Peter Biro: Hoffnungsvolle Hamsterkäufe (Satire)

Hoffnungsvolle Hamsterkäufe

Peter Biro

Ich las­se mich nicht von mas­sen­hys­te­ri­schen Phä­no­me­nen an­ste­cken. We­der von der Über­frem­dung durch is­län­di­sche Kli­ma­flücht­lin­ge noch vom Welt­un­ter­gang auf­grund des Maya-Ka­len­ders. Ok, ein Man­gel an Lutsch­bon­bons könn­te mich zeit­wei­lig aus der Bahn wer­fen. Das wäre eine wirk­lich erns­te Sa­che. Aber wie ge­sagt, meis­tens bin ich im­mun ge­gen­über Mo­de­er­schei­nun­gen, selbst wenn die­se mein Über­le­ben bis zum nächs­ten kirch­li­chen Fei­er­tag si­chern würden.
Mit mei­ner an­ti­zy­kli­schen Le­bens­wei­se bin ich bis jetzt gut durch­ge­kom­men, au­ßer viel­leicht beim Links­ab­bie­gen in den Kreis­ver­kehr. Dort muss­te ich stets klein bei­geben und mich in den all­ge­mei­nen Strom der Fahr­zeu­ge ein­ord­nen. Aber sonst nichts der­glei­chen. Im Prin­zip bin ich also kein Op­por­tu­nist. Aber die­ses eine Mal mach­te ich eine Aus­nah­me, und zwar we­gen die­sem ver­fluch­ten Co­ro­na­vi­rus. Und schei­ter­te da­mit kläglich.

Nach gründ­li­chen Über­le­gun­gen kam ich zum Schluss, dass eine Co­ro­na­vi­rus-In­fek­ti­on schon mal gar nicht eine er­stre­bens­wer­te Sa­che ist. Heut­zu­ta­ge ha­ben wir viel schö­ne­re Krank­hei­ten und ele­gan­te­re To­des­ar­ten als schnie­fend und hus­tend ein­zu­ge­hen. Wenn man des Co­vid-19 we­gen ab­ser­belt, gibt man da­mit ein arm­se­li­ges Bild ab. Man son­dert jede Men­ge un­ap­pe­tit­li­chen Schleim aus al­len Kör­per­öff­nun­gen ab. Ein­fach wi­der­lich! Wenn mir schon mein letz­tes Stünd­lein schla­gen soll, dann muss es bit­te sau­ber, fei­er­lich und er­ha­ben zu­ge­hen. Ich möch­te von er­grif­fe­nen An­ge­hö­ri­gen be­weint wer­den, die sorg­sam ge­wähl­te Lo­bes­wor­te über mich mur­meln und mei­nen ver­früh­ten Ab­gang auf­rich­tig be­dau­ern. Aber zum Glück ist es noch nicht so­weit. Ich habe ge­ra­de mei­ne Tem­pe­ra­tur ge­mes­sen: schal­lend tri­um­phie­ren­de 36,5°C!

