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Von Ralph Vaughan Williams bis Gerald Finzi
von Horst-Dieter Radke
Beim ersten unvoreingenommenen Hören von “Bright is the Ring of Words” mit Liedern für Bariton & Klavier klingt der Gesang von Chris Booth-Jones erfrischend “jung”. Um so überraschender ist es dann festzustellen, dass Booth-Jones eine bereits fast fünfzigjährige Karriere hinter sich hat. Nun, wie ein gerade von der Akademie entlassener Jüngling klingt er zwar nicht, aber ein so hohes Alter entnimmt man seiner Interpretation nicht gleich.
Der zweite Eindruck des unbefangenen Hörens ist die Homogenität von Gesang und Klavierstimme. Begleitung mag ich in diesem Fall gar nicht schreiben, denn in fast sämtlichen Liedern aller vier auf der CD vertretenen Komponisten erreicht die Klavierstimme einen hohen Grad an Eigenständigkeit. Man könnte sie sich mit Genuss auch ohne die Gesangsstimme anhören. Igor Kennaway, der den Part am Klavier übernommen hat, spielt angemessen unaufdringlich, sensibel, ohne sich jedoch zurückzunehmen.
Aufgenommen wurden von Booth-Jones und Kennaway vier Liederzyklen englischer Komponisten aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die meisten aus der Zeit vor oder kurz nach dem 1. Weltkrieg. Wer aus diesen Informationen avantgardistische Klänge folgert, wird enttäuscht – vielleicht aber auch positiv überrascht.
Lieder eines Wanderers
Die ersten neun Lieder auf dieser CD komponierte Ralph Vaughan Williams (1872-1958), der dabei Texte von Robert Louis Stevenson benutzte, die dieser unter dem Titel “Songs of Travel” veröffentlicht hatte. Darunter ist auch das Gedicht, dessen Titel der CD den Namen gab. Ein einsamer Reisender beschreibt in diesen Liedern seine Naturerlebnisse, und im Hintergrund vermutet man, sicher nicht zu Unrecht, eine verlorene Liebe.
Die Lieder klingen nicht fröhlich, keineswegs jedoch sentimental, sondern eher erhaben. Ein gut gewählter Anfang für diese Zusammenstellung.
Songs aus kurzen Leben
Tragischer kommen die sechs Lieder (“A Shropshire Lad”) von George Butterworth (1885-1916) daher. Die Texte stammen von A. E. Housman (1859-1936) und beschreiben eine verlorene Jugend in den ländlichen Gebieten Mittelenglands (Shropshire). Angesichts des frühen Todes des Komponisten – er starb bei der Schlacht an der Somme – ist diese Auswahl fast schon prophetisch zu nennen. Die Stücke dämpfen den positiven Eindruck, den die Stevenson-Lieder zuvor aufgebaut haben, fast ein wenig herab. Aber sie sind zu gut, um die Stimmung wirklich zu gefährden.

Ebenfalls bei Houseman bediente sich Ernest John Moeran (1894-1950), allerdings erst nach dem ersten Weltkrieg. Auch seine vier Lieder aus dem Zyklus “Ludlow Town” entstammen der Sammlung “A Shropshire Lad”.
Während man bei Butterworth eine “Vorausahnung” annehmen könnte, spricht hier aus der musikalischen Sprache möglicherweise das eigene Erleben im Krieg. Das vierte – “The lads in their hundreds” – klingt fast wie ein Volkslied. Bei diesem hat mich anfangs die Klavierbegleitung sogar irritiert, weil sie diesen volksliedhaften Charakter vermeintlich zerstört. Beim wiederholten Hören ging mir dann auf, dass dies gerade in der Absicht des Komponisten gelegen haben mag – und inzwischen ist es, genau in dieser Kombination, eines meiner Lieblingslieder auf dieser CD.
Rückgriff auf den grossen Meister
Gerald Finzi (1901-1956), der letzte Komponist dieser CD, war ein Schüler des ersten (Williams). Seinen fünf Liedern liegen Texte von Shakespeare zu Grunde. Dabei versucht Finzi auf keine Weise, in seiner Musik an Shakespears Zeitalter anzuknüpfen. Vielleicht erinnert das erste – “Come away, come away, death” – mit seiner Traurigkeit ein wenig an Dowland. Die Melodie ist aber ganz zeitgemäss und könnte durchaus auch ein halbes Jahrhundert später von Philipp Glass komponiert worden sein:

Bevor man depressive Anwandlungen bekommt, holt das nächste Lied “Who is Sylvia?” wieder auf den Boden zurück. Es ist nicht gerade fröhlich, aber klingt in Melodik und Tonsprache “zupackend”.
Das nächste – “Fear No More the Heat o’ the Sun” – ist berührend und beinahe ein wenig sentimental, was schliesslich der letzte Titel – “O Mistress Mine” – dann wieder zurücknimmt.
Diese interessante CD vereint vier Liederzyklen von englischen Komponisten, die bis auf R. Vaughan Williams eher unbekannt sind. Interpretiert werden die Lieder von zwei Künstlern, die ihre Sache professionell angingen und die richtige Balance von Stimme und Instrument fanden. Auch die Auswahl und die Zusammenstellung der Songs ist gut und passend. So ist ein Album entstanden, das man nicht nur einmal, sondern immer wieder gerne auflegt und anhört. ♦
Bright Is The Ring Of Words – Englische Lieder von Vaughan, Butterworth, Moeran, Finzi; Chris Booth-Jones (Bariton) & Igor Kennaway (Klavier), Magpie Records (Naxos)
Lesen Sie im Glarean Magazin zum Thema Musik für Gesang und Klavier auch über
Rikard Nordraak: Songs and Piano Music
…sowie über
Zoryana & Olena Kushpler: Slawische Seelen