Interview mit dem Schachlehrer Alexander Frenkel

Weg von den Tablets und Spielkonsolen, hin zum Schachspiel

von Tho­mas Binder

Er­neut möch­te ich als Schach-Re­zen­sent des Glarean Ma­ga­zins die Ge­le­gen­heit nut­zen, das Au­gen­merk auf die Aus­bil­dung jun­ger und jüngs­ter Schach­spie­ler zu rich­ten. Hat­ten wir zu­letzt mehr­fach klas­si­sche Lehr­bü­cher kom­men­tiert, geht es dies­mal um ein Ar­beits­heft der Schach­schu­le Mün­chen. Au­tor ist de­ren Lei­ter Alex­an­der Fren­kel. Da Herr Fren­kel uns deut­lich mehr zu sa­gen hat, wol­len wir ihn noch selbst zu Wort kom­men las­sen, wer­fen aber zu­nächst ei­nen Blick in das ers­te Werk, das er nun ei­nem grös­se­ren Le­ser­kreis zu­gäng­lich macht.

Schach-Zielgruppe: Grundschulkinder

Alexander Frenkel - Warum Schach - Bauerndiplom - Schachschule MünchenDas Ar­beits­heft wen­det sich an Kin­der, die von Grund auf das Schach­spiel er­ler­nen wol­len, wo­bei als Ziel­grup­pe wohl ganz klar Grund­schul­kin­der an­ge­spro­chen sind. Ih­nen wird der Grund­ka­non der Schach­re­geln nahe ge­bracht. Al­les dar­über hin­aus bleibt den auf­bau­en­den Lehr­gän­gen vorbehalten.
Da­bei hebt sich Fren­kels Heft sehr deut­lich von an­de­ren Ar­beits­hef­ten ab. Die Re­geln wer­den in Reim­form er­klärt und mit lie­be­vol­len Il­lus­tra­tio­nen ver­se­hen. Un­mit­tel­bar da­nach kön­nen die Kids ihr Wis­sen in viel­fäl­ti­gen und vor al­lem kind­ge­rech­ten Auf­ga­ben be­wei­sen. Dem Cha­rak­ter sol­cher Ar­beits­bü­cher ge­mäss wird da­bei di­rekt im Heft ge­ar­bei­tet, es ist also für eine „Ein­mal­ver­wen­dung“ ge­dacht. Ein­zi­ger Kri­tik­punkt bleibt, dass Fren­kel (wie an­de­re Au­toren auch) hin und wie­der zwei oder mehr Auf­ga­ben auf ei­nem ge­teil­ten Brett dar­stellt. Da­bei muss zu­wei­len die Trenn­li­nie als Brett­rand ver­stan­den wer­den, was eine di­rek­te Über­nah­me in an­de­re Trai­nings­for­men (z.B. am De­mo­brett) erschwert. ♦

Alex­an­der Fren­kel: War­um Schach (Bau­ern­di­plom), Ar­beits­heft, Il­lus­tra­tio­nen von Ele­na Le­vitina, Schach­schu­le München


Interview mit Alexander Frenkel

Au­tor Alex­an­der Fren­kel ist 48 Jah­re alt und stammt aus der ukrai­ni­schen Schach­hoch­burg Char­kiw. Schon sein Va­ter ge­hör­te dort in jun­gen Jah­ren zur ört­li­chen Schach­spit­ze. Seit 1993 lebt Alex­an­der Fren­kel in Deutsch­land und lei­tet seit 12 Jah­ren die Schach­schu­le München.

Glarean Ma­ga­zin: Herr Fren­kel, Sie ste­hen für die “Schach­schu­le Mün­chen”. Kön­nen Sie uns die­ses Pro­jekt kurz erläutern?

Alexander Frenkel (Geb. 1969)
Alex­an­der Fren­kel (Geb. 1969)

Alex­an­der Fren­kel: Die Idee des Schach-Leh­rens kam durchs Üben mit mei­nen Sohn Ma­xim, den ich schon mit 6 Jah­ren zu den Kin­der­tur­nie­ren ge­bracht habe. So bin ich 2005 zum Schul­schach­pa­tent­kurs vom „Schul­schach-Va­ter“ Herrn Lel­lin­ger ge­kom­men und bin da­für so­gar von Mün­chen nach Leip­zig ge­fah­ren. Mein ers­ter Kurs fand di­rekt in Ma­xims Grund­schu­le statt. Da­nach habe ich mich mit ei­ner In­ter­net-Prä­senz po­si­tio­niert und er­hal­te re­gel­mäs­sig Nach­fra­gen, die ich al­lei­ne mitt­ler­wei­le nicht mehr be­wäl­ti­gen kann. So hel­fen Ma­xim und noch ei­ni­ge schach­spie­len­de Stu­den­ten aus.

