Thomas O. H. Kaiser: Klaus Mann (Biographie)

Gute Recherche, in schlechte Form gegossen

von Bernd Giehl

Sagen wir es mal so: Das Buch von Tho­mas O. H. Kai­ser: Klaus Mann hätte was wer­den kön­nen. Ein rich­tig gutes Buch hätte es wer­den kön­nen. Eines, das auch Inter­esse bei einem Leser weckt, der Klaus Mann nur als den berühm­ten Sohn eines noch berühm­te­ren Vaters kennt. Ver­mut­lich hätte der Autor dazu nur dem Vor­bild von Mar­cel Reich-Rani­cki fol­gen müs­sen, der einen Auf­satz über Klaus Mann mit fol­gen­den Sät­zen ein­lei­tet: “Er war homo­se­xu­ell. Er war süch­tig. Er war der Sohn von Tho­mas Mann. Also war er drei­fach geschla­gen.” So erweckt man Auf­merk­sam­keit und zwingt den Leser förm­lich dazu weiterzulesen.

Thomas O. H. Kaiser: Klaus Mann - Ein Schriftsteller in den Fluten der Zeit - Bestandesaufnahme und kritische Würdigung von Leben und WerkDass Klaus Manns Leben es wert ist, nach­er­zählt zu wer­den, zeigt Autor Dr. Tho­mas O.H. Kai­ser auf fast jeder Seite. Gebo­ren als ältes­ter Sohn des berühm­ten Schrift­stel­lers Tho­mas Mann – nur seine Schwes­ter Erika war ein Jahr älter – wächst Klaus Mann in gross­bür­ger­li­chen Ver­hält­nis­sen auf. Der Vater darf nicht gestört wer­den – er ist schliess­lich ein wich­ti­ger Mann, der ein “Werk” schafft –; die Mut­ter ist oft lei­dend und ein­mal für meh­rere Monate in einem Lun­gen­sa­na­to­rium in der Schweiz.

Von Dienstmädchen grossgezogen

Und so wach­sen Klaus Mann und seine fünf Geschwis­ter in der Obhut von aller­lei Dienst­mäd­chen auf. Seine Distanz zum Vater ist ent­spre­chend gross; wo Tho­mas Mann durch und durch bür­ger­lich ist, gibt Klaus Mann den Bohe­mien. Wo der Vater ver­sucht, seine Homo­se­xua­li­tät zu ver­ber­gen, lebt der Sohn sie offen aus. Er wird Schrift­stel­ler wie sein Vater und tritt so in offene Kon­kur­renz zu einem, der sich selbst in der Nach­folge Goe­thes sieht und schon mit 54 Jah­ren den Nobel­preis bekommt. Er will alles vom Leben und legt sich dabei – anders als der Vater – keine Zügel an. In vie­lem, auch in sei­ner Dro­gen­sucht ist er mass­los. Gren­zen exis­tie­ren nicht für ihn. Das hat er spä­tes­tens in dem hal­ben Jahr an der Oden­wald­schule aus­ge­tes­tet, wo er – vom Unter­richt frei­ge­stellt – tun und las­sen konnte, was er wollte (1922/23). Und dann kom­men, als Klaus Mann gerade mal 27 Jahre alt ist, die Nazis an die Macht und die haben für einen beken­nen­den Schwu­len und eher links ori­en­tier­ten Schrift­stel­ler, der in sei­nen Wer­ken tabui­sierte The­men wie Homo­se­xua­li­tät und Inzest behan­delte, natür­lich keine beson­de­ren Sym­pa­thien, so dass Klaus Mann, ebenso wie sein Vater Tho­mas und sein Onkel Hein­rich Mann – auch die­ser ein berühm­ter Schrift­stel­ler – im Früh­jahr 1933 ins Exil geht.

Kein tragendes Prinzip der Biographie gefunden

Originär, schwul, genial: Klaus Mann (1906-1949)
Ori­gi­när, schwul, genial: Klaus Mann (1906-1949)

Es ist ein span­nen­des Leben, das Kai­ser sich zum Thema genom­men hat. Wie schon gesagt: Es hätte etwas wer­den kön­nen. Nur hätte Tho­mas Kai­ser in dem Fall sei­nem Hang zur Aus­schwei­fung Zügel anle­gen müs­sen. Natür­lich kann man im Vor­wort das Inter­esse an sei­nem For­schungs­ge­gen­stand begrün­den, nur sollte man dann nicht bei der Suche nach den ver­schwie­ge­nen Aus­sen­stel­len der Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger in Süd­nie­der­sach­sen, der Hei­mat des Autors begin­nen. Von dort ist es ein wei­ter Weg bis zum Schrift­stel­ler Klaus Mann. Womög­lich wäre das ja nicht der Erwäh­nung wert, wenn es nicht sym­pto­ma­tisch wäre für die­ses Buch. Der Autor fin­det kein tra­gen­des Prin­zip, um sei­nen Stoff zu glie­dern. 800 Fuss­no­ten auf 380 Sei­ten Text – das ist zumin­dest ein Indiz, dass hier etwas nicht in Ord­nung sein kann. Und wenn man dann noch sieht, dass die Fuss­no­ten um ein Mehr­fa­ches län­ger sind als der Text, sollte man sich viel­leicht doch ein­mal über­le­gen, ob hier das Ver­hält­nis noch stimmt.

