Rikard Nordraak: Songs and Piano Music (CD)

Eine Handvoll blühender Frühlingsblumen

von Wolf­gang-Ar­min Rittmeier

Das Co­ver der jüngst bei LAWO Clas­sics er­schie­ne­nen CD „Ri­kard Nord­raak – Songs and and Pia­no Mu­sic“ ist eine Au­gen­wei­de. Der Blick öff­net sich in ei­nen nor­we­gi­schen Fjord, im kris­tall­kla­ren Was­ser spie­geln sich die schnee­be­deck­ten Gip­fel der um­lie­gen­den Ber­ge. Ein Bild, das je­den Men­schen, der den Nor­den liebt, un­mit­tel­bar in sei­nen Bann zieht. Es ir­ri­tiert le­dig­lich ei­nes: der Name Ri­kard Nord­raak. Wer ist das ei­gent­lich? Was für Mu­sik steckt hin­ter die­sem Na­men? Al­tes? Neues?

Vergessen von der Musikwelt: Rikard Nordraak

Rikard Nordraak – Songs and and Piano Music (Lawo CD-Label)Nun – auf je­den Fall Un­er­hör­tes! Denn Ri­kard Nord­raak ist ein Kom­po­nist, den die (Musik-)Welt weit­ge­hend ver­ges­sen hat. Nur in Nor­we­gen wird sei­ner mit schö­ner Re­gel­mäs­sig­keit ge­dacht, und zwar im­mer, wenn die Na­tio­nal­hym­ne „Ja, vi els­ker det­te lan­det“ auf ei­nen Text sei­nes Vet­ters Bjørnst­jer­ne Bjørn­son er­klingt. Zu­ge­ge­ben: Er hat auch nicht viel hin­ter­las­sen. Das Oeu­vre um­fasst ein paar Lie­der, ein paar Stü­cke für Kla­vier und zwei Büh­nen­mu­si­ken zu Stü­cken Bjørn­sons. Nur etwa 40 Kom­po­si­tio­nen ha­ben sich er­hal­ten, kaum et­was wird je auf­ge­führt, so gut wie nichts wur­de bis­lang ein­ge­spielt. In­so­fern füllt die­se CD – und das grund­sätz­lich er­freu­lich – eine Lücke.

Zeittypisch und genrehaft

Rikard Nordraak (1842-1866)
Ri­kard Nord­raak (1842-1866)

Nord­raak wur­de 1842 in Oslo ge­bo­ren. Sei­ne Mu­sik­be­ga­bung wur­de schon in der Kind­heit deut­lich. Den­noch soll­te er – man kennt der­glei­chen – eine „an­stän­di­ge“ Pro­fes­si­on er­ler­nen. In Ko­pen­ha­gen soll­te er eine Aus­bil­dung zum Kauf­mann ab­sol­vie­ren, statt­des­sen stu­dier­te er mehr oder min­der heim­lich Mu­sik. Die­se Stu­di­en führ­ten ihn dann im­mer wie­der auch nach Ber­lin, wo er 1864 an Tu­ber­ku­lo­se er­krank­te und ihr im dar­auf­fol­gen­den März er­lag. Sein Freund Ed­vard Grieg war so er­schüt­tert vom Tod des jun­gen Kom­po­nis­ten, dass er ei­nen heu­te noch be­kann­ten Trau­er­marsch für des­sen Be­stat­tung kom­po­nier­te. Grieg hat­te in ihm den Vor­rei­ter ei­ner echt nor­we­gi­schen Mu­sik ge­se­hen: „Sein Name wird in un­se­rer Welt der nor­di­schen Kunst fort­le­ben. Sei­ne fes­seln­den Ideen wer­den ihn weit über das Nichts des Gra­bes hin­aus­tra­gen, denn in sie ein­ge­schrie­ben sind die Zei­chen von Wahr­heit und Ewigkeit.“
Hört man je­doch Nord­raaks Mu­sik heu­te, so ist es über die Zeit­läuf­te hin­weg und in Kennt­nis der Wer­ke sei­ner Zeit­ge­nos­sen Jo­han Svend­sen und Grieg selbst, nicht im­mer ein­fach je­nen „spe­zi­ell nor­di­schen Klang“ zu er­lau­schen, den Grieg ihr zu­schrieb. Be­son­ders die Kla­vier­wer­ke, de­nen wir auf die­ser CD be­geg­nen, und die un­ter den Fin­gern von Eu­ge­ne Asti zwei­fels­oh­ne schö­ne Klang­lich­keit und Plas­ti­zi­tät ge­win­nen, wir­ken letzt­lich wie hoch­ro­man­ti­sche Pe­ti­tes­sen, we­ni­ger in­no­va­tiv als viel­mehr zeit­ty­pisch und gen­re­haft. Der noc­turne­ar­ti­ge „Val­se ca­pri­ce“ er­in­nert stark an Fields und Cho­pin, die „Venskabs-Pol­ka“ hät­te auch Schu­bert schrei­ben können.