GM: Stell­ten sich bald Er­fol­ge ein? Kön­nen Sie re­gel­mäs­sig Kin­der über das An­fän­ger­ni­veau hin­aus in die Schach­ver­ei­ne und zu Meis­ter­schaf­ten führen?

AF: So­bald die Kin­der die Re­geln si­cher an­wen­den kön­nen, in­for­mie­re ich die El­tern über pas­sen­de Kin­der­tur­nie­re. Ei­ni­ge wer­den dann von der At­mo­sphä­re  mit­ge­ris­sen und wol­len im­mer teil­neh­men. So lan­den sie oft in den Ver­ei­nen. Ak­tu­ell, mit dem Ch­es­si­mo-Sys­tem (5 Spie­le am Tag mit 60min, Auf­schrei­ben und DWZ-Aus­wer­tung), wer­den die Kids noch durch die DWZ zu­sätz­lich mo­ti­viert. Ei­ni­ge Kin­der aus mei­nen ers­ten Kur­sen (und sie sind mitt­ler­wei­le 18-20 Jah­re alt) spie­len im­mer noch in den Ver­ei­nen. (An­mer­kung des Re­zen­sen­ten: Fren­kels Schü­ler ha­ben zahl­rei­che vor­de­re Plät­ze bei Meis­ter­schaf­ten und im Schul­schach vorzuweisen).

GM: Auf wel­chen Prin­zi­pi­en be­ruht das Trai­ning in Ih­rer Schach­schu­le? Wor­in un­ter­schei­den Sie sich von an­de­ren Anbietern?

AF: Es gibt ei­ni­ge Grund­sät­ze, die ich seit An­fang an be­fol­ge. Ich bin der Mei­nung, Schach soll­te auf dem An­fän­ger-Ni­veau preis­wert und für je­den zu­gäng­lich sein. So be­trei­be ich kei­ne ei­ge­nen Räum­lich­kei­ten und kom­me dort­hin, wo man wirk­lich an ei­nem Schach­kurs in­ter­es­siert ist, die Grup­pe or­ga­ni­siert und mich da­für en­ga­giert. So blei­ben die Kos­ten für die El­tern sehr übersichtlich.
Des Wei­te­ren soll­te der Un­ter­richt struk­tu­riert sein und da­für eig­nen sich die Lern­hef­te, wie z.B. Bra­cke­l­er Lehr­gang, die Stu­fen-Me­tho­de und die seit kur­zem er­hält­li­chen Kurs­hef­te von Ro­man Vi­d­on­yak, sehr gut.
Ich ver­su­che eine gute Mi­schung dar­aus zu ma­chen und bei den fort­lau­fen­den Grup­pen im­mer wie­der ei­nen Wie­der­ho­lungs- bzw. Be­fes­ti­gungs-Kurs „ein­zu­bau­en“. Ich neh­me mir auch die Frei­heit, nur die ho­mo­ge­nen Kur­se an­zu­bie­ten, d.h. nur auf dem glei­chen Ni­veau. So wer­den alle Teil­neh­mer gleich­mäs­sig betreut.
Im We­sent­li­chen ist mein Un­ter­richt ziem­lich klas­sisch und die Schach­stun­de be­steht aus der Be­ant­wor­tung der Fra­gen zu den Haus­auf­ga­ben, der Er­klä­rung ei­nes neu­en The­mas und dem Spie­len. Fürs Spie­len ver­su­che ich etwa die Hälf­te der Zeit anzusetzen.
Ich las­se aber auch das Demo-Brett mal weg, um mit dem Bea­mer die Stun­den ab­wechs­lungs­reich zu ge­stal­ten und ein Schach-Pro­gramm oder Schach-Vi­deo einzubringen.
Auch auf den Wunsch nach fremd­spra­chi­gen Kur­sen kann ich ein­ge­hen. So un­ter­rich­te ich Schach re­gel­mäs­sig auf Deutsch, Rus­sisch und Englisch.

GM: Das vor­lie­gen­de Trai­nings­ma­te­ri­al trägt den Ti­tel “War­um Schach?” Wie lau­tet Ihre prä­gnan­te Ant­wort auf die­se Frage?

