Serien-Report über Schachzeitschriften (2): ROCHADE

Vielfältiger Schach-Mix für den Vereinsspieler

von Mario Ziegler

Wir le­ben im di­gi­ta­len Zeit­al­ter – auch das Schach und sei­ne mil­lio­nen­fa­chen Adep­ten. Per­sön­li­ches Han­dy und hei­mi­sche Com­pu­ter­soft­ware ge­ben längst den Takt an beim Kö­nig­li­chen Spiel. Da­ne­ben exis­tie­ren aber nach wie vor eine Rei­he tra­di­ti­ons­rei­cher Print-Me­di­en. Der neue  Se­ri­en-Re­port im Glarean Ma­ga­zin über Schach­zeit­schrif­ten stellt die wich­tigs­ten na­tio­na­len und eu­ro­päi­schen Ti­tel vor. Heu­te: ROCHADE EUROPA.

Schach-Zeitschrift - Rochade Europa - Ausgabe Nr.3 März 2020 - Rezension Glarean MagazinDie “viel­sei­tig-in­for­ma­ti­ve Schach­zei­tung” ROCHADE EUROPA wur­de – noch un­ter dem Na­men “Eu­ro­pa-Ro­cha­de” – im Jah­re 1972 von Heinz Köh­ler be­grün­det und im Ei­gen­ver­lag zu­nächst im hes­si­schen Main­tal pu­bli­ziert. 1997 über­nahm sein Sohn Cars­ten den Ver­lag, im fol­gen­den Jahr er­folg­te der Um­zug ins thü­rin­gi­sche Söm­mer­da. Seit 2015 wird die Zeit­schrift vom Ver­lag Ro­cha­de GmbH & Co. KG (Ker­nen) her­aus­ge­ge­ben, Chef­re­dak­teur ist Jens Hirneise.

Einst die BILD-Zeitung des deutschen Schachs

Rochade Europa - Ausgabe 11 2003 - Glarean Magazin
Co­ver der No­vem­ber-Aus­ga­be 2003: Auf­lö­sung und Far­be der Bil­der sind im Ori­gi­nal lei­der  tat­säch­lich so schlecht wie auf die­sem Scan…

In der Ver­gan­gen­heit zeich­ne­te sich die ROCHADE durch ei­nen sehr bun­ten Mix aus Tur­nier­be­rich­ten und Ru­bri­ken der un­ter­schied­lichs­ten The­ma­tik und Qua­li­tät so­wie durch sehr über­schau­ba­re Druck­qua­li­tät aus, was ihr nicht sel­ten ei­nen Ver­gleich mit der “BILD-Zei­tung” ein­brach­te. Man­che Le­ser wer­den sich an eine entspr. län­ge­re Po­le­mik er­in­nern, die Jörg Sei­del un­ter dem Ti­tel “Glanz und Elend der ROCHADE” auf der Home­page “Me­tach­ess” ver­öf­fent­lich­te, und die lei­der heu­te nicht mehr er­hält­lich ist.
Mit dem Wech­sel der Her­aus­ge­ber­schaft 2015 voll­zog sich – ne­ben ei­ner er­heb­li­chen Ver­bes­se­rung des op­ti­schen Er­schei­nungs­bil­des – auch ein in­halt­li­cher Wan­del: Es wur­de grös­se­rer Wert auf Ru­bri­ken zu ver­schie­de­nen Be­rei­chen des Schach­trai­nings gelegt.

Am durchschnittlichen Vereinsspieler orientiert

Für die nach­fol­gen­de Be­spre­chung la­gen mir die Aus­ga­ben 2/2020 und 3/2020 vor. Der Um­fang liegt in bei­den Fäl­len bei 114 Sei­ten im For­mat A4, der Druck ist durch­gän­gig vierfarbig.
Ei­nen brei­ten Raum nimmt die Be­richt­erstat­tung über ak­tu­el­le na­tio­na­le und in­ter­na­tio­na­le Tur­nie­re ein. Dies sind in 2/2020 etwa die Schnell­schach- und Blitz-Welt­meis­ter­schaft, der Grand-Prix in Je­ru­sa­lem oder das Stau­fer-Open, in 3/2020 die Frau­en-Welt­meis­ter­schaft zwi­schen Ju Wen­jun und Al­ek­san­dra Gor­yach­ki­na und das Tur­nier in Wijk aan Zee. Über die­se ak­tu­el­len Er­eig­nis­se be­rich­ten pro­fi­lier­te Au­toren wie die IMs Jo­na­than Carl­stedt und Frank Zel­ler. Letz­te­rer ist auch für die Be­richt­erstat­tung über die Bun­des­li­ga und Kom­men­tie­rung der dort ge­spiel­ten Par­tien zuständig.