Gute Inhalte, schlechte Verpackung

Es ist schade um den Stoff, den sich Klaus-Mann-Biograph Thomas O.H. Kaiser vorgenommen hat. Denn Autor Kaiser hat offensichtlich genau recherchiert und viel Mühe aufgewandt, um den Spuren seines Helden quer durch Europa zu folgen. Es steckt eine Menge Arbeit in diesem Buch. Leider hat der Autor aber nicht die Form gefunden, das Leben von Klaus Mann so zu präsentieren, dass man bis zum Ende durchhält.
Es ist schade um den Stoff, den sich Klaus-Mann-Bio­graph Tho­mas O.H. Kai­ser vor­ge­nom­men hat. Denn Autor Kai­ser hat offen­sicht­lich genau recher­chiert und viel Mühe auf­ge­wandt, um den Spu­ren sei­nes Hel­den quer durch Europa zu fol­gen. Es steckt eine Menge Arbeit in die­sem Buch. Lei­der hat der Autor aber nicht die Form gefun­den, das Leben von Klaus Mann so zu prä­sen­tie­ren, dass man bis zum Ende durchhält.

Diese Fuss­no­ten haben etwas Eigen­ar­ti­ges. Manch­mal sind es Neben­ge­dan­ken, die dem Autor eben­falls noch wich­tig sind (wie das auch sonst bei Fuss­no­ten oft der Fall ist), oft jedoch fächern sie einen Gedan­ken des Haupt­tex­tes noch ein­mal auf. Man fragt sich dann, warum der Autor ihren Inhalt nicht ein­fach in den Haupt­text über­nom­men hat. Man­ches hätte er sich auch ein­fach spa­ren kön­nen, so z.B. die aus­führ­li­chen Infor­ma­tio­nen zu den ver­schie­de­nen Nazis, die er erwähnt, die aber keine beson­dere Rolle im Leben von Klaus Mann spie­len, ande­res dage­gen ist für das Ver­ständ­nis der Haupt­per­so­nen wich­tig. Und so macht er es dem Leser schwer, der keine allzu grosse Lust hat, einen hal­ben Satz des Haupt­tex­tes zu lesen, dann zur Fuss­note zu sprin­gen, dann wie­der einen Halb­satz zu lesen, ehe er sich mit der nächs­ten Fuss­note aus­ein­an­der­set­zen muss. Auf diese Weise ver­grault man auch gut­wil­lige Leser.
Es ist schade um die­sen Stoff. Tho­mas O. H. Kai­ser hat offen­sicht­lich genau recher­chiert und viel Mühe auf­ge­wandt, um den Spu­ren sei­nes Hel­den quer durch Europa zu fol­gen. Es steckt eine Menge Arbeit in die­sem Buch. Lei­der hat der Autor aber nicht die Form gefun­den, das Leben von Klaus Mann so zu prä­sen­tie­ren, dass man bis zum Ende durchhält. ♦

Tho­mas O. H. Kai­ser: Klaus Mann – Ein Schrift­stel­ler in den Flu­ten der Zeit, 500 Sei­ten, Books on Demand, ISBN 978-3738611410

Lesen Sie im Glarean Maga­zin zum Thema Bio­gra­phie auch über Chris­tian Linder:
Das Schwir­ren des her­an­flie­gen­den Pfeils – Hein­rich Böll

… und aus­ser­dem zum Thema Auto­bio­gra­phie auch über
Eric Bau­mann: Einen Som­mer noch

Ein Kommentar

  1. Lie­ber Herr Rezen­sent B. Giehl
    Ihre Grund­aus­sage kann ich irgend­wie nicht nach­voll­zie­hen (ohne das ent­spre­chende Buch schon gele­sen zu haben), Herr Giehl:
    Was ist denn daran so grot­ten­falsch, wenn ein Bio­graph auf­grund sei­ner umfang­rei­chen Recher­chen einen über­durch­schnitt­lich gro­ßen Anhang mit Anmer­kun­gen und Fuss­no­ten prä­sen­tiert??? Bie­tet doch eigent­lich v.a. Info-Mehr­wert, oder nicht? Wenn dann ein Leser “nicht durch­hält”, wie Sie schrei­ben, ist das eigent­lich das Pro­blem des Lesers, oder?
    Ok, wie gesagt, hab das Buch noch nicht gele­sen. Aber da mich die Per­son Klaus Mann sehr inter­es­siert, werde ich das viel­leicht noch nachholen –
    Leicht irri­tiert: Karl S.

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