AF: Ich bin vom po­si­ti­ven Ein­fluss des Schachs auf die schu­li­schen Leis­tun­gen stark über­zeugt und nicht nur durch die Trie­rer Stu­die, son­dern auch am Bei­spiel von mei­nem Sohn. Ma­xim hat sein Abi mit 1,9 ohne eine ein­zi­ge Nach­hil­fe­stun­de ge­macht. Auf mei­ner Web­sei­te ent­stan­den mit der Zeit die so­ge­nann­ten „Grün­de fürs Schach“, die ich kur­zer Hand „War­um Schach“ nann­te. Die­se wur­den dann öf­ters quer durch den deut­schen In­ter­net­raum bei Ver­ei­nen und Schu­len über­nom­men und zi­tiert. Für das neue Heft habe ich sie in ei­ner kind­ge­rech­ten Form um­ge­schrie­ben und ein­ge­baut. So kön­nen die Kin­der (aber auch El­tern und Leh­rer) nicht nur von Schach­kennt­nis­sen pro­fi­tie­ren, son­dern auch vie­les Po­si­ti­ve, was Schach mit sich bringt, wahrnehmen.

GM: Die Ge­stal­tung des Ma­te­ri­als ist sehr an­spre­chend, hebt sich von den sonst be­kann­ten Ar­beits­hef­ten deut­lich ab. Wie sind Sie an die Ge­stal­tung her­an­ge­gan­gen? Was ist Ih­nen da wichtig?

AF: In mei­nem Un­ter­richt habe ich im­mer wie­der spon­tan, be­ein­flusst durch „Sprin­ger am Ran­de bringt Kum­mer und Schan­de“, et­was ge­reimt.  Da ich in der ers­ten An­fän­ger-Stun­de die Wei­zen­korn­le­gen­de er­zäh­le, um die Viel­fäl­tig­keit der Mög­lich­kei­ten auf dem Schach­brett zu be­to­nen, such­te ich nach ei­nem Weg für mich, als nicht Mut­ter­sprach­ler in Deutsch, die Ge­schich­te ein­fach dar­zu­stel­len. So ent­stand die­ses Ge­dicht. Ich habe ge­merkt, dass das ge­reim­te Wort sich auch bei den Kin­dern bes­ser einprägt.
Ich un­ter­rich­te­te die meis­te Zeit die An­fän­ger mit dem „Bra­cke­l­er Lehr­gang“. Die Hef­te sind zwar güns­tig, ha­ben aber für mei­nen Be­darf zu we­nig Auf­ga­ben. So gab ich zu je­der Stun­de mei­ne zu­sätz­li­chen Ar­beits­blät­ter aus, auf de­nen ich so­wohl ei­ge­ne als auch ei­ni­ge, meist aus den rus­si­schen Schach­bü­chern ge­sam­mel­te, Auf­ga­ben habe. Die Idee für das ei­ge­ne Heft war ge­bo­ren: die Schach­re­geln wer­den ge­reimt, es kom­men mehr Auf­ga­ben rein und das Wich­tigs­te: mei­ne Frau Ele­na ist zum Glück eine di­plo­mier­te Gra­fik-De­si­gne­rin, sie kann das Gan­ze illustrieren. …
Auch wenn ich mich bei vie­len Mo­ti­ven aus der Sicht der Schach­theo­rie ge­gen das künst­le­ri­sche Ele­ment mei­ner Frau durch­ge­setzt habe, sind wir mit der Zeit zu ei­nem gu­ten Team zu­sam­men­ge­wach­sen. Und für man­che The­men ha­ben un­se­re Toch­ter und ich so­gar kurz Mo­dell ste­hen sol­len, da­mit mei­ne Frau ein Foto ma­chen kann, um die ent­spre­chen­de Pose oder Be­we­gung bes­ser aufs Pa­pier zu brin­gen. Ele­na will im­mer al­les gründ­lich und per­fekt ma­chen. So nahm uns die Il­lus­tra­ti­on für län­ge­re Zeit in An­spruch und dau­er­te ca. 2 Jah­re. Die Bil­der sind, mei­ner Mei­nung nach, auch be­ein­dru­ckend ge­wor­den. (An­mer­kung des Re­zen­sen­ten: Vol­le Zustimmung!)
„Schach­lich“ ge­se­hen kann man für die An­fän­ger we­nig neu­es er­fin­den. Wir ha­ben ver­sucht, die An­zahl der Übun­gen zu er­hö­hen: teil­wei­se durch das Auf­tei­len der Dia­gram­me in 2 bzw. 4 Auf­ga­ben, teil­wei­se durch mehr Auf­ga­ben-Sei­ten und ei­ni­ge Spass-Übun­gen, wie Kreuz­wort­rät­sel, La­by­rin­the und „Ma­len nach Zah­len“. So kom­men wir mit mehr als 300 Auf­ga­ben auf das Dop­pel­te vom „Bra­cke­l­er Bau­ern­di­plom“. Mein Va­ter hat hier auch mass­geb­lich mit­ge­ar­bei­tet und vie­le Auf­ga­ben, ähn­lich de­nen aus dem Bra­cke­l­er Heft, ent­wi­ckelt. Ei­ni­ge wur­den von mei­nen frü­he­ren Übungs­blät­tern übernommen.
Die Struk­tur ist ähn­lich ge­blie­ben, nur fan­gen wir nach der „Lel­lin­ger-Leh­re“ mit der schwie­rigs­ten und in­ter­es­san­tes­ten Fi­gur, dem Sprin­ger an und fas­sen die Bau­ern-The­men Gang­art, Um­wand­lung, En pas­sant nach­ein­an­der zu­sam­men. Wie schon beim Bra­cke­l­er Lehr­gang, gibt es ei­nen Test­bo­gen und eine Ur­kun­de. Am Ende ha­ben wir ex­tra eine lee­re Heft­sei­te für die Kin­der, die ein Schach­mo­tiv ma­len möch­ten, reserviert.

