The Twelve Monkeys Reloaded (Computerschach-Puzzles)

Apokalyptische Schach-Aufgaben

von Walter Eigenmann

Vor ge­nau 20 Jah­ren stell­te der Ver­fas­ser die­ser Zei­len eine Samm­lung von Schach-Puz­zles vor, die 12 Qua­li­täts­op­fer ent­hielt; die sog. Twel­ve Mon­keys. Die­ses Dut­zend Com­pu­ter­schach-Auf­ga­ben war in­spi­riert durch den gleich­na­mi­gen Kult­film von Ter­ry Gil­liam. Zwei Jahr­zehn­te spä­ter ist es an der Zeit, The Twel­ve Mon­keys Rel­oa­ded zu präsentieren…

Da­mals hat­te ich mir vor­aus­ge­hend mal wie­der die­sen le­gen­dä­ren Gil­liam-Film mit Bruce Wil­lis & Made­lei­ne Sto­we & Brad Pitt an­ge­se­hen und war im­mer noch hell be­geis­tert von dem ver­stö­rend apo­ka­lyp­ti­schen, düs­ter-hyp­no­ti­schen SF-Strei­fen, der ir­gend­wie cra­zy da­her­kam, v.a. aber fil­misch sehr ein­falls­reich, über­ra­schend, ex­or­bi­tant und opu­lent war.

Science Fiction auf dem Schachbrett

Twelve Monkeys - Terry Gilliam - Bruce Willis - Brad Pitt - RemasteredIm Schach hat das Qua­li­täts­op­fer für mich per­sön­lich ei­nen ähn­lich ir­ri­tie­ren­den Touch, und der Film war mir eine Art In­iti­al­zün­dung für eine Monkey-Schach-Suite.
Bau­ern­op­fer: Na gut, sie ge­hö­ren zum Ein­mal­eins der In­itia­ti­ve, der Li­ni­en­öff­nung, des An­griffs. Ge­hen ei­gent­lich flott von der Hand.
Fi­gu­ren- und Turm­op­fer: Ok, sie müs­sen halt ge­nau be­rech­net wer­den (an­sons­ten wird’s Kaf­fee­haus­schach). Mehr Tech­nik als Kreativität.
Da­men­op­fer: Ja, sehr spek­ta­ku­lär, aber erst nach ab­so­lut ge­nau­es­ter Be­rech­nung – und ex­trem sel­ten im Meisterschach.
Doch das Qua­li­täts­op­fer: Für mich der In­be­griff des Krea­ti­ven im An­griffs- oder Ver­tei­di­gungs­schach. Denn es hat ei­nen Schuss Ir­ra­tio­na­li­tät; ist eine Art Fra­ge­zei­chen (“Mal se­hen, was raus­kommt”); doch soll­te nur bei kla­ren In­di­zi­en an­ge­wandt wer­den, ohne dass die Kon­se­quen­zen wirk­lich be­rech­net wer­den kön­nen; es hat et­was Spe­ku­la­tiv-Nach­zeit­li­ches. Eben: Qua­si Sci­ence Fic­tion auf dem Brett.

Das Ungleichgewicht als Irritation

The Twelve Monkeys - Movie 1995 - Glarean Magazin
Ir­ra­tio­nal, ver­stö­rend, dys­to­pisch, hin­rei­ßend, kul­tig: The Twel­ve Mon­keys (Ter­ry Gil­liam 1995)

In vie­len Fäl­len hät­te der Op­fern­de auch “ge­müt­li­che­re” Al­ter­na­ti­ven, die oft nur we­nig schlech­ter sind. Aber der Kit­zel des Un­wäg­ba­ren, der Reiz des tak­tisch Un­ge­wis­sen ist bei entspr. ver­an­lag­ten Meis­ter­spie­lern – von Mor­phy über Al­je­chin und Tal bis hin zu Pe­tro­si­an und Kas­pa­rov oder heut­zu­ta­ge Na­ka­mu­ra und Ma­me­dy­arov u.v.a. – eine fas­zi­nie­ren­de Trieb­fe­der im Schach, sehr zum äs­the­ti­schen Ver­gnü­gen von uns Nachspielenden.
Da­bei ist die Kor­rekt­heit ei­nes Qua­li­täts­op­fers, das bei Groß­meis­tern oft auf In­tui­ti­on be­ruht, zu­wei­len schwer nach­zu­wei­sen, auch mit mo­der­nen En­gi­nes, weil sei­ne Früch­te manch­mal erst weit in der Zu­kunft ein­ge­sam­melt wer­den können.

