Hans-Christian Dellinger: Streaming (CD)

Erschliessung neuer Klang-Sphären

von Christian Schütte

Strea­ming” – so lau­tet der Ti­tel des neu­es­ten Solo-Al­bums des Sa­xo­pho­nis­ten Hans-Chris­ti­an Del­lin­ger (ali­as Chris­ti­an Elin). Der aus Mün­chen stam­men­de Del­lin­ger zählt heu­te zu den pro­fi­lier­tes­ten Ver­tre­tern sei­nes In­stru­ments, kon­zer­tiert re­gel­mäs­sig mit be­deu­ten­den Or­ches­tern und En­sem­bles und lehrt am Leo­pold-Mo­zart-Zen­trum der Uni­ver­si­tät Augs­burg. Mu­si­ka­lisch be­wegt er sich, ganz sei­nem In­stru­ment ent­spre­chend, zwi­schen den Sti­len und Epo­chen. Und er kom­po­niert für sein In­stru­ment – “strea­ming” ent­hält aus­schliess­lich Ei­gen­kom­po­si­tio­nen für Sa­xo­phon solo.

Hans-Christian Dellinger: Streaming - Solo SaxophoneDie ers­te Kom­po­si­ti­on heisst “pre­lude and hymn”. Auch wenn die Klang­far­be des Sa­xo­phons eine sol­che As­so­zia­ti­on per se aus­schlies­sen soll­te, so mag der Ge­dan­ke doch nicht ganz fern lie­gen, zum An­fang des Stücks, ge­ra­de vor dem Hin­ter­grund des Ti­tels “pre­lude”, in der Tat an die Prä­lu­di­en Jo­hann Se­bas­ti­an Bachs zu den­ken; for­mal ist eine ge­wis­se Ähn­lich­keit nicht zu leug­nen.  Wie Del­lin­ger hier aus ei­ner win­zi­gen Keim­zel­le ei­nen sich im­mer mehr ver­dich­ten­den Fluss auf­baut, da­bei mit den La­gen des Sa­xo­phons um­geht – so un­wahr­schein­lich es klin­gen mag, scheint hier bei­na­he die Or­gel als In­stru­ment Pate ge­we­sen zu sein.

Mehr Stille als Klang

Ganz im Stil des ers­ten Stücks geht es mit dem kur­zen, zwei­ten “joyful” wei­ter, mit ei­nem Mit­tel­teil, der eben in freu­di­ger Art und Wei­se aus dem Rah­men bricht. Fast zum Still­stand kommt es dann mit “in si­lence”. Ein Hauch von ein­zel­nen Tö­nen sorgt hier für in der Tat mehr Stil­le als Klang, und das mit dich­ter at­mo­sphä­ri­scher Wirkung.

re­mi­nis­cence” heisst das fol­gen­de Stück, mit dem Del­lin­ger in der Tat noch ein­mal wie eine kur­ze Re­mi­nis­zenz an den An­fang des Al­bums geht, um an­schlies­send mit den fol­gen­den “cy­cles” part I, II, III ein neu­es Ka­pi­tel auf­zu­schla­gen. Auch die­se drei Stü­cke dre­hen sich um ei­nen kom­po­si­to­ri­schen Kern, der auf ganz ver­schie­de­ne Art durch­de­kli­niert wird – und auch die­ses Stück ist da­her hör­bar an tra­di­tio­nel­len kom­po­si­to­ri­schen Mus­tern orientiert.

Drehungen um einen kompositorischen Kern: Autograph des Stückes
Dre­hun­gen um ei­nen kom­po­si­to­ri­schen Kern: Au­to­graph des Stü­ckes “Cy­cles Part 1” für Sa­xo­phon solo von Hans-Chris­ti­an Dellinger

Wei­ter geht es mit “your song wi­thin me”, ein Stück, das eben­so jaz­zi­ge wie lied­haf­te, durch­aus auch teils pop­ähn­li­che An­klän­ge zeigt und so eine wie­der­um ganz an­de­re Far­be auf das Al­bum bringt. Dump­fe, sta­ti­sche Klän­ge, fast wie aus ei­ner an­de­ren Welt, bringt schliess­lich wie­der das Stück “pray­er and ful­film­ent”, das sich in sei­nem Ver­lauf bis in un­be­quems­te Hö­hen stei­gert, da­mit bei­na­he den Cha­rak­ter ei­nes Kla­ge­ge­san­ges erfährt.

Ein nicht aufzuhaltender Fluss von Rhythmik

Hans Christian Dellinger - Glarean Magazin
Hans Chris­ti­an Dellinger

Am Ende schliesst sich gleich­sam ein Kreis, denn das ab­schlies­sen­de Stück “strea­ming” dau­ert wie die ers­te Kom­po­si­ti­on gut zwölf Mi­nu­ten. “strea­ming” ist am ehes­ten mit “flies­send” zu über­set­zen. Das trifft es hier auch sehr gut, denn die­ses letz­te Stück des Al­bums ist von An­fang bis Ende ein nicht auf­zu­hal­ten­der Fluss an Be­we­gun­gen un­ter­schied­lichs­ter rhyth­mi­scher Art. Auf ei­ner­seits merk­wür­di­ge, an­de­rer­seits aber höchst be­wun­derns­wer­te Art paa­ren sich hier in­stru­men­ta­le Vir­tuo­si­tät und Di­stanz in Aus­druck und At­mo­sphä­re. Das sind in­des Be­ob­ach­tun­gen, die für das ge­sam­te Al­bum gel­ten dürfen.

Si­cher ist die­se CD et­was für Spe­zia­lis­ten und be­son­de­re Lieb­ha­ber des Sa­xo­phons. Aber auch sol­che, die das – noch?! – nicht von sich be­haup­ten, sei­en zum Hin­hö­ren ani­miert; es gilt hier ein In­stru­ment ganz neu zu ent­de­cken und mit klang­li­chen Sphä­ren in Be­rüh­rung zu kom­men, die eben durch ihre viel­fäl­ti­ge An­ders­ar­tig­keit ganz be­son­ders für sich einnehmen. ♦

Hans-Chris­ti­an Del­lin­ger (Sa­xo­phon), Strea­ming, Au­dio-CD, La­bel Raccanto

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