Mysteriöser nordisch-romantischer Tonfall

Die neue LAWO-CD mit "Songs and Piano Music" von Rikard Nordraak dokumentiert: Nordraak war ein vorsichtiger Initiator, dessen Anregungen von seinen Zeitgenossen weiterführend aufgegriffen wurden. Darin liegt die wirkliche Bedeutung seiner Werke für die nordische Musik-Romantik.
Die neue LAWO-CD mit “Songs and Pia­no Mu­sic” von Ri­kard Nord­raak do­ku­men­tiert: Nord­raak war ein vor­sich­ti­ger In­itia­tor, des­sen An­re­gun­gen von sei­nen Zeit­ge­nos­sen wei­ter­füh­rend auf­ge­grif­fen wur­den. Dar­in liegt die wirk­li­che Be­deu­tung sei­ner Wer­ke für die nor­di­sche Musik-Romantik.

Das Feu­er der „Fire Dan­dse“ für Kla­vier brennt dann auch aus­ge­spro­chen ge­sit­tet im hei­mi­schen Sa­lon zur un­auf­ge­reg­ten Er­wär­mung der ge­bil­de­ten Ge­sell­schaft. An­ders die Lie­der, die von So­pra­nis­tin He­le­ne Wold durch­weg klang­schön, mit im­mer et­was ab­ge­dun­kel­tem Ton, höchs­tem En­ga­ge­ment und ge­stal­te­ri­scher Fein­sin­nig­keit vor­ge­tra­gen wer­den. Da hört man im­mer ein­mal wie­der je­nen mys­te­riö­sen na­tio­nal­ro­man­ti­schen Ton­fall, den man gern mit dem Be­griff „nor­disch“ be­zeich­net, ohne so recht zu wis­sen, wie das nor­di­sche Klang­ge­wand ei­gent­lich ent­steht. Bal­la­des­kes wie „Jeg har søgt“ oder die Ro­man­zen „In­ge­rid Slet­ten“ und „Li­den Gun­vor“ aus dem Ole Bull zu­ge­eig­ne­ten Opus 1 oder „Sol­vej­ge“ aus dem Opus 2 wir­ken be­son­ders stark in die­se Rich­tung. Auch das das zwei­te Opus er­öff­nen­de „To­nen“ und die sehr stark volks­lied­haf­ten Lie­der „Træet“ und „Kil­le­buk­ken“ las­sen schliess­lich ganz gut er­ah­nen, was Grieg in Nord­raak sah. Er war ein vor­sich­ti­ger In­itia­tor, des­sen An­re­gun­gen von sei­nen Zeit­ge­nos­sen auf­ge­grif­fen wur­den, die Nor­we­gen schliess­lich ein mu­si­ka­li­sches Ge­sicht ver­lie­hen. Dar­in – und we­ni­ger in der Qua­li­tät sei­ner Kom­po­si­tio­nen – liegt wohl die wirk­li­che Be­deu­tung Nordraaks. ♦

Ri­kard Nord­raak: Songs and Pia­no Mu­sic – He­le­ne Wold (So­pran), Eu­ge­ne Asti (Kla­vier), Au­dio-CD, 66 Mi­nu­ten, LAWO CD-Label

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