The Twelve Monkeys reloaded - Computerschach-Aufgaben - Chess Puzzles - 12 Exchange Sacrifices - Glarean Magazin 2022
Das Qua­li­täts­op­fer als In­be­griff des Hu­man Touch im Schach

Mit die­ser Form des ma­te­ri­el­len Un­gleich­ge­wichts eben­so wie mit dem Be­griff der “Kom­pen­sa­ti­on” kön­nen so­gar man­che neu­es­ten NN-Mo­to­ren gar nichts an­fan­gen, und was sie wäh­rend der ers­ten hal­ben Stun­de ei­ner Ana­ly­se ver­wer­fen, kann in der zwei­ten plötz­lich hoch­ge­spült wer­den… Je­des gute und kor­rek­te, aber nicht of­fen­sicht­li­che Qua­li­täts­op­fer hat et­was Ir­re­gu­lä­res, ja Ver­stö­ren­des, es trans­for­miert die Ba­lan­ce der Ma­te­rie ins zeit­lich Un­ab­seh­ba­re – wie die 12 Film-Mon­keys eben.

In Com­pu­ter-Par­tien wird man die­se Ka­te­go­rie Qua­li­täts­op­fer üb­ri­gens nur sel­ten fin­den – na­tür­lich nicht. Denn das Wag­nis, das Ri­si­ko sind kei­ne En­gi­ne-Ka­te­go­rien, son­dern blei­ben dem “Hu­man Touch” des Schach­spiels vor­be­hal­ten. Und so spielt es auch nicht wirk­lich eine Rol­le, ob es in ei­ner frag­li­chen Stel­lung ggf. so­gar ei­nen fast gleich­wer­ti­gen Zug gibt.

Herausforderung für Schachprogramme

Anzeige Amazon - Ein langes Schachjahrhundert - 2 Bände - Rainer Knaak & Burkhard Starke - Beyer Verlag
An­zei­ge

Lan­ger Rede kur­zer Sinn: Ich habe nun “Twel­ve Mon­keys Rel­oa­ded” zu­sam­men­ge­stellt. Die neue Samm­lung be­hält noch zwei frü­he­re Auf­ga­ben bei, die an­de­ren sind Erst­ver­öf­fent­li­chun­gen. Ent­stan­den ist also wie­der eine Suite von zwölf spek­ta­ku­lä­ren Op­fern, doch dies­mal ist ihr Schwie­rig­keits­grad zwei Li­gen hö­her an­ge­sie­delt – nicht un­lös­bar, aber doch un­se­rem NN-Zeit­al­ter an­ge­passt. Was wie­der­um nicht heißt, dass nur ex­tre­me Puz­zles ent­hal­ten sind. Denn wo die eine En­gi­ne frü­hes­tens in 15 Mi­nu­ten löst, knackt die an­de­re in spä­tes­tens in 15 Sekunden.
Grosso modo dürf­ten aber die­se Ex­ch­an­ge Sacri­fi­ci­es schon eine Her­aus­for­de­rung dar­stel­len, auch für ak­tu­el­le En­gi­nes. Wo­mit noch eine Par­al­le­le zu den Film-“Monkeys” an­ge­spro­chen ist:
Vor 20 Jah­ren hät­te ich eine sol­che Ex­plo­si­on der Spiel­stär­ke, wie wir sie in den letz­ten Jah­ren bei den En­gi­nes er­leb­ten, un­be­se­hen als rei­ne Sci­ence Fic­tion abgetan… ♦

Download der Stellungen (EPD) und Analysen (PGN & CBH/CBV)