GM: Der vor­lie­gen­de An­fän­ger­lehr­gang soll zum “Bau­ern­di­plom” füh­ren. Den Be­griff kennt man aus der Dort­mun­der Schach­schu­le. Gibt es da eine Ver­bin­dung. Wol­len Sie den Na­men bei­be­hal­ten und das Ri­si­ko ei­ner Ver­wechs­lung eingehen?

AF: Ich nut­ze selbst oft den Bra­cke­l­er Lehr­gang und fin­de den Be­griff sehr an­spre­chend. Ich woll­te be­wusst nichts an­de­res neh­men und habe so­gar ver­sucht her­aus­zu­fin­den, ob der Name ge­schützt ist. Es sieht aber nicht so aus und es gibt  durch­aus wei­te­re ge­nau so ge­nann­te Lehr­gän­ge, auch vom DSB.
Da es für An­fän­ger im­mer die glei­chen The­men und Zie­le sind, näm­lich, die Grund­re­geln zu er­ler­nen, sehe ich so­gar ei­nen Vor­teil dar­in, dass die Hef­te so heis­sen. Man er­kennt schnell, wo­für sie sind und je­der Schach­leh­rer kann pro­blem­los so­fort los­le­gen. Der Be­griff soll­te für die Schach-Kin­der all­ge­mein gel­tend ge­macht wer­den, wie z. B. das See­pferd­chen-Ab­zei­chen fürs Schwimmen.
An­mer­kung des Re­zen­sen­ten: Eine sehr gute Idee! Die­ser Ge­dan­ke soll­te un­be­dingt wei­ter ver­folgt wer­den. Da­mit kön­nen sich die „Fi­gu­ren­di­plo­me“ als ver­gleich­ba­re Leis­tungs-nach­wei­se so­zu­sa­gen für die Vor-DWZ-Stu­fe etablieren.

GF: Wie geht es nach dem An­fän­ger­lehr­gang wei­ter? Ich könn­te mir in ähn­lich an­spre­chen­der Ge­stal­tung auch Ar­beits­hef­te zu an­de­ren The­men vor­stel­len. Die Kids brau­chen das ja, um wei­ter vor­an zu kommen.

AF: Es gibt na­tür­lich Plä­ne für die Fort­set­zung. Vor al­lem möch­te ich noch in die­ser Form die ele­men­ta­ren Tak­tik-Mo­ti­ve dar­stel­len. (An­mer­kung des Re­zen­sen­ten: Die Fort­füh­rung mit ei­nem Ar­beits­heft der wich­tigs­ten Tak­tik-Mo­ti­ve ist fol­ge­rich­tig. Wenn ich mir et­was wün­schen darf, dann bit­te auch ein Heft für die auf die­sem Spiel­ni­veau wich­ti­gen Endspielthemen.)
Spä­tes­tens dann hof­fe ich et­was ge­macht zu ha­ben, um die In­ter­es­se der Kin­der von den Ta­blets, Spiel­kon­so­len, Fern­se­her und Han­dys für die kur­ze Zeit ab­zu­wen­den und sie in un­se­re sonst schwarz-weis­se und meist sta­ti­sche Schach­welt zu locken.♦

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Cy­rus Lak­da­wa­la: Win­ning Ugly Chess

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