sich in ei­nen Men­schen ver­liebt und die­ser die Lie­be durch Un­treue ver­rät, muss sie, der Sage nach, den Ge­lieb­ten tö­ten und sel­ber wie­der ins Was­ser zu­rück­keh­ren. Chris­ti­an Pet­zold schuf mit „Un­di­ne“ ei­nen Film über die Ab­grün­de der Lie­be, die nicht nur im All­täg­li­chen lie­gen, die viel tie­fer, in der Un­ter­welt, in den Un­tie­fen, in den al­ten My­then lie­gen, in de­nen auch er­träum­te Wahr­hei­ten statt­fin­den. Und er be­setzt die bei­den Haupt­prot­ago­nis­ten mit den Dar­stel­lern aus sei­nem er­folg­rei­chen Film ‚Tran­sit’.

Undine - Spielfilm von Christian PetzoldDie heu­ti­ge Un­di­ne ist bei Re­gis­seur Chris­ti­an Pet­zold eine jun­ge Kunst­his­to­ri­ke­rin, die öf­fent­li­che Vor­trä­ge über die Stadt­ent­wick­lung von Ber­lin hält. Wir er­fah­ren so­gar ei­ni­ge Fak­ten über die Re­kon­struk­ti­on des Schlos­ses aus dem 17. Jahr­hun­dert, wo­bei die Ver­gan­gen­heit in die Ge­gen­wart ge­hievt wird und da­mit, wie ge­sagt, ech­ten Fort­schritt un­mög­lich macht.
In der ers­ten Sze­ne se­hen wir Un­di­ne, der ihr bis­he­ri­ger Freund mit­teilt, er wer­de sie ver­las­sen. Lan­ge Ein­stel­lun­gen, fast wort­los, die Bli­cke spre­chen für sich. Un­di­ne warnt ih­ren schei­den­den Freund Jo­han­nes, sie müs­se ihn tö­ten, falls er sie ver­lässt, denn er hät­te ge­schwo­ren, sie bis ans Le­bens­en­de zu lie­ben. Da kommt die Sage ins Spiel, die schon von Fried­rich de la Mot­te Fou­qué, von In­ge­borg Bach­mann, in der Mu­sik von Pe­ter Tschai­kow­ski oder von An­tonín Dvořák auf­ge­grif­fen wurde.

Filmisch meisterhafte Magie

Undine - Christian Petzold - Film 2020 - Rezension Glarean Magazin
Das (Unter-)Wasser als Ver­bin­dungs­ele­ment ei­ner lei­den­schaft­li­chen Lie­be (Sze­nen-Foto aus „Un­di­ne“ von Chris­ti­an Petzold)

Durch ei­nen glück­li­chen Zu­fall trifft bei Pet­zold der In­dus­trie­tau­cher Chris­toph in ei­nem Café die ge­ra­de ver­las­se­ne Un­di­ne und er zer­schlägt in sei­ner ver­lieb­ten Zer­streut­heit durch ein Miss­ge­schick ein Aqua­ri­um, und von da an ver­bin­det das Ele­ment Was­ser die bei­den mit ei­ner lei­den­schaft­li­chen Lie­be. Die Sze­nen, in de­nen rea­lis­ti­sche Be­ge­ben­hei­ten des All­tag in Bild­ma­gie um­ge­wan­delt wer­den, sind hier fil­misch meis­ter­haft vom Ka­me­ra­mann Hans Fromm umgesetzt.
Span­nend und sehr sinn­lich ent­wi­ckelt sich die­se neue Lie­be zwi­schen Un­di­ne und dem In­dus­trie­tau­cher. Das Ele­ment Was­ser ver­bin­det die bei­den Lie­ben­den auf eine schick­sal­haf­te Wei­se, me­ta­pho­risch und real. Doch mit der Zeit ahnt Chris­toph, dass Un­di­ne ein Ge­heim­nis trägt. Un­di­ne be­strei­tet dies, was sie spä­ter be­reut, doch es wirkt sich schick­sal­haft auf die Wei­ter­ent­wick­lung aus.

Unterschiedliche Liebesformen

Zur glei­chen Zeit hat Chris­toph ei­nen schwe­ren Be­rufs­un­fall, und Chris­tophs As­sis­ten­tin Mo­ni­ka, die ihn schon lan­ge heim­lich liebt, er­weist sich als sei­ne treue Be­glei­te­rin. In Ge­stalt die­ser bei­den Frau­en tref­fen zwei un­ter­schied­li­che Lie­bes­for­men auf­ein­an­der. Rea­lis­ti­sche und traum­haf­te Bil­der im Was­ser des Stau­sees wie auch auf dem Tro­cke­nen las­sen uns die­ses sich zu­spit­zen­de Lie­bes­dra­ma nicht so schnell vergessen.

Glaubwürdige Schauspiel-Präsenz

Regisseur Christian Petzold - Film Undine 2020 - Film-Rezensionen Glarean Magazin
Mär­chen­haf­tes, doch glaub­wür­di­ges Lie­bes­dra­ma: Re­gis­seur Chris­ti­an Petzold

Un­di­ne, ver­kör­pert von Pau­la Beer, die man z.B. aus dem Film „Frantz“ von Fran­çois Ozon, aber auch wie be­reits er­wähnt aus Pet­zolds „Tran­sit“ kennt, dort auch be­reits an der Sei­te von Franz Ro­gow­ski, der hier sehr glaub­wür­dig den fein­füh­li­gen In­dus­trie­tau­cher wie­der­gibt, so­wie sei­ne Tau­cher­as­sis­ten­tin Mo­ni­ka, von Ma­ryam Zaree dar­ge­stellt. Sie alle tra­gen durch ihre glaub­wür­di­ge Schau­spiel­prä­senz zum Ge­lin­gen die­ses My­then­stof­fes bei, der ein Lie­bes­dra­ma schil­dert, lei­den­schaft­lich und glaub­wür­dig, trotz sei­ner Mär­chen­haf­tig­keit, an die heu­ti­ge Zeit an­ge­passt. Ein Film vol­ler Zärt­lich­keit und viel­schich­ti­ger An­spie­lun­gen an die Ge­heim­nis­se der Lie­be. Span­nend, sexy, tief­grün­dig und auf­wüh­lend zugleich. ♦

Chris­ti­an Pet­zold (Re­gie): Un­di­ne (2020) – Spiel­film 90 Min – Mit Pau­la Beer, Franz Ro­gow­ski, Ma­ryam Zaree, Ja­cob Matschenz

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma Spiel­film auch über „And Then We Danced“ von Le­van Akin

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