Twelve Monkeys Reloaded  Nr. 01

FEN:
r1bqk2r/ppb4p/2p1pp1B/3p4/2PPP2n/2N5/PPQ2PR1/R3KB2 w Qkq

Twelve Monkeys Reloaded  Nr. 02

FEN:
1r3rk1/p1pq2pp/2nbp3/8/2NpP1n1/3Q1N1P/PP3PP1/R1B2RK1 b

Twelve Monkeys Reloaded  Nr. 03

FEN:
3rk2r/1b2qpp1/2p1p3/p3P3/1b2B3/1Pp2QP1/4PP1P/R1B2RK1 b k

Twelve Monkeys Reloaded  Nr. 04

FEN:
r4rk1/1p2q1b1/pP2b1pp/2Npp3/1P6/3R1B1P/5PP1/3QR1K1 b

Twelve Monkeys Reloaded  Nr. 05

FEN:
5rk1/1p4np/2np1q2/1P2pp2/1N6/8/rB1Q1RPP/3R2K1 b

Twelve Monkeys Reloaded  Nr. 06

FEN:
2r3k1/pprn3p/4pbp1/q7/4p3/1P4PP/PB3PB1/RQ1R2K1 w

Twelve Monkeys Reloaded  Nr. 07

FEN:
3rrb1k/1q4pb/p2p1p1p/1p3R1P/1P2PQ2/P3R3/1B3PP1/1B4K1 w

Twelve Monkeys Reloaded  Nr. 08

FEN:
4k2r/1pp1b1p1/2p1P3/5p1p/2PNbP2/1PB5/r5PP/3RR1K1 w

Twelve Monkeys Reloaded  Nr. 09

FEN:
1k5r/pb3p1p/1q2rp1b/2p5/1pQ1P3/1P3N2/P3BPPP/3R1RK1 w

Twelve Monkeys Reloaded  Nr. 10

FEN:
6k1/pp2qppp/4p3/PPp1P3/2nrB3/6P1/3r1P1P/R1R1Q1K1 w

Twelve Monkeys Reloaded  Nr. 11

FEN:
2r1rk2/pp1b1pn1/8/3p1p2/3P2RP/3B2N1/PP1K4/6R1 w

Twelve Monkeys Reloaded  Nr. 12

FEN:
r1b2rk1/pp3pb1/3q2pp/2nP4/6P1/2P2N2/P1Q1BPP1/2BR1RK1 w

Le­sen Sie im GLAREAN MAGAZIN zum The­ma Künst­li­che Schach-In­tel­li­genz auch: Als Au­to­di­dakt zur Welt­spit­ze (Lee­la Ch­ess – 2019)

… so­wie zum The­ma Hu­man- vs Com­pu­ter­schach: Glanz und Elend des Anti-Computerschachs


English Translation

Exact­ly 20 ye­ars ago I in­tro­du­ced to the ch­ess com­mu­ni­ty a coll­ec­tion con­tai­ning 12 Ex­ch­an­ge Sacri­fices; the so-cal­led Twel­ve Mon­keys. At that time I had wat­ched the mo­vie of the same name with Bruce Wil­lis & Made­lei­ne Sto­we & Brad Pitt again and was still en­thu­si­a­stic about this dis­tur­bing apo­ca­lyp­tic, dark-hyp­no­tic SF-flick, which was so­mehow cra­zy, but abo­ve all ci­ne­ma­ti­cal­ly very ima­gi­na­ti­ve, sur­pri­sing, ex­or­bi­tant and opulent.

