Lyudmil Tsvetkov: Human vs Machine (Schach)

Glanz und Elend des Anti-Computerschachs

von Walter Eigenmann

Seit den längst ver­gan­ge­nen Zei­ten vor ca. 20 Jah­ren, als die Schach­soft­ware all­mäh­lich das Lau­fen lernte, sprich von den Pro­gram­mie­rern eine ernst­zu­neh­mende Spiel­stärke imp­le­n­tiert erhiel­ten, so dass sie für Nor­mal-Sterb­li­che und schliess­lich sogar für Gross­meis­ter zur Gefahr wur­den, gab es immer auch wie­der ehr­gei­zige Ama­teur- und Profi-Schach­spie­ler, die sich mit der her­auf­däm­mern­den Über­macht der Maschine nicht abfin­den woll­ten. Das Thema Human vs Machine war in aller Munde, und der Begriff des Anti-Com­pu­ter­schachs wurde geboren.

Die Prot­ago­nis­ten des Anti-Com­pu­ters ent­wi­ckel­ten um die Jahr­hun­dert­wende herum oft einen bei­nahe mis­sio­na­ri­schen Ehr­geiz darin, der tum­ben Maschine deren struk­tu­rel­len Schwä­chen bzw. Gren­zen des Berech­nens auf­zu­zei­gen. Dem pri­mi­ti­ven Schach-Algo­rith­mus des Pro­gram­mes sollte das hehre Plan-Den­ken des Men­schen gegen­über­ge­stellt wer­den, die tak­ti­sche Schlag­kraft der Engi­nes wurde mit weit­sich­ti­ger Stra­te­gie bekämpft.
Dem­entspre­chend häuf­ten sich damals in den ein­schlä­gi­gen Online-Foren und Schach-Print­me­dien die sog. Anti­com­pu­ter-Par­tien – ver­blüf­fende Siege von (oft auch on-the-board) star­ken Spie­lern gegen die sei­ner­zeit aktu­el­len Engi­nes (“Schach­mo­to­ren”). Dabei gelan­gen die­sen mit allen Com­pu­ter­schach-Was­sern gewa­sche­nen Hau­de­gen immer wie­der spek­ta­ku­läre Gewinne gegen die Sili­kon-Mons­ter, und die Schach­welt staunte, wo sie doch sel­ber zuhause am hei­mi­schen Brett­com­pu­ter oder vor dem eige­nen PC-Chess-Screen jedes Mal chan­cen­los blieb…

Der Urvater des Anti-Computerschachs: “Claus Carstens”

Mit diesem Banner in der vor Jahrzehnten weitverbreiteten deutschen Schach-Gazette "Rochade Europa" kündigte der Anti-Computerschach-Experte "Claus Carstens" (Pseudonym) jeweils seine Kolumne an, in der er genüsslich die damals führenden Schachprogramme dem öffentlichen Gelächter preisgab.
Mit die­sem Ban­ner in der vor Jahr­zehn­ten weit­ver­brei­te­ten deut­schen Schach-Gazette “Rochade Europa” kün­digte der Anti-Com­pu­ter­schach-Experte “Claus Cars­tens” (Pseud­onym) jeweils seine Kolumne an, in der er genüss­lich die damals füh­ren­den Schach­pro­gramme dem öffent­li­chen Geläch­ter preisgab.

Eine der meist­dis­ku­tier­ten Per­sön­lich­kei­ten der dama­li­gen Schach­szene war der Com­pu­ter­schach-Kolum­nist der viel­ge­le­se­nen Schach­zei­tung “Rochade Europa”. Die­ser unter dem Pseud­onym “Claus Cars­tens” schrei­bende Anti­com­pu­ter-Spe­zia­list (“Die hohe Schule des Com­pu­ter­schachs”) stellte der fas­zi­nier­ten Öffent­lich­keit zahl­rei­che Par­tien gegen die sei­ner­zeit stärks­ten Pro­gramme vor – mit jeweils ver­nich­ten­der Bilanz für die Maschine.
Die meis­ten Schach­spie­ler bis hin­auf zum Inter­na­tio­na­len Meis­ter hat­ten bereits damals kaum mehr eine reelle Chance gegen die Top-Engi­nes. Nicht so die­ser “CC”, der offen­bar wie kein zwei­ter die Spiel­weise der Pro­gramme ana­ly­siert hatte, um dann ihre Löcher in den Algo­rith­men, ihre “Horizont”-Probleme, ihr posi­tio­nel­les Unver­ständ­nis, ihr Defi­zit bezüg­lich “Stra­te­gie”, ihre Lecks hin­sicht­lich viel­zü­gi­gen “Vor­aus­den­kens” der all­ge­mei­nen Lächer­lich­keit preiszugeben.

