Alberto Curci: Violinkonzerte (CD)

Virtuosität voller Italianità

von Wolf­gang-Armin Rittmeier

Ich, auch ich war in Arka­dien!“ Diese berühmte Schluss­zeile aus Johann Gott­fried Her­ders Gedicht „Ange­den­ken an Nea­pel“ aus dem Jahr 1789 mag als Motto über die Bio­gra­phie des ita­lie­ni­schen Vio­li­nis­ten und Kom­po­nis­ten Alberto Curci gesetzt wer­den. Curci, der heute prak­tisch ver­ges­sen ist, wurde im Jahr 1886 im Schat­ten des Vesuvs gebo­ren, stu­dierte bei Hen­rich Vieux­temps und Joseph Joa­chim, spielte im auf vie­len bedeu­ten­den Podien Euro­pas, bevor ihn der Aus­bruch des Ers­ten Welt­krie­ges dau­er­haft zurück nach Ita­lien führte, wo er sich schliess­lich auf Drän­gen des Kom­po­nis­ten Fran­cesco Cilea hin am Kon­ser­va­to­rium in Nea­pel nie­der­liess, um dort 40 Jahre lang talen­tierte Jung­vio­li­nis­ten zu unterrichten.
Man muss sagen: eine glanz­volle Kar­riere, deren Impe­tus jedoch offen­sicht­lich nicht genügte, um den Namen Curci dau­er­haft im kol­lek­ti­ven Gedächt­nis der euro­päi­schen Musik­welt zu verankern.

Sonne des Südens in jedem Ton

Alberto Curci: Violinkonzerte - Franco Gulli (Violine), Studio Orchestra, Franco Capuana, 72 Minuten, First Hand Records FHR CD-LabelUmso erfreu­li­cher ist es, dass das Label FHR (First Hand Records) sich der bereits in den frü­hen 60er Jah­ren des 20. Jahr­hun­derts ent­stan­de­nen Auf­nah­men der drei Vio­lin­kon­zerte und der „Suite ita­liana in stile antico op. 34“ ange­nom­men hat, um sie nun in einem Remas­te­ring von Jona­than Mayer und David Mur­phy erst­mals auf CD vorzulegen.
Und was für wun­der­bare Musik ist das! Es lachte die Sonne des Südens quasi aus jedem Ton. Sicher ist Cur­cis Ton­spra­che – wie Tully Pot­ter in sei­nem höchst infor­ma­ti­ven Ein­füh­rungs­text schreibt – keine aus­ge­spro­chen genuine, aber das wird wett­ge­macht durch sei­nen melo­di­schen Erfin­dungs­reich­tum und den sicher auf den solis­ti­schen und orches­tra­len Effekt aus­ge­rich­te­ten Satz Cur­cis. Sei es im ers­ten Kon­zert d-Moll op. 21, das nicht umsonst den Bei­na­men „Con­certo roman­tico“ trägt, sei es im zwei­ten d-Moll (op. 30) oder im drit­ten g-moll (op. 33): Der geneigte Zuhö­rer kann seine Freude haben an dem aus­ge­spro­chen gut gemach­ten Pen­deln zwi­schen Vir­tuo­si­tät vol­ler Ita­lia­nità und schmel­zen­den „melo­die lunghe lunghe lunghe“, ohne dass das Ganze jemals ver­satz­stück­ar­tig und damit unin­ter­es­sant wer­den würde.

Die Sprache der führenden Spätromantiker

Alberto Curci (1886-1973)
Alberto Curci (1886-1973)

Man merkt: Auch wenn die Kon­zerte aus den Jah­ren 1944, 1962 und 1966 stam­men, so hat man es kei­nes­falls mit “moder­ner” Musik zu tun. Curci ist durch und durch Roman­ti­ker und seine Spra­che ist die­je­nige Men­dels­sohns, Brahms’ und – es ist kaum zu ver­heh­len – Edward Elgars, des­sen gross­for­ma­ti­ges Vio­lin­kon­zert atmo­sphä­risch bei der Kom­po­si­tion die­ser Werke oft Pate gestan­den haben dürfte. Viel­leicht mag das auch dazu geführt haben, dass sein Oeu­vre voll­kom­men aus den Kon­zert­sä­len ver­schwun­den ist.

Ähn­lich ist es ja auch ande­ren Spä­testro­man­ti­kern ergan­gen (man denke bei­spiels­weise an den Schwe­den Kurt Atter­berg). Die eben­falls 1966 ent­stan­dene „Suite ita­liana in stile antico op. 34“ (im Grunde ein wei­te­res Kon­zerte für Vio­line) steht in einer Linie mit Kom­po­nis­ten wie Reger und Res­pighi, die eben­falls Werke „im alten Stil“ schu­fen. Das ist zwei­fel­los vir­tuose, his­to­ri­sie­rende Musik, bei der erneut die Vio­line im Zen­trum des Gesche­hens steht, die aber an Aus­drucks­kraft etwas hin­ter den Wer­ken der bei­den genann­ten Kom­po­nis­ten und ganz beson­ders auch hin­ter den drei „offi­zi­el­len“ Vio­lin­kon­zer­ten zurücksteht.

Alberto Curcis durch und durch romantischen Violinkonzerte sind klangschöne, melodieselige Kompositionen, voller Sentiment und Italianità. Die Wiedergabe durch den hervorragenden Geiger Franco Gulli lässt keinerlei Wünsche offen. Eine erfreuliche Wiederentdeckung durch das CD-Label First Hand Records FHR.
Alberto Cur­cis durch und durch roman­ti­schen Vio­lin­kon­zerte sind klang­schöne, melo­die­selige Kom­po­si­tio­nen, vol­ler Sen­ti­ment und Ita­lia­nità. Die Wie­der­gabe durch den her­vor­ra­gen­den Gei­ger Franco Gulli lässt kei­ner­lei Wün­sche offen. Eine erfreu­li­che Wie­der­ent­de­ckung durch das CD-Label First Hand Records FHR.

Doch gefällt die musi­ka­li­sche Dar­bie­tung ins­ge­samt aus­ge­spro­chen gut. Das liegt ins­be­son­dere an dem wun­der­ba­ren Spiel des gros­sen ita­lie­ni­schen Vio­li­nis­ten Franco Gulli, der den Wer­ken alles ent­lockt, was da nur zu ent­lo­cken ist. Spiel­freude, ein sich bis­wei­len zuge­ge­ben nahe am Kitsch bewe­gen­der Mut zum Sen­ti­ment, Vir­tuo­si­tät und ein wei­cher und den­noch stets leich­ter Ton sind die Kenn­zei­chen sei­nes Spie­les in die­ser Pro­duk­tion. Beglei­tet wird er durch ein „Stu­dio Orches­tra“, zusam­men­ge­setzt aus her­vor­ra­gen­den mai­län­di­schen Musi­kern, das der bedeu­tende Opern­di­ri­gent Franco Capu­ana sicher durch diese süf­fi­gen Par­ti­tu­ren leitet. ♦

Alberto Curci: Vio­lin­kon­zerte – Franco Gulli (Vio­line), Stu­dio Orches­tra, Franco Capu­ana, 72 Minu­ten, First Hand Records FHR CD-Label

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