Trotz mei­ner er­wähn­ten Ab­nei­gung ge­gen vor­herr­schen­de Mo­de­trends blieb ich von der ak­tu­el­len Ent­wick­lung nicht un­be­ein­flusst. Als im­mer mehr Zeit­ge­nos­sen mit Ge­sichts­mas­ken her­um­lie­fen, be­gann ich mir auch eine über­zu­zie­hen. Um es so­gar bes­ser zu ma­chen, trug ich zu­sätz­lich noch eine am Hin­ter­kopf. Dann hieß es, dass man in der Öf­fent­lich­keit kei­ne en­ge­ren kör­per­li­chen Kon­tak­te mehr ein­ge­hen dür­fe. Dar­auf­hin hör­te ich mit mei­ner lieb­ge­wor­de­nen Ge­pflo­gen­heit auf, un­be­kann­te jun­ge Da­men auf der Stras­se zu um­ar­men und herz­haft ab­zu­knut­schen. Zu­dem be­such­te ich kei­ne Groß­ver­an­stal­tung mehr, au­ßer Sau­na­klubs. Die­se sind die wohl letz­ten vi­rus­frei­en Oa­sen, in de­nen man sich un­ge­zwun­gen in an­ge­neh­mer Da­men­ge­sell­schaft frei be­we­gen kann.
Es heißt ja, dass Co­ro­na­vi­ren nicht hit­ze­re­sis­tent sind. Ich schütt­le kei­ne Hän­de, auch nicht den Kopf, und auch nicht mei­nen stets ein­satz­be­rei­ten Wür­fel­be­cher, den ich als Ent­schei­dungs­hil­fe für le­bens­wich­ti­ge An­ge­le­gen­hei­ten stets bei mir tra­ge. Statt­des­sen be­fol­ge ich die wohl­wol­len­den An­wei­sun­gen der Be­hör­den eben­so ge­hor­sam wie die un­ei­gen­nüt­zi­gen Rat­schlä­ge kom­pe­ten­ter Homöopathen.

Neu­lich je­doch er­leb­te ich ei­nen ers­ten Rück­schlag beim emp­feh­lungs­kon­for­men Ver­hal­ten. Und das kam so: In den Nach­rich­ten wur­de er­wähnt, dass ver­ein­zel­te Bür­ger Hams­ter­käu­fe tä­tig­ten, was sich dann zu­neh­mend häuf­te und zur Mas­sen­be­we­gung wur­de. Ich konn­te mir zu­nächst kei­nen Reim dar­auf ma­chen, auf wel­che mys­te­riö­se Wei­se der Hams­ter­kauf ei­nen vor der In­fek­ti­on schüt­zen soll­te. Aber man muss nicht al­les ver­ste­hen, was die Ob­rig­keit ver­langt. Wich­tig ist es ih­ren An­wei­sun­gen zu fol­gen. Also be­schloss ich dar­auf­hin eben­falls mit Hams­ter­käu­fen zu beginnen.

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Als ich dann al­ler­dings zu mei­nem ers­ten Ver­such aus­rück­te, wa­ren die letz­ten ver­füg­ba­ren Ex­em­pla­re schon rest­los aus­ver­kauft. Ich fand nur noch Rest­be­stän­de an Meer­schwein­chen, Schild­krö­ten und hilf­los zwit­schern­des Fe­der­vieh. Da­mit war na­tür­lich kein Staat zu ma­chen, schon gar nicht in die­sen ge­fähr­li­chen Zeiten.
Doch ich gab nicht so schnell die Hoff­nung auf, mei­ne nun mal be­schlos­se­ne Hams­ter­be­schaf­fung er­folg­reich zu Ende zu brin­gen. Ich klap­per­te zu­nächst alle Zoo­ge­schäf­te der Stadt ab, dann die­je­ni­gen des Um­lands und so­gar der gan­zen Re­gi­on. Aber kei­ne der von mir auf­ge­such­ten Tier­hand­lun­gen hat­ten ge­nü­gend Hams­ter vor­rä­tig, um mir ei­nen an­stän­di­gen Schutz zu­zu­le­gen. Da­bei schraub­te ich mei­ne Er­war­tun­gen schritt­wei­se zu­rück: statt der ge­plan­ten drei Dut­zend Gold­hams­ter hät­te ich auch ei­nen Satz Sil­ber­hams­ter ak­zep­tiert. Von mir aus hät­ten so­gar ei­ni­ge bron­ze­ne Ex­em­pla­re dar­un­ter sein dür­fen. Aber weit ge­fehlt! Nicht nur dass die bes­te Ware be­reits weg war, selbst die art­ver­wand­ten Wüs­ten­spring­mäu­se wa­ren alle.

