Interview mit dem Schach-Autor Jonathan Carlstedt

Jonathan Carlstedt: “Die kleine Schachschule”

von Tho­mas Binder

Der junge Ham­bur­ger Bun­des­liga-Spie­ler Jona­than Carl­stedt gehört seit kur­zer Zeit zu den Expo­nen­ten der Deut­schen Schach­szene. Neben dem eige­nen Spiel arbei­tet er als Geschäfts­füh­rer der Schach­schule Ham­burg, schreibt als Jour­na­list und Online-Autor für ver­schie­dene Medien und hat seit 2010 bereits meh­rere Bücher vor­ge­legt. Dabei wen­det er sich an die ganze Breite des Schach­pu­bli­kums. Sind die Eröff­nungs­bü­cher sicher dem Exper­ten vor­be­hal­ten, gal­ten die bei­den Werke unter dem Ober­ti­tel “Die grosse Schach­schule” dem enga­gier­ten Tur­nier- und Ver­eins­spie­ler. Mit der “Klei­nen Schach­schule” wird das Spek­trum der Ziel­grup­pen nun gewis­ser­mas­sen “nach unten” abge­run­det, ver­kün­det doch schon die Titel­seite “Per­fekt für Anfänger!”

Jonathan Carlstedt: Die kleine Schachschule - Regeln, Strategien und Spielzüge verständlich erklärt - Humboldt VerlagCarl­stedts Werk reiht sich in die Tra­di­tion klas­si­scher Schach-Lehr­bü­cher für “Jeder­mann”, wie sie seit mehr als 100 Jah­ren einen Urtyp der Schach­li­te­ra­tur dar­stel­len. Kann man die­ses Genre noch mit neuen Ideen bereichern?

Von den Anfänger-Regeln bis zu den Endspielen

Bli­cken wir zunächst auf die grobe Glie­de­rung des Wer­kes: Wir haben vier wesent­li­che Abschnitte vor uns:
– Die Grund­be­griffe und Regeln des Schach­spiels wer­den auf ca. 40 Sei­ten erklärt
– Es fol­gen knapp 70 Sei­ten über Eröffnungen
– Das Mit­tel­spiel wird auf ca. 60 Sei­ten abgehandelt
– Mit gut 40 Sei­ten ist das End­spiel­ka­pi­tel eher knapp bemessen
– Den Abschluss des Buches bil­det ein kur­zer Essay “Die Welt der Schach­szene”, (dem der Rezen­sent gerne etwas mehr Umfang und Tief­gang gewünscht hätte).

Die Grundlagen des Schachs eingehend erklärt in der "Kleinen Schachschule" von Jonathan Carlstedt
Die Grund­la­gen des Schachs ein­ge­hend erklärt in der “Klei­nen Schach­schule” von Jona­than Carlstedt

Das ein­füh­rende Kapi­tel ver­mit­telt das regel­tech­ni­sche Rüst­zeug jeder Schach­par­tie, lei­der noch nicht auf dem Stand der 2014 geän­der­ten FIDE-Regeln (bei Stel­lungs­wie­der­ho­lung und 50-Züge-Regel).
In den fol­gen­den Haupt­ka­pi­teln hat es sich Carl­stedt zur Auf­gabe gemacht, dem “Anfän­ger” deut­lich mehr zu ver­mit­teln, als es ver­gleich­bare Bücher tun.  Exem­pla­risch dafür ist das Eröff­nungs­ka­pi­tel. Nach Ver­mitt­lung der Grund­stra­te­gien (Figu­ren­ent­wick­lung, Königs­si­cher­heit) führt der Autor den Leser in einige wich­tige Eröff­nungs­sys­teme ein. Dabei fin­det Jona­than Carl­stedt das für einen Spie­ler auf Anfän­ger-Niveau pas­sende Mass zum Ver­ständ­nis der vor­ge­stell­ten Eröff­nun­gen. Bei jedem Zug wird dar­ge­stellt, inwie­fern er sei­nen Bei­trag zu den Grund­zie­len des Eröff­nungs­spiels leis­tet. Strei­ten könnte man allen­falls über das Men­gen­ver­hält­nis (acht Sei­ten Königs­gam­bit vs. fünf Sei­ten Sizi­lia­nisch) und über die Aus­wahl der Sys­teme. So feh­len etwa mit der Pirc-Ver­tei­di­gung oder Rus­sisch auch Eröff­nun­gen, die einem Anfän­ger sehr wahr­schein­lich recht bald begeg­nen werden.
Als ein Juwel unter vie­len möchte ich her­vor­he­ben, wie der Autor die “fried liver attack” des Zwei­sprin­ger­spiels (frei­lich ohne sie beim Namen zu nen­nen) behan­delt. Ich selbst habe schon viele Schach-Ele­ven ob der dop­pel­ten Bedro­hung des Punk­tes f7 regel­recht ver­zwei­feln sehen. Schade nur, dass in die­sem Buch der betref­fende Text im Abschnitt “Ita­lie­ni­sche Par­tie” ver­steckt ist.

