Pindakaas-Saxophon-Quartett: Ballads of Good Life (CD)

Glanzstücke von Kurt Weill bis Bastian Fiebig

von Walter Eigenmann

Vor knapp zwan­zig Jah­ren be­gann das Müns­terer Sa­xo­phon-Quar­tett Pinda­kaas (=nie­der­län­disch: “Erd­nuss-But­ter”) sei­ne Kon­zert- bzw. Büh­nen­tä­tig­keit, heu­te zählt die Mu­si­ker-Grup­pe Mar­cin Lan­ger (So­pran- & Alt­sa­xo­phon, Flö­te), Gui­do Gro­spietsch (Alt- & Te­nor­sa­xo­phon, Flö­te), Anja Heix (Te­nor­sa­xo­phon, Oboe, Flö­te) und Mat­thi­as Schrö­der (Ba­ri­ton­sa­xo­phon, Kla­ri­net­te) zu den füh­ren­den For­ma­tio­nen die­ser Be­set­zung in Deutsch­land. Ent­spre­chend dem mu­si­ka­li­schen Schwer­punkt ih­rer neu­es­ten CD-Pro­duk­ti­on, näm­lich Kurt Weill, nennt Pinda­kaas die frisch pu­bli­zier­te Plat­te “Bal­lads of Good Life”, nach Weills “Bal­la­de vom an­ge­neh­men Le­ben” (aus der be­rühm­ten “Drei­gro­schen­oper”).

Raffinesse der Arrangements

Pindakaas Saxophon-Quartett - Ballads of Good Life - Weill, Pazzolla, Ketelbey, KlezmerDie Mu­sik des ge­nia­len Des­sau­er Iro­ni­kers und Ver­frem­ders Kurt Weill mit aus­schliess­lich sa­xo­pho­nen In­stru­men­ten zu ver­fol­gen ist ein über­ra­schen­des, erst durch­aus ir­ri­tie­ren­des, schliess­lich über­zeu­gen­des Hör­erleb­nis. Ge­wiss, den ins­ge­samt zwölf Weill-Ein­spie­lun­gen (Tei­le aus “Drei­gro­schen­oper”, “Ma­ha­go­n­ny” und “Lost in the Stars”) fehlt grund­sätz­lich die Text-Kom­po­nen­te und da­mit eine wich­ti­ge Di­men­si­on Weill­schen Kom­po­nie­rens. Doch die Raf­fi­nes­se der Ar­ran­ge­ments (von Mar­cin Lan­ger), de­ren far­bi­ger, das klang­li­che Spek­trum der Sa­xo­phon-Fa­mi­lie weit auf­fä­chern­der, da­bei im­mer “no­bler”, schlan­ker Satz brin­gen das Weill­sche Au­gen­zwin­kern, das Par­odis­ti­sche hin­ter al­ler vor­der­grün­di­gen Volks­tüm­lich­keit her­vor­ra­gend rü­ber. Wenn schon Weill ganz ohne Ge­sang, dann durch­aus an ers­ter Stel­le mit Saxophon!

Klanglich homogen und rhythmisch akkurat

Pindakaas Saxophon Quartett - Glarean Magazin
Das Pinda­kaas Sa­xo­phon Quartett

Dass Weill-Mu­sik in die­ser Be­set­zung so au­then­tisch wirkt, ist wei­ters das Ver­dienst ei­nes klang­lich sehr ho­mo­gen-ab­ge­stimm­ten und rhyth­misch ak­ku­rat mu­si­zie­ren­den Quar­tetts, das trotz der bei Weill im­mer durch­klin­gen­den me­lo­di­schen und har­mo­ni­schen “Me­lan­cho­lie” hör­ba­ren Spass bei und an sei­ner Ar­beit hat­te und die­se Spiel­freu­de nicht nur mit schwung­vol­lem Zu­griff, son­dern, wo nö­tig, auch mit Aus­drucks­fül­le und mit sen­si­bel durch­ge­hör­ter Dy­na­mik zu do­ku­men­tier­ten weiss.