Echte oder gefakte Partien?

Belä­chelt wurde aber auch “CC” sel­ber: Ihm wur­den gefakte Par­tien und mani­pu­lierte Engine-Set­tings unter­stellt; für man­che Com­pu­ter­schach-Anhän­ger war er über­haupt nur ein Betrü­ger oder gar ein von der Redak­tion erfun­de­nes Phan­tom zwecks Auf­po­lie­rung der Leser­quo­ten. Jeden­falls irgend ein Schar­la­tan, der aus purer Eitel­keit seine angeb­li­chen Gewinn­par­tien säu­ber­lich in stun­den­lan­ger Arbeit nicht auf dem Brett, son­dern “am grü­nen Tisch” kon­stru­iert habe. Aber allen Unken­ru­fen zum Trotz war der Unter­hal­tungs­wert des “CC” ein beträcht­li­cher, und so man­cher Schach­freund dürfte die “Rochade” vor allem sei­ner “Hohen Schule des Com­pu­ter­schachs” wegen gekauft haben…

Wir geben hier eine die­ser berühmt-berüch­tig­ten, von “Cars­tens” sel­ber oft süf­fi­sant bis arro­gant kom­men­tier­ten Par­tien aus der “Rochade” wie­der (ohne den Carstens’schen Originalton…) – –

Zum inter­ak­ti­ven Nach­spie­len ein­fach mit der Maus auf einen Zug oder Kom­men­tar kli­cken, für den Down­load der Par­tie im PGN-For­mat dann den But­ton ganz rechts benüt­zen (“Down­lad the game”)

Tipp: Wer zuhause ggf. noch die glei­che Rybka-Ver­sion auf einem (vor­zugs­weise ziem­lich alten) PC instal­liert hat, kann ja mal die Probe aufs Exem­pel machen und ver­su­chen, die Züge des Pro­gram­mes zu rekonstruieren…

Geheimnis um “Claus Carstens” gelüftet?

Der amerikanische Psychiater und "Geistheiler" Ernest Pecci spielte 125 Partien gegen Schachprogramme und schrieb darüber einen 400-seitigen Report: "Chess - A Psychiatrist Matches Wits with Fritz"
Der ame­ri­ka­ni­sche Psych­ia­ter und “Geist­hei­ler” Ernest Pecci spielte 125 Par­tien gegen Schach­pro­gramme und schrieb dar­über einen 400-sei­ti­gen Report: “Chess – A Psych­ia­trist Matches Wits with Fritz

Viele Jahre spä­ter, nach­dem “CC” seine “Umtriebe” – zumin­dest in der brei­ten Öffent­lich­keit – längst ein­ge­stellt hatte und die “Rochade Europa” in andere Hände gekom­men war, mel­dete sich im Februar 2017 einer der Admi­nis­tra­to­ren des Schach-Forums “Schach­burg” zu der Causa Claus Cars­tens”. Unter dem Titel “Geheim­nis um Claus Cars­tens gelüf­tet” refe­rierte der Pos­ter auf einen Arti­kel der Schach­zeit­schrift “KARL” in deren Januar-Aus­gabe 2016, wonach es sich bei “CC” um das Alias des star­ken Meis­ters Carl Zim­mer­mann handle, der sich die Ent­wick­lung von Stra­te­gien zum Schla­gen von Schach­pro­gram­men zu einer “Lebens­auf­gabe” gemacht habe.