Taktische Manöver und stragegische Motive

Jonathan Carlstedt - Schach-Autor - Glarean Magazin
Jona­than Carl­stedt (geb. 1990)

Unter dem Ober­be­griff “Mit­tel­spiel” führt Carl­stedt in die wich­tigs­ten tak­ti­schen Manö­ver und stra­te­gi­schen Motive ein. Der Leser lernt Fes­se­lun­gen, Gabeln, Spiesse, Abzüge ebenso ken­nen wie grund­le­gen­des Wis­sen über Bau­ern­struk­tu­ren und -schwä­chen. Auch die Eigen­hei­ten der ein­zel­nen Figu­ren und die Kon­se­quen­zen für ihren opti­ma­len Ein­satz wer­den bespro­chen. Ein (zu) kur­zer Abschnitt über den Königs­an­griff beschliesst das Mittelspiel-Kapitel.
Bei den End­spie­len wid­met Carl­stedt den ver­schie­de­nen Aspek­ten der Bau­ern­um­wand­lung (Oppo­si­tion, Rand­bauer, Qua­drat­re­gel) brei­ten Raum. Es fol­gen einige wich­tige Stel­lun­gen zum End­spiel “Turm&Bauer gegen Turm”. Das ist sicher eines der anspruchs­volls­ten Kapi­tel des Buches, und Jona­than Carl­stedt prä­sen­tiert es so gekonnt, dass auch der “Anfän­ger” jeder­zeit fol­gen kann. Über­ra­schend: Erst danach geht er auf die ele­men­ta­ren Matts mit den Schwer­fi­gu­ren ein. Ins­ge­samt hätte man dem End­spiel-Kapi­tel sogar etwas mehr Umfang gewünscht. Da blei­ben einige The­men offen, die man auch der Ziel­gruppe die­ses Buches zumu­ten kann. Ande­rer­seits wäre selbst ein Anfän­ger-Lehr­buch der Schach-End­spiele gut und gerne so stark wie die ganze vor­lie­gende “Kleine Schach­lehre” – so bie­tet sich das viel­leicht für ein Nach­fol­ge­pro­jekt an.

Das Buch im hand­li­chen Taschen­buch­for­mat ist auf hoch­wer­ti­gem Papier pro­du­ziert und sorg­fäl­tig redi­giert. Der Sprach­stil des jun­gen Autors macht Freude, seine bereits enorme Erfah­rung als Trai­ner ist auf jeder Seite zu verspüren.
Circa 200 Stel­lungs­bil­der unter­stüt­zen in per­fek­ter Weise das Ver­ständ­nis. Diese Dia­gramme wur­den offen­bar mit Chess­base-Soft­ware erstellt. Dabei nutzt Carl­stedt die Mög­lich­keit der Ver­deut­li­chung von Ideen und Plä­nen mit far­bi­gen Pfei­len und Feld­mar­kie­run­gen. Aller­dings geht die visu­elle Aus­sa­ge­kraft die­ses Gestal­tungs­mit­tels beim Schwarz-Weiss-Druck fast völ­lig ver­lo­ren und in eini­gen Fäl­len ist die Erkenn­bar­keit gerade dadurch sogar eingeschränkt.