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A pro­pos Kom­men­tie­rung: Die­se fällt im Ver­gleich zur zu­letzt be­spro­che­nen Zeit­schrift SCHACH ver­gleichs­wei­se knapp aus – man kann aber auch sa­gen: sie wird aufs We­sent­li­che kom­pri­miert und ori­en­tiert sich eher am durch­schnitt­li­chen Ver­eins­spie­ler denn an der Spit­ze. Hier ein Bei­spiel aus dem Grand-Prix-Tur­nier in Je­ru­sa­lem mit An­mer­kun­gen von Frank Zel­ler, der ganz si­cher nicht den An­spruch hat­te, alle Fein­hei­ten der span­nen­den Par­tie zwi­schen Gel­fand und Ne­p­om­niacht­chi zu ergründen:

Rochade Europa - Ausgabe Februar 2020 - Analyse - Glarean Magazin
Kein Va­ri­an­ten-Ge­strüpp für den Gross­meis­ter, son­dern ein­fa­che Par­tien-Hot­spots für Ver­eins­spie­ler: Die Par­tien-Ana­ly­sen der ROCHADE

Internationales Schachgezwitscher

Ne­ben den ob­li­ga­to­ri­schen Kurz­nach­rich­ten aus al­ler Welt, Buch­be­spre­chun­gen (Jörg Pa­litzsch), Schach­pro­ble­men und Stu­di­en (IM Va­le­ri Bron­z­nik) fällt die Ru­brik “Schach­ge­zwit­scher” auf, die von Con­rad Schor­mann be­treut wird. Hier wer­den die un­ter­schied­lichs­ten Nach­rich­ten, die zu­vor im In­ter­net kur­sier­ten, so­zu­sa­gen auf Pa­pier trans­fe­riert. In den be­spro­che­nen Hef­ten geht es z.B. um die in Lon­don ge­stran­de­te ira­ni­sche WM-Schieds­rich­te­rin Ba­yat oder die um­strit­te­ne Zu­sam­men­ar­beit von Ma­gnus Carlsen mit dem Sport­wet­ten­an­bie­ter Uni­bet. Auf der ei­nen Sei­te fragt man sich, wie­so noch nie­mand zu­vor auf die­se Idee ge­kom­men ist; rü­cken doch sol­che No­ti­zen The­men in den Fo­kus, die an­sons­ten in der ge­druck­ten Schach­be­richt­erstat­tung kei­ne Rol­le spie­len. Auf der an­de­ren Sei­te ist das “Schach­ge­zwit­scher”, das ja nicht zu­fäl­lig Er­in­ne­run­gen an Twit­ter-Kurz­nach­rich­ten weckt, eben ge­nau das, was der Name an­deu­tet: das kur­ze An­tip­pen in­ter­es­san­ter The­men ohne tie­fer­ge­hen­de Be­leuch­tung, was manch­mal – wie auch bei Twit­ter – den Ein­druck von Be­lie­big­keit erweckt.

Eine der traditionsreichen ROCHADE-Rubriken mit hohem Trainingsfaktor: Die "Endspieluniversität"
Eine der tra­di­ti­ons­rei­chen RO­CHA­DE-Ru­bri­ken mit ho­hem Trai­nings­fak­tor: Die “End­spiel­uni­ver­si­tät”

Die In­ter­views, die in je­dem Heft mit Per­sön­lich­kei­ten aus der Schach­welt ge­führt wer­den (in Heft 2/2020 mit FM Al­ek­sand­ar Vuck­ovic, in 3/2020 mit Ex-Welt­meis­ter Rus­lan Po­no­ma­riov), be­inhal­ten teil­wei­se sich wie­der­ho­len­de Fra­gen in leicht va­ri­ier­tem Wort­laut (“Was war das Un­ge­wöhn­lichs­te, was Sie bis­her bei ei­nem Schach­tur­nier er­lebt ha­ben?” – “Wie un­ter­schei­det sich die Vor­be­rei­tung ei­nes Spit­zen­spie­lers von der ei­nes Ama­teurs?” – “Wel­chen Rat kön­nen Sie den Le­sern ge­ben, um ihr Schach­spiel in den ver­schie­de­nen Par­tie­pha­sen zu ver­bes­sern?”). Na­tur­ge­mäss steht und fällt ein sol­ches In­ter­view mit der Aus­kunfts­freu­de des Ge­sprächs­part­ners. Das The­ma Schach­ge­schich­te wird durch die um­fang­rei­che Ar­ti­kel­se­rie von Her­bert Bas­ti­an über die his­to­ri­sche Ent­wick­lung der Schach­ideen abgedeckt.