Wie dem auch sei, fest steht jeden­falls, dass sich, seit es Schach­pro­gramme gibt, auch immer wie­der Spie­ler zu Worte mel­de­ten, deren gan­zer schach­li­cher Ehr­geiz im Kampf gegen die “Sili­kon-Mons­ter” bestand. Teils publi­zier­ten sie ihre Gewinn-Par­tien öffent­lich in Print-Medien bzw. Büchern wie eben “Claus Cars­tens” oder auch bei­spiels­weise der US-Psych­ia­ter Ernest Pecci, v.a. aber prä­sen­tier­ten sie ihre Tro­phäen in den ein­schlä­gi­gen Internet-Schachforen.

Ein Pionier gegen “Fritz” & Co: Eduard Nemeth

Deckte um die Jahrhundertwende viele Lecks der Schachprogramme auf und lehrte sie das Fürchten: Eduard Nemeth
Deckte um die Jahr­hun­dert­wende viele Lecks der Schach­pro­gramme auf und lehrte sie in den Inter­net-Foren das Fürch­ten: Edu­ard Nemeth

Bereits einige Zeit vor der oben zitier­ten Cars­tens-Par­tie war näm­lich bereits ein ande­rer Anti­com­pu­ter-Schach­freund in den deutsch­spra­chi­gen Foren beson­ders prä­sent: Edu­ard Nemeth, der in den “Grün­der­zei­ten” des Com­pu­ter­schachs um die Jahr­hun­dert­wende zahl­lose Online-Games gegen die (damals zwar deut­lich schwä­che­ren, aber tak­tisch bereits extrem star­ken) Engi­nes auf Online-Platt­for­men (wie bei­spiels­weise dem Chess­base-Ser­ver Playch­ess) aus­focht und nach­weis­lich (bzw. unter “Auf­sicht” vie­ler Kie­bitze) auch eine Menge davon gewann. Und im Gegen­satz zu “CC” machte Nemeth kei­ner­lei Geheim­nis um seine Per­son, son­dern teilte, dis­ku­tierte und ana­ly­sierte seine Gewinn­par­tien immer wie­der gerne cora publico.

Mit dem “Trojaner” gegen den König

Der fol­gende Link prä­sen­tiert einen auf­schluss­rei­chen Ein­blick in die damals gän­gi­gen (bzw. damals noch erfolg­rei­chen…) Tech­ni­ken des mensch­li­chen Kamp­fes gegen Schach­pro­gramme. Edu­ard Neme­ths Lieb­lings­op­fer war dabei eine Zeit­lang das Chess­base-Pro­gramm “Fritz”; hier eines von Neme­ths reprä­sen­ta­ti­ven Games, das sich durch unwi­der­steh­li­che Angriffs­freude auszeichnet:

Primitives ödes Anti-Schach

Hat ein Anti-Com­pu­ter­schach-Anhän­ger nicht son­der­li­chen Ehr­geiz, son­dern gibt er sich zufrie­den mit einem sel­te­nen Remis (oft nach hun­der­ten von Nie­der­la­gen…), dann  machen es ihm die Pro­gramme auch heute noch recht ein­fach. Denn sie tun sich immer noch schwer gegen mensch­li­che Block­eure, die das Brett “zube­to­nie­ren”. Die fol­gende Par­tie von Pablo Igna­cio Rest­repo gegen das “Stockfish”-Derivat “AsmFish” (gefun­den im “Talkchess”-Schachforum) ist ein schla­gen­des Bei­spiel für die­sen Typus:

Das beson­ders häss­li­che Schluss­bild einer beson­ders häss­li­chen Schach­par­tie sei hier aus­drück­lich festgehalten…

Zubetonierte Schluss-Stellung einer Anti-Computerschach-Partie von P. Restrepo gegen Stockfish
Zube­to­nierte Schluss-Stel­lung einer Anti-Com­pu­ter­schach-Par­tie von P. Rest­repo gegen “Stock­fish” 2017

Never-Ending-Story “Mensch versus Maschine”

