Bernhard Strobel: Nichts, nichts (Erzählungen)

Die karge Welt der Verlierer

von Günter Nawe

Schnör­kel­los, bei­na­he mi­ni­ma­lis­tisch le­sen sich die Ge­schich­ten des Bern­hard Stro­bel. Und sind ge­ra­de des­halb sehr in­ten­siv und nach­hal­tig. Der jun­ge Skan­di­na­vist aus Wien, Jahr­gang 1982, hat be­reits mit sei­nem ers­ten Er­zähl­band „Sack­gas­se“ auf sich auf­merk­sam ge­macht – und be­stä­tigt das po­si­ti­ve Ur­teil der Kri­tik mit dem jetzt vor­lie­gen­den Band „Nichts, nichts“.

Die Kunst des Weglassens

Nichts, nichts - Bernhard Strobel - Erzählungen - Droschl VerlagStro­bel be­herrscht die Kunst des Weg­las­sens, so­dass am Ende nur noch das We­sent­li­che bleibt. Schliess­lich geht es in sei­nen durch­weg kur­zen Er­zäh­lun­gen um Men­schen, de­nen oh­ne­hin nicht mehr viel ge­blie­ben ist als Ob­dach­lo­sig­keit, Sprach­lo­sig­keit und Le­bens­tris­tesse. Sei­ne Fi­gu­ren sind Aus­sen­sei­ter, die sich am Ran­de der Ge­sell­schaft „ein­ge­rich­tet“ ha­ben und auch dar­aus noch ver­trie­ben wer­den – ins Nichts.
So in der Ti­tel­er­zäh­lung „Nichts, nichts“. Es ist eine Mo­ment­auf­nah­me zwei­er Men­schen, die sich nichts zu sa­gen ha­ben, die Fra­gen ha­ben und kei­ne Ant­wor­ten. Ein klei­ner „Dia­log“ zwi­schen Mar­kus und Lara mag das belegen:
„’Was war denn mit dir los?’ fragt sie. ‚Weiss nicht’, sagt er. Nach ei­ner län­ge­ren Pau­se sagt sie: ‚Willst du dar­über re­den?’  ‚Es kommt ja so­wie­so nichts da­bei raus.’“…
So geht es wei­ter bis zur ul­ti­ma­ti­ven Aus­sa­ge „Nichts, nichts“. Der Le­ser weiss nicht, wor­über sie über­haupt hät­ten re­den sol­len. Es ist al­les ge­sagt, da es nichts zu sa­gen gibt.

Lakonisch die karge Welt der Verlierer geschildert

Bernhard Strobel - Glarean Magazin
Bern­hard Strobel

Bern­hard Stro­bels Fi­gu­ren be­fin­den sich – und das ist sar­kas­tisch ge­meint – durch­weg „in gu­ter Ge­sell­schaft“ – dies auch der Ti­tel ei­ner wei­te­ren Er­zäh­lung. Es ist Weih­nach­ten, als der Ich-Er­zäh­ler kon­sta­tiert: „Ich will nicht be­haup­ten, dass ich es satt habe, zu le­ben; aber die Vor­stel­lung, so­zu­sa­gen mei­ne letz­te gros­se Fei­er­lich­keit zu be­ge­hen, er­füll­te mich in den ver­gan­ge­ne­ne Ta­gen  im­mer häu­fi­ger mit ei­nem Ge­fühl gros­ser Wär­me und Zu­frie­den­heit.“ Ein­und­acht­zig ist er, drei Schei­dung hat er hin­ter sich, ei­nen Woh­nungs­brand ver­ur­sacht und zwei Töch­ter, bei de­nen er wech­sel­wei­se Weh­nach­ten ver­bracht hat. Dann aber be­kommt die Ge­schich­te ei­nen ganz an­de­ren Drive.
So also gibt es Er­zäh­lun­gen mit ei­nem gu­ten Ende und Ge­schich­ten mit ei­nem bö­sen Ende. Und alle blei­ben ir­gend­wie un­voll­endet, so­dass der Le­ser sie wei­ter­den­ken kann oder muss.

Aussergewöhnliche sprachliche Kunstfertigkeit

Der österreichische Autor Bernhard Strobel hat in seinem neuen Prosaband
Der ös­ter­rei­chi­sche Au­tor Bern­hard Stro­bel hat in sei­nem neu­en Pro­sa­band „Nichts, nichts“ Er­zäh­lun­gen vor­ge­legt, die von aus­ser­or­dent­li­cher Kunst­fer­tig­keit sind, wie wir sie heu­te in der Li­te­ra­tur nur noch ganz sel­ten finden.

Stro­bel schil­dert la­ko­nisch die kar­ge Welt der Ver­lie­rer. Manch­mal wü­tend und dann wie­der vol­ler grim­mi­ger Ko­mik. „Du machst es ei­nem nicht ge­ra­de leicht“, ist ei­ner der Sät­ze, die Stro­bel nicht nur zu ei­ner Fi­gur sagt. Auch der Le­ser könn­te die­sen Satz sa­gen. Nein, leicht macht es Stro­bel, ma­chen es sei­ne Prot­ago­nis­ten dem Le­ser nicht. Das ist aber auch letzt­lich nicht Auf­ga­be von Literatur.
Die­ser Er­zähl­band nimmt den Le­ser mit  in eine Welt der Ver­zwei­fel­ten, der Ver­wei­ge­rer, in eine Welt de­rer, die in ihr kei­nen Sinn mehr se­hen. Und meist „ge­schieht“ dann bei der Lek­tü­re auch mit dem Le­ser et­was. Et­was, was ihn be­rührt, was ihn lehrt zu ver­ste­hen. Stro­bels Er­zäh­lun­gen sind zu­dem von ei­ner Kunst­fer­tig­keit, wie wir sie heu­te kaum noch zu le­sen be­kom­men – und des­halb aussergewöhnlich.
Bern­hard Stro­bel ist also ein gross­ar­ti­ger Er­zäh­ler, der sich Zeit lässt mit dem, was er zu sa­gen, zu er­zäh­len hat. Umso wert­vol­ler ist das Er­geb­nis. Und umso hö­her sind die Er­war­tun­gen an das nächs­te Buch. Es soll ein Ro­man werden… ♦

Bern­hard Stro­bel: Nichts, nichts – Er­zäh­lun­gen, 116 Sei­ten, Li­te­ra­tur­ver­lag Dro­schl, ISBN 978-3-85420-766-5

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin auch über die Er­zäh­lun­gen von Vik­to­ri­ja To­kar­je­wa: Liebesterror

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