In ch­ess, the qua­li­ty sacri­fice has a si­mi­lar touch for me, and the mo­vie was a kind of mo­ti­va­ti­on for this ch­ess suite.
Pawn sacri­fices: Well, they are part of the ba­sics of the in­itia­ti­ve, the ope­ning of the line, the at­tack. They ac­tual­ly go off wi­t­hout a hitch.
Pie­ce and rook sacri­fices: Ok, they have to be cal­cu­la­ted pre­cis­e­ly (other­wi­se it’s cof­fee ch­ess). More tech­ni­que than creativity.
Queen sacri­fice: Yes, spec­ta­cu­lar, but only af­ter ab­so­lut­e­ly exact cal­cu­la­ti­on – and ex­tre­me­ly rare in mas­ter chess.
But the Ex­ch­an­ge Sacri­fice: for me the epi­to­me of crea­ti­vi­ty in at­tack­ing or de­fen­si­ve ch­ess. Be­cau­se it has a dash of ir­ra­tio­na­li­ty; is a kind of ques­ti­on mark (“let’s see what co­mes out”); but should only be used in case of clear in­di­ca­ti­ons, wi­t­hout re­al­ly be­ing able to cal­cu­la­te the con­se­quen­ces; it has so­me­thing spe­cu­la­ti­ve af­ter the fact. Exact­ly: qua­si sci­ence fic­tion on the board.

In many ca­ses, the sacri­fi­cer would have “cozy” al­ter­na­ti­ves, of­ten only slight­ly worse. But the thrill of the im­pon­dera­ble, the at­trac­tion of the ta­c­ti­cal­ly un­cer­tain is a fa­sci­na­ting dri­ving force in ch­ess for sui­ta­b­ly in­cli­ned mas­ter play­ers – much to the aes­the­tic plea­su­re of the replayers.
The cor­rect­ness of a Ex­ch­an­ge Sacri­fice, of­ten ba­sed on in­tui­ti­on in mas­ter play­ers, is so­me­ti­mes dif­fi­cult to pro­ve, even with mo­dern en­gi­nes, be­cau­se its fruits can so­me­ti­mes be har­ve­s­ted only far in the future.

With this form of ma­te­ri­al im­ba­lan­ce as well as with the idea of “com­pen­sa­ti­on” even NN en­gi­nes so­me­ti­mes can’t do any­thing at all, and what they dis­card du­ring the first half hour of an ana­ly­sis can sud­den­ly be flus­hed up in the se­cond… Every good and cor­rect, but not ob­vious Ex­ch­an­ge Sacri­fice has so­me­thing ir­ri­ta­ting, even dis­tur­bing, it trans­forms the ba­lan­ce of mat­ter into the tem­po­ral­ly un­pre­dic­ta­ble – like the 12 mo­vie monkeys.

In com­pu­ter games, by the way, you will ra­re­ly find this ca­te­go­ry of Ex­ch­an­ge Sacri­fice – of cour­se not. The dare is’nt an en­gi­ne ca­te­go­ry, but is re­ser­ved for the hu­man touch of ch­ess. And so it doesn’t re­al­ly mat­ter if the­re is even an al­most equi­va­lent move in a po­si­ti­on in question.

Long sto­ry short: I have now com­po­sed “Twel­ve Mon­keys Rel­oa­ded”. The new coll­ec­tion re­ta­ins two ear­lier puz­zles, the others are first re­leases. So the­re are again twel­ve quite spec­ta­cu­lar sacri­fices, but this time their dif­fi­cul­ty is two le­agues hig­her – not un­sol­va­ble, but ad­apt­ed to our NN age. Which in turn doesn’t mean that only ex­tre­me puz­zles are in­cluded. Be­cau­se whe­re one en­gi­ne sol­ves in 15 mi­nu­tes at the ear­liest, the other one cracks in 15 se­conds at the latest.

On avera­ge, ho­we­ver, the­se 12 Ex­ch­an­ge Sacri­fi­ci­es should al­re­a­dy be a chall­enge, even for cur­rent engines.
Which brings up an­o­ther par­al­lel to the mo­vie “Mon­keys”: 20 ye­ars ago, I would have dis­missed such an ex­plo­si­on of play­ing strength, as we have ex­pe­ri­en­ced in the en­gi­nes in re­cent ye­ars, as pure sci­ence fiction…

Click here to down­load the po­si­ti­ons (EPD) and ana­ly­ses (PGN & CBV)


Der GLAREAN-Her­aus­ge­ber bei INSTAGRAM


 

Kommentare sind willkommen! (Keine E-Mail-Pflicht)