Kurt Weill (1900-1950)
Kurt Weill (1900-1950)

Folk­lo­re mit Jazz- und “E-Musik”-Elementen mischt auch der ar­gen­ti­ni­sche Ban­do­neo­nist und Tan­go-Nue­vo-Kom­po­nist As­tor Piaz­zolla in sei­nen bei­den von Pinda­kaas in­ter­pre­tier­ten Stü­cken “Café 1930” (aus “His­toire du Tan­go”) und “Li­ber­t­an­go” (kom­po­niert 1973 und v.a. be­rühmt ge­wor­den durch den entspr. Song von Grace Jo­nes). Piaz­zolla ver­glich sich ein­mal sel­ber mit Ger­schwin: Wie die­ser habe er “Wer­ke für den Kon­zert­saal kom­po­niert, de­ren Mu­sik­spra­che in der Po­pu­lar­mu­sik grün­det”. Reiz­voll also, sein “Café 1930” – als ein me­lo­die­zen­trier­tes, den­noch de­zi­diert nicht­ge­tanz­tes Kon­zert-Tan­go-Stück – mal quar­tett-kam­mer­mu­si­ka­lisch in­ter­pre­tiert zu hö­ren. Pinda­kaas’ Ge­spür für Durch­hör­bar­keit des Me­los auch in den Mit­tel­stim­men fällt hier be­son­ders po­si­tiv auf – eine auf­re­gen­de Va­ri­an­te, die ne­ben den Ein­spie­lun­gen an­de­rer Du­et­te und En­sem­bles durch­aus be­stehen kann.

Der “Totentanz” von Bastian Fiebig

Eine buch­stäb­lich be­son­de­re Note er­hält die neue Pinda­kaas-CD durch die Erst­ein­spie­lung von Bas­ti­an Fie­bigs “To­ten­tanz”. Ein gros­ses Ver­dienst der vier Mu­si­ker ist es, mit die­sem Werk des Frank­fur­ter Sa­xo­pho­nis­ten ein in­ter­es­san­tes Stück neue­rer ori­gi­na­ler Sa­xo­phon-Quar­tett­mu­sik in eine grös­se­re Öf­fent­lich­keit zu tra­gen.  Das durch ei­ner­seits ein­dring­li­che, os­ti­na­te Bass-Grun­die­rung mit fi­gu­ra­ti­ven und po­ly­pho­nen Ober­stim­men cha­rak­te­ri­sier­te, an­de­rer­seits den mor­bi­den Tanz mit fast-fröh­li­cher Fünf­vier­tel-Be­wegt­heit un­ter­strei­chen­de Stück kon­tras­tiert üb­ri­gens ef­fekt­voll zu dem qua­si-volks­tüm­lich ge­setz­ten, ho­mo­phon-schlich­ten “Per­si­schen Markt” von Al­bert Ket­el­bey. (Des­sen be­rühm­tes “In a Per­si­an mar­ket” exis­tiert in­zwi­schen in den un­ter­schied­lichs­ten Aufnahmen).

Partitur-Auszug des
Par­ti­tur-Aus­zug des “To­ten­tan­zes” für Sa­xo­phon-Quar­tett von Bas­ti­an Fiebig

Ab­ge­run­det wird die­se CD “Bal­lads of Good Life” – die mit ih­rer knapp sieb­zig­mi­nü­ti­gen Spiel­dau­er gross­zü­gig di­men­sio­niert ist, aber auf­grund der Co-Pro­duk­ti­on durch den Land­schafts­ver­band West­fa­len-Lip­pe gleich­wohl mit ca. 15 Euro preis­wert da­her­kommt – durch vier kür­ze­re jü­di­sche “Tra­di­tio­nals” (u.a. “Play the Klez­mer”). Pinda­kaas spielt auch hier wie­der mit in lang­jäh­ri­ger Zu­sam­men­ar­beit ge­wach­se­ner Prä­zi­si­on des Kam­mer­mu­si­zie­rens, mit ei­nem ab­ge­run­de­ten En­sem­ble-Klang und mit im­mer trans­pa­ren­ter, schlan­ker Re­gis­ter­ar­beit. Eine sehr ni­veau­vol­le sieb­te CD-Pro­duk­ti­on die­ses deut­schen, mitt­ler­wei­le in­ter­na­tio­nal kon­zer­tie­ren­den Saxophon-Quartetts. ♦

Pinda­kaas (Sa­xo­phon Quar­tett), Bal­lads of Good Life – Wer­ke von Weill, Piaz­zolla, Ketèl­bey, Klez­mer, Au­dio-CD, CC Clas­sic­Clips/GWK-Re­cords 2009, CLCL904

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