Das Thema “Mensch gegen Com­pu­ter” ist eine Never Ending Story, auch heut­zu­tage noch, da die aktu­el­len Pro­gramme mitt­ler­weile eine der­art hohe Spiel­stärke erreicht haben, dass nicht mal die sog. “Super-Gross­meis­ter” (sprich Spie­ler mit einer inter­na­tio­na­len FIDE-Wer­tungs­zahl von über 2750 Elo) eine Chance haben gegen sie – den amtie­ren­den Welt­meis­ter Magnus Carlsen inklusive.
Trotz moder­nem Over­kill der Engi­nes ist das Motiv “Human mind vs Com­pu­ter brain” also offen­bar nach wie vor viru­lent. Ein aktu­el­les Bei­spiel des Dis­puts fand sich erst kürz­lich wie­der im deut­schen Forum Schach­feld. Ebenso gene­riert natür­lich das WWW immer wie­der Web­sei­ten, die sich schwer­punkt­mäs­sig mit “Mensch vs Com­pu­ter” befas­sen. Eine der inter­es­san­tes­ten ist “die etwas andere schach­seite” von Andreas Scheele, der “zwi­schen 4 und 8 Stun­den Schach jeden Tag” (Zitat) trai­niert – mehr­heit­lich gegen den Com­pu­ter, und das “mit gutem Erfolg”…

Hier eine von Schee­les inter­es­san­tes­ten Sie­gen gegen das eins­tige Spit­zen­pro­gramm “Hiarcs”, gespielt auf dem Chess­base-Ser­ver “Playch­ess”. Hiarcs galt lange Zeit als die am “mensch­lichs­ten” spie­lende Engine mit viel imp­le­n­tier­tem Schach-Know-how:

Lyudmil Tsvetkov gegen den Rest der (Engine-)Welt

Der Bulgare Lyudmil Tsvetkov, 1974 in Pleven geboren, gehört zu den aktuell stärksten Anti-Computerschach-Spezialisten. Zu seinen neueren Publikationen zählen das 3-bändige "Human vs Machine" sowie die Abhandlung "The Secret of Chess".
Der bul­ga­ri­sche Schach-Autor Lyud­mil Tsvet­kov, 1974 in Ple­ven gebo­ren, gehört zu den aktu­ell stärks­ten Anti-Com­pu­ter­schach-Prot­ago­nis­ten. Zu sei­nen neue­ren (und gleich­zei­tig umstrit­tens­ten) Publi­ka­tio­nen zäh­len das 3-bän­dige “Human vs Machine” sowie die Abhand­lung “The Secret of Chess”.

Es scheint also auch in unse­rem Zeit­al­ter von “Stock­fish”, “Komodo” und “Hou­dini” noch genug Attrak­ti­vi­tät vor­han­den zu sein für den Men­schen, gegen die Maschine ernst­hafte Kampf­par­tien zu spie­len. (Wer sich übri­gens mit den tie­fe­ren Hin­ter­grün­den des Pro­blem­fel­des “Mensch-Com­pu­ter” im Hin­blick auf das König­li­che Spiel näher aus­ein­an­der­set­zen will, dem emp­fehle ich den Arti­kel “Warum Schach ein schwie­ri­ges Spiel ist” des deut­schen B-Trai­ners Mar­cus Wegener).

How to beat Stockfish

Ein ganz beson­de­res Kali­ber unter den heu­ti­gen Anti-Com­pu­ter­schach-Exper­ten ist der ehe­ma­lige bul­ga­ri­sche Diplo­mat und heu­tige pro­fes­sio­nelle Schach­buch-Autor Lyud­mil Tsvet­kov. Tsvet­kov ist nach eige­nem Bekun­den noch gar nicht so lange haupt­be­ruf­lich als Schach-Schrift­stel­ler unter­wegs, aber bereits Ver­fas­ser von zahl­rei­chen Schach­bü­chern. Eines davon ist für unser Thema von spe­zi­el­lem Inter­esse: Seine drei­tei­lige Mono­gra­phie “Human ver­sus Machine – How to beat Stock­fish and Komodo”, Parts 1-3 ver­öf­fent­licht Ende 2017. (Tsvet­kov war sei­ner­zeit bei der FIDE mit knapp 2100 Elo gera­ted, ist aber als Tur­nier­spie­ler seit Jah­ren nicht mehr aktiv).

