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Aberwitzige Fabulierlust
von Walter Eigenmann
David Safier, erfolgreicher Drehbuch-Autor von TV-Soaps wie “Berlin, Berlin”, “Nikola” oder “Mein Leben&ich”, legt nach seinem schräg-schrillen Bestseller “Mieses Karma” eine weitere Kostprobe seiner aberwitzigen Fabulierlust und -kunst vor. In “Jesus liebt mich”, einer modernen, mit teils urkomischen, teils durchaus auch platteren Gags angereicherten, mitnichten blasphemischen, schon gar nicht sektiererischen Komödie – für Puristen vielleicht gar Comedy -, handelt Safier die Geschichte einer ganz speziellen Liebe ab.
Marie, Anfang 30, eigentlich ziemlich unreligiös, hat gerade ihrem Freund Sven just vor dem Traualtar mit einem deutlich vernehmbaren “Nein!” den Laufpass gegeben. Kurz darauf lernt sie einen Zimmermann kennen, der den väterlichen Dachstuhl reparieren soll: Joshua. Joshua ist, ganz im Gegensatz zu Maries früheren Typen, einfühlsam, sensibel, völlig selbstlos. Marie verliebt sich – und fällt buchstäblich aus allen Wolken, als ihr der fremde Zimmermann eröffnet, dass er – Jesus sei.
“…weil ich ein oller Kiffer bin”
Originalton Safier: “‘Du glaubst mir nicht, dass ich Jesus bin’, stellte er fest. Warum konnte er nicht einfach sagen: Du, die ganze Jesus-Nummer war ein ziemlich dummer Scherz. Den habe ich nur gemacht, weil ich ein ein oller Kiffer bin. Damit hätte ich sehr gut leben können. Darauf hätte man eine gemeinsame Zukunft aufbauen können. ‘Dir fehlt der Glaube’, merkte Joshua sachlich an. Und dir eine Zwangsjacke, dachte ich…”
Attacke auf pseudospirituelle Rührseligkeit

Man täte David Safier völlig unrecht, ordnete man seiner süffigen “Jesus”-Lovestory irgendwelches reinkarnatives, überhaupt besonders religiöses, womöglich gar Dostojewski-Gedankengut (“Grossinquisitor”) zu. Auch wenn darin eine Menge missianische (Un-)Heilsverkündigung – Satan und Erzengel inklusive – zu finden ist. “Jesus liebt mich” ist einfach ein flockig-lockerer, gekonnt formulierter, zuweilen arg kalauernder, aber nonstop origineller Unterhaltungsroman, gestreckt mit zahllosen verbalen – und übrigens 16 tatsächlichen – Comic-Attacken auf so manche gesellschaftsmoralische und pseudospirituelle Rührseligkeit unserer Zeit. Alles in allem 300 Seiten lang ein Lese-Spass erster Güte, und wer schon Safiers “Karma” mochte, wird bei seinem “Jesus” vollends vor heiterer Ehrfurcht in den Boden versinken. Für Christen und Atheisten. ♦
David Safier: Jesus liebt mich, Roman & s/w-Zeichnungen, Kindler Rowohlt rororo Verlag, 304 Seiten, ISBN 978-3463405520
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