Von zu­neh­men­der Ver­zweif­lung ge­trie­ben, er­wog ich ei­nen nächt­li­chen Ein­bruch in den eher nach­läs­sig ge­schütz­ten Tier­park. Ich bin ja ein grund­ehr­li­cher Mensch, aber hier ging es ja schliess­lich um mei­ne Ge­sund­heit. Ich weiss nicht, wie man die tie­ri­sche Ent­spre­chung für den mo­ra­lisch eher ak­zep­ta­blen Mund­raub des Ver­hun­gern­den nennt. Wenn bei­spiels­wei­se das er­heisch­te De­likt­gut ein Mops wäre, wür­de man das “Hundraub” nen­nen? Ich weiss es nicht. Wäre für klei­ne, hand­zah­me Na­ger die ana­lo­ge sprach­li­che Ent­spre­chung viel­leicht “Hams­ter­mop­sen”? Was auch im­mer, ich war be­reit zu al­lem, selbst zu ei­nem nächt­li­chen Ein­bruch in das Ge­he­ge der “Cri­ce­ti­nae” ge­nann­ten Step­pen­wüh­ler. Aber ich hat­te we­der die ge­eig­ne­ten Ein­bruchs­werk­zeu­ge noch den er­for­der­li­chen Mut für eine sol­che Ak­ti­on. Da­mit war das kei­ne gang­ba­re Lö­sung und schon gar kein Er­satz für ei­nen se­riö­sen Hamsterkauf.
So ge­se­hen woll­te ich mei­nen Frust bei ei­nem ent­span­nen­den Sau­na­klub­be­such ab­bau­en, aber als ich vor der zu­ge­sperr­ten Tür des ab­ge­dun­kel­ten Eta­blis­se­ments stand, konn­te ich nur noch den nach­lä­ßig auf­ge­kleb­ten Hin­weis zur Kennt­nis neh­men: “Auf­grund der la­ge­be­ding­ten aus­blei­ben­den Kund­schaft bleibt un­ser Sau­na­klub ‘Nym­phen-Dampf’ bis auf wei­te­res ge­schlos­sen. Be­su­chen Sie un­se­re Web­sei­te, um den Zeit­punkt der er­neu­ten Be­triebs­auf­nah­me zu er­fah­ren”. Hol’s der Hamster! ♦

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin auch die Sa­ti­re von Hel­mut Ha­berkamm: Anschaffungen

Au­ßer­dem zum The­ma Co­ro­na-Vi­rus von Pe­ter Biro: Schluss mit lustig!

Ein Kommentar

  1. Ein Kom­men­tar von mir, dem Au­tor der obi­gen Hu­mo­res­ke, der er­le­ben muss­te wie die Sa­ti­re von der ei­ge­nen Rea­li­tät über­holt wur­de: Ges­tern Abend ist mei­ne Frau ef­fek­tiv der Hams­ter­kauf-Neu­ro­se er­le­gen. Sie emp­fing mich mit der drin­gen­den Auf­for­de­rung ein­kau­fen zu ge­hen, um un­se­re Vor­rä­te für je­den Even­tu­al­fall auf­zu­fül­len. Ich gab nach im Wis­sen, dass es bes­ser ist, sie ihr Be­dürf­nis aus­le­ben zu las­sen. Be­reits im Mi­gros-Park­haus zeig­te sie mir Leu­te, die voll be­la­de­ne Wä­gen zu ih­ren Au­tos scho­ben; das ge­wis­ser­mas­sen als Be­weis für ihre Be­sorg­nis. Im Ge­schäft er­war­te­ten wir da­her bür­ger­kriegs­ähn­li­che Zu­stän­de. Dann aber war es ab­so­lut nicht so: al­les völ­lig nor­mal, nir­gend­wo An­drang, vol­le Re­ga­le. Wie auch im­mer. Jetzt sind wir für eine Iso­la­ti­on im Fal­le ei­ner mehr­wö­chi­gen Be­la­ge­rung gerüstet.
    P. Biro

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