Schlechte Verpackung, guter Inhalt

Mehrere Dutzend eigene Gewinnpartien gegen starke Engines dokumentiert Tsvetkov in seinem "<a href="https://www.amazon.com/s/ref=nb_sb_noss?url=search-alias%3Ddigital-text&amp;field-keywords=%22Human+Versus+Machine%22&amp;rh=n%3A133140011%2Ck%3A%22Human+Versus+Machine%22">Human versus Machine - How to beat Stockfish and Komodo</a>"
Meh­rere Dut­zend eigene Gewinn­par­tien gegen starke Engi­nes doku­men­tiert Tsvet­kov in sei­nem “Human ver­sus Machine – How to beat Stock­fish and Komodo

Bereits der erste Blick auf die drei Bände, die übri­gens nur als Kindle-Edi­tio­nen bei Ama­zon käuf­lich sind, zei­tigt einen zwie­späl­ti­gen Ein­druck. Zum einen kom­men sie alle betont schlicht, um nicht zu sagen “bil­lig” daher. Gestal­tet mit sim­pels­tem Lay­out und eben­sol­cher Typo­gra­phie, mit (zu gros­sen) Dia­gram­men in gra­phisch mäs­si­ger Qua­li­tät, die Kom­men­tare ver­fasst in eher höl­zer­nem Eng­lisch – so weckt “Human ver­sus Machine” nicht gerade die Kauf­lust des Schach­freun­des. Immer­hin ist der Ein­zel­preis der drei im Ama­zon-Selbst­ver­lag pro­du­zier­ten E-Books mit je 5 Euro so nied­rig, dass rein öko­no­misch das Preis-Leis­tungs­ver­hält­nis in der Waage bleibt…

50 Gewinnpartien gegen Stockfish

Inhalt­lich hat Tsvet­kovs Tri­lo­gie aber dann doch deut­lich mehr zu bie­ten, als das äus­sere Erschei­nungs­bild erah­nen lässt. Sie ent­hält exakt 50 Gewinn-Par­tien des Bul­ga­ren gegen “Stock­fish” in den Ver­sio­nen 4 bis 8 und gegen “Komodo” in den Ver­sio­nen 8 bis 10.

Leseprobe 1 aus L. Tsvetkov: "Human versus Machine - How to beat Stockfish and Komodo"
Lese­probe 1 aus L. Tsvet­kov: “Human ver­sus Machine – How to beat Stock­fish and Komodo”
Leseprobe 2 aus L. Tsvetkov: "Human versus Machine - How to beat Stockfish and Komodo"
Lese­probe 2 aus L. Tsvet­kov: “Human ver­sus Machine – How to beat Stock­fish and Komodo”

Und um es vor­weg zu neh­men: Man­che die­ser 50 Games sind wirk­lich inter­es­sant; bie­ten teils sehr unter­halt­sa­mes Kampf­schach; las­sen oft einen auf­schluss­rei­chen Blick auf die struk­tu­rel­len Stär­ken und Schwä­chen von Schach-Engi­nes zu. Und vor allem: sie ent­hal­ten zahl­rei­che echte Top-Shot-Züge, die auch von den heu­ti­gen Pro­gram­men nur sehr schwer auf­zu­spü­ren sind, was immer ein Indiz auf “mensch­li­che Bei­hilfe” dar­stellt. Unten­ste­hend fin­den sich sechs sol­cher reprä­sen­ta­ti­ven Winning-Moves.

Genies oder Scharlatane?

