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Neues Anfänger-Lehrbuch für Acht- bis Zehnjährige
von Thomas Binder
Drei Jahre nach “Schach spielen mit Niveau” legt der ehemalige Schachtrainer Axel Gutjahr mit “Schachspuk auf Ruine Rochenstein” ein neues Schachbuch für Kinder vor.
Die Zielgruppe von “Schachspuk auf Ruine Rochenstein” ist mit der Altersangabe “ab acht Jahren” gut getroffen, dürfte allerdings auch nur wenig darüber hinaus gehen. Oberhalb von 10 Jahren sind Kinder für Bücher dieser Art sicher nicht mehr zugänglich. Dabei stellt sich ohnehin die Frage, ob in der genannten Altersgruppe ein Schachlernen durch einsame Buchlektüre noch zeitgemäß ist. Der anhaltend reiche Vorrat solcher Werke auf dem Markt scheint den Autoren allerdings Recht zu geben, und in diesem Feld gehört Gutjahrs neues Buch gewiss zu den Favoriten.
Schach-Kobold in Burgruinen

Was bekommen wir also auf den gut 140 Seiten geboten? Die drei Kinder Pit, Tina und Atze erkunden die Ruine der Burg Rochenstein. Dort werden sie zunächst von einem Fußboden in Schachbrettform und dann von den einzelnen Figuren empfangen, die ihnen von Grund auf die Schachregeln erklären. Mit dem ersten Grundwissen ausgestattet, empfängt sie dann der Kobold Mattotto und erklärt ihnen die weiteren Spielregeln (umfassend bis zum en-passant-Schlagen und zu den Remisregeln) sowie einfache taktische Motive.
Die drei Partiephasen werden jeweils elementar angerissen: Die Kinder und mit ihnen der Leser erlernen die Grundbegriffe der Eröffnung, dann ein paar taktische Tricks (Fesselung, Gabel etc.) im Mittelspiel und schließlich wichtige Endspiel-Begriffe wie Quadratregel, Elementare Matts, Bauerndurchbruch, Oppositionsregel, Randbauer). Diese Aufzählung ist nahezu vollständig. Es ist also klar (und eigentlich unvermeidlich), dass hier noch sehr viel fehlt, was Kinder im betreffenden Alter über Schach lernen können und sollten.
Kindgerechte Textaufbereitung
Enorm wichtig ist es, dass alles sehr kindgerecht vorgetragen wird. Die Texte sind übersichtlich und keine Buchstabenwüsten. Große Stellungsbilder lassen keine Frage offen, was gerade besprochen wird. Ein enormer Gewinn sind die herrlichen Illustrationen von Ralph Handmann auf praktisch allen Seiten des Buches.
Abgerundet wird der Lehrteil von immer wieder eingestreuten kurzen Fakten rund um das königliche Spiel unter dem Motto “Wusstest du…” Dass auch solche Stereotype wie das Narrenmatt und die Reiskornlegende nicht fehlen dürfen, versteht sich fast von selbst. (Es gibt Dinge, die habe ich einfach zu oft gelesen, als dass sie mich noch begeistern würden).
Anfänger-Lehrbuch mit Update-Bedarf

Schauen wir nun, was wir nicht geboten bekommen: Über den schachlichen Gehalt kann man streiten. Der Autor hat sich offenbar eine Grenze dessen gesetzt, was er vermitteln will. Da wird er nie so genau meinen Geschmack treffen, aber immerhin hält er diese Linie konsistent durch. Es ist ein reines Einstiegs-Lehrbuch, welches der Weiterführung – am besten natürlich in einem Verein oder in einer schulischen Schach-AG – bedarf. Leider fehlt mir auch die im Untertitel angedeutete Spannung. Die Kinder erlernen ehrfürchtig das Schachspiel. Auf alle Fragen antworten sie brav und meist auch sofort richtig. Widerstreitende Meinungen, Korrekturen unrichtiger Antworten gibt es nicht. So wird auch die Chance vertan, die handelnden Kinder als eigenständige Charaktere auszuprägen.
Fehlende Rahmenhandlung
Eine echte Rahmenhandlung gibt es nicht, die versprochene Spannung findet nicht statt. Angesichts der sprachlichen Stärken, der tollen Bebilderung und des kindgerechten Layouts hat dieses Buch eine Fortsetzung verdient. So wie die Leser älter werden, können auch die Buchhelden mit ihnen wachsen. Eine zweite Folge würde den schachlichen Inhalt vertiefen und anspruchsvoller machen. Das könnte man dann in eine Rahmenhandlung einbinden, bei der die Kinder (sowohl Pit, Tina und Atze als auch die Leser) Schachrätsel zu knacken haben und damit insgesamt eine spannende Aufgabe lösen (sei es ein Labyrinth zu erkunden, einen Schatz zu finden oder eine Prinzessin zu befreien – sorry für die Klischees).
Das würde Gutjahrs Ansatz abrunden und dem Buch ganz neue Chancen auf dem Markt eröffnen, ja vielleicht sogar ein neues Genre innerhalb der Schachliteratur für Kinder begründen. ♦
Axel Gutjahr: Schachspuk auf Ruine Rochenstein, Das spannende Schachbuch für Kinder, 144 Seiten, Heel Verlag, ISBN 978-3-96664-365-8
Lesen Sie im GLAREAN MAGAZIN zum Thema Kinder- und Jugend-Schach auch über Graham Burgess: Chess Opening Workbook for Kids
… sowie über Circon Verlag: Schachtricks für Kinder (Lehrbuch)
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