Ein Kern­ele­ment der ROCHADE ist seit je­her der Re­gio­nal­teil mit Be­rich­ten aus den Lan­des­ver­bän­den, wo­bei nicht alle Ver­bän­de die Mög­lich­keit der Be­richt­erstat­tung nut­zen. Ich er­in­ne­re mich, dass vor Jah­ren die ROCHADE die Haupt-In­for­ma­ti­ons­quel­le für das Schach­le­ben im Saar­land war, wo ich da­mals leb­te und spiel­te. Doch mitt­ler­wei­le ist ge­ra­de in die­sem Be­reich das In­ter­net ak­tu­el­ler und aus­führ­li­cher als es eine Zeit­schrift je sein kann, so dass sich die Fra­ge stellt, wie vie­le Schach­freun­de den Re­gio­nal­teil wirk­lich noch le­sen bzw. dar­aus et­was er­fah­ren, was sie nicht oh­ne­hin schon im In­ter­net zur Kennt­nis ge­nom­men ha­ben. Die glei­che Fra­ge muss für den um­fang­rei­chen Tur­nier­ka­len­der mit Ver­an­stal­tun­gen aus dem In- und Aus­land ge­stellt wer­den, denn ver­mut­lich wird der in­ter­es­sier­te Tur­nier­spie­ler auf der Su­che nach dem nächs­ten pas­sen­den Tur­nier in ers­ter Li­nie die ein­schlä­gi­gen Sei­ten im In­ter­net konsultieren.

Viel Trainingsmaterial zum Selbststudium

Aus mei­ner Sicht stel­len die ver­schie­de­nen Ru­bri­ken mit Trai­nings­ma­te­ria­li­en den in­ter­es­san­tes­ten Tei­le der ROCHADE dar. Hier bie­tet die Zeit­schrift viel Stoff zum Selbst­stu­di­um, aber auch für Trai­ner. Im Ein­zel­nen han­delt es sich um “Dy­na­mi­sches Schach” (GM Zi­gurds Lan­ka), “Power­trai­ning” (IM Ro­man Vi­do­ni­ak), “Par­tie des Mo­nats” (GM Den­nis Wag­ner), “End­spiel­uni­ver­si­tät” (WGM Bet­ti­na Trabert/GM Spy­ri­don Skem­bris) und “Schach­schu­le” (IM Va­le­ri Bronznik).
We­ni­ger di­dak­ti­sches Ma­te­ri­al als Bei­spie­le für die Un­er­schöpf­lich­keit des Schachs stellt die Ru­brik “Schach ohne Gren­zen” (Bron­z­nik) vor, in der z.B. das fol­gen­de End­spiel (so­wie die Par­tie Sa­ric-Su­ley­man­li, Bud­va 2019, die in sel­bi­ges mün­de­te) ana­ly­siert wur­de (3/2020 S. 74f.):

Zu­sam­men­ge­fasst: Die ROCHADE EUROPA rich­tet sich eher an den durch­schnitt­li­chen Ver­eins­spie­ler denn an die Spit­ze. Die Ana­ly­sen ha­ben nicht den An­spruch, die letz­ten Fein­hei­ten ei­ner Par­tie aus­zu­lo­ten, ge­hen aber in aus­rei­chen­der Wei­se auf die kri­ti­schen Mo­men­te ein. Ne­ben der ob­li­ga­to­ri­schen ak­tu­el­len Be­richt­erstat­tung bie­tet die ROCHADE viel Trai­nings­ma­te­ri­al zu den ver­schie­dens­ten Be­rei­chen des Schachs, was sie für Trai­ner, aber auch den wiss­be­gie­ri­gen Ler­nen­den zu ei­nem in­ter­es­san­ten Me­di­um macht. ♦

Zeit­schrift Ro­cha­de Eu­ro­pa (Die viel­sei­tig-in­for­ma­ti­ve Schach­zei­tung), er­scheint mo­nat­lich, Ver­lag Ro­cha­de GmbH Ker­nen, ISSN 0943-4356

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma Schach­zeit­schrif­ten auch das In­ter­view mit dem KARL-Her­aus­ge­ber Har­ry Schaak

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