Wann und wo immer in Büchern oder Online die Gewin­ner von Par­tien gegen die Schach­pro­gramme ihre Tro­phäen publi­zie­ren: ihnen weht jeweils hef­tig der Wind ins Gesicht. Ver­ein­zel­ten Bewun­de­rern steht immer sofort eine Pha­lanx von Skep­ti­kern gegen­über, die teils sach­lich, oft aber auch pole­misch bis hämisch die “angeb­li­chen Gewinne” als Fakes abtut. Und in der Tat ist es für Out­si­der so leicht nicht, die in der hei­mi­schen Par­tien­kü­che zurecht­ge­kochte Spreu vom trans­pa­rent 1:1 aus­ge­spiel­ten und akri­bisch repro­du­zier­ba­ren Wei­zen zu tren­nen. Denn Schach-Zug­fol­gen eini­ger­mas­sen glaub­haft zu mani­pu­lie­ren ist mit heu­ti­ger Inter­face-Schach­soft­ware, aber auch im “Online-Chea­ting” nicht wirk­lich ein Pro­blem für erfah­rene “Exper­ten”. Jeden­falls wider­fährt pola­ri­sie­ren­den (und pole­mi­sie­ren­den) Per­sön­lich­kei­ten wie Tsvet­kov sel­ten eine so dif­fe­ren­zie­rende Wür­di­gung, wie sie ihm der Gross­meis­ter David Smer­don auf “Chess News” von Chess­base kürz­lich ange­dei­hen liess.

Originelles und kampfstarkes Schach

Wenn sich aber dann bei der genauen Ana­lyse der frag­li­chen Par­tien regel­mäs­sig eine grosse Über­ein­stim­mung mit dem Out­put der betr. Engi­nes (unter simu­liert ver­gleich­ba­ren Bedin­gun­gen) in Ver­bin­dung mit mensch­li­chen Gewinn­zü­gen her­aus­stellt, dann ist das zwei­fel­los ein Indiz (wenn auch kein Beweis) für die “Echt­heit” der Games. Und dass die Pro­gramme auch nach 30 Jah­ren beein­dru­cken­der Soft­ware-Ent­wick­lung noch immer ihre “Kin­der­krank­hei­ten” nicht end­gül­tig abge­legt haben bzw. sys­tem­im­ma­nente Defi­zite auf­wei­sen, die von cle­ve­ren und krea­ti­ven Schach­spie­lern aus­ge­nützt wer­den kön­nen, steht aus­ser Frage. Bevor man also so pro­duk­tive Anti-Com­pu­ter­schach-Spie­ler wie Lyud­mil Tsvet­kov – “I have played over 50 thousand engine games” (Tsvet­kov in sei­nem Vor­wort) – in die Ecke “Chea­ter” stellt, sollte man sich sehr genau mit ihren Win­ning Games aus­ein­an­der­set­zen. Einige beson­ders ori­gi­nelle seien darum stell­ver­tre­tend für den “Stil” des rüh­ri­gen Bul­ga­ren hier ange­führt. Und wie auch immer sie ganz genau nun ent­stan­den sein mögen: sie bie­ten schö­nes, star­kes, ori­gi­nel­les, unter­halt­sa­mes Schach – das allein legi­ti­miert sie schon… ♦

Lesen Sie im Glarean Maga­zin auch den Com­pu­ter­schach-Essay von Roland Stu­ckardt: Too cle­ver is dumb – Kleine Phi­lo­so­phie des Schwindelns

2 Kommentare

  1. Danke für den inter­es­san­ten Schach-Report.

    In der Zeit­schrift SCHACH 5/2017 stellt GM Alex­an­der Mois­se­jenko in einem Arti­kel “Wie besiegt man Stock­fish?” übri­gens zwei Par­tien von Claus Zim­mer­mann vor, höchst­selbst kom­men­tiert, nein, nicht von Claus Cars­tens oder Claus Zim­mer­mann, son­dern eben von GM Alex­an­der Mois­se­jenko. Und das spricht immer­hin sehr für die Serio­si­tät der Par­tien von Claus Zimmermann.

  2. Danke für die­sen inter­es­san­ten Bei­trag!! Eine Menge Info und tolle Stel­lun­gen! Habe die “Rochade” frü­her eben­falls häu­fig gele­sen. Was ist eigent­lich aus CC gewor­den?? Und war das tat­säch­lich Claus Zim­mer­mann, kann das jemand hier bestä­ti­gen?? Was Tsvet­kov angeht: Schade dass der Mann eine so große Klappe hat… Im Talkch­ess-Forum meinte er mal unge­fähr, er hätte an die 3000 Elo… Aber vom Com­pu­ter­schach ver­steht er echt was, das muss man ihm lassen…
    Gruss aus D. – Ralf

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