Für Einsteiger aller Altersklassen

Jonathan Carlstedt legt ein modernes
Jona­than Carl­stedt legt ein moder­nes “Anfän­ger-Lehr­buch” vor. Anspre­chende Gestal­tung und fri­scher Schreib­stil tra­gen zum Erfolg des Wer­kes bei.

Bleibt die Frage, an wel­che Ziel­gruppe sich das Buch rich­tet. Carl­stedt ist inso­fern kon­se­quent, dass er keine spe­zi­elle Ziel­gruppe anspricht. Ins­be­son­dere feh­len jeg­li­che spie­le­ri­schen Ele­mente, wie man sie aus Kin­der-Schach-Lehr­bü­chern kennt. Die Anspra­che des Lesers ori­en­tiert sich am erwach­se­nen, allen­falls jugend­li­chen Schach­schü­ler. So ist die Ziel­gruppe wohl nicht an Alters­grup­pen fest­zu­ma­chen, son­dern am Ein­stei­ger, der sich auf das anstren­gende aber wun­der­bare Aben­teuer ein­las­sen will, das Schach­spiel “von der Pike auf” zu erler­nen. Wer das vor­lie­gende Buch kon­zen­triert durch­ar­bei­tet und das Gelernte umsetzt, wird schon nach weni­gen eige­nen Par­tien die ers­ten Früchte der Arbeit ernten.
Carl­stedt schreibt im Vor­wort: “Bücher schrei­ben macht Spass”. Wenn der Leser die­sen Spass des Autors nach­emp­fin­det, ist das Werk gelun­gen. Ich habe ihn nachempfunden! ♦

Jona­than Carl­stedt: Die kleine Schach­schule – Regeln, Stra­te­gien und Spiel­züge ver­ständ­lich erklärt, Hum­boldt Ver­lag, 224 Sei­ten, ISBN 978-3-86910-209-2

Lesen Sie im Glarean Maga­zin zum Thema “Schach für Anfän­ger” auch über Claire Sum­mers­cale: Schach – So wirst du zum Profi


Interview mit dem Schach-Autor Jonathan Carlstedt

Der Schach-Sport ist – richtig verpackt – sehr kommunikativ”

Glarean Maga­zin: Herr Carl­stedt, stel­len Sie sich zunächst unse­rer Leser­schaft kurz vor?

Jona­than Carl­stedt: Ich bin 24 Jahre alt. Nach­dem ich 2010 mein Abitur in Ham­burg gemacht habe, begann ich selbst­stän­dig als Schach­spie­ler/-Trai­ner/-Autor/-Jour­na­list zu arbei­ten. Inzwi­schen bin ich Inter­na­tio­na­ler Meis­ter, trai­niere ca. 25 Schü­ler, schreibe für den Deut­schen Schach­bund, bin Geschäfts­füh­rer des Ham­bur­ger Schach­klubs und der Schach­schule Ham­burg, Orga­ni­sa­tor des VMCG-Schach­fes­ti­vals und sel­ber als Spie­ler auf diver­sen Tur­nie­ren und in der ers­ten Bun­des­liga aktiv. Aus­ser­dem ver­fasse ich regel­mäs­sig Schach­bü­cher und -Artikel.

GM: Was läuft in Deutsch­land bei der öffent­li­chen Dar­stel­lung des Schachs als Wett­kampf­sport falsch? Was kann/muss man bes­ser machen um das Image des Schach­s­ports aufzupolieren?

JC: Ver­mut­lich muss man hier dif­fe­ren­zie­ren. Wir haben zum einen die exter­nen Umstände, bis zu einem gewis­sen Punkt passt Schach nicht in unsere Zeit. Schach ist ein stil­ler Sport, in dem nicht der­je­nige recht hat, der am lau­tes­ten schreit, son­dern der­je­nige, der die bes­ten schach­li­chen Argu­mente hat. Meine sehr und ganz per­sön­li­che Mei­nung ist, dass die­ser Ansatz in unser Gesell­schaft, die Kraft des Argu­ments über der Kraft der Laut­stärke, immer weni­ger eine Rolle spielt und Schach als des­sen Ver­tre­ter gerin­gere Chan­cen als andere Sport­ar­ten hat, akzep­tiert zu werden.
Gerade bin ich in Dres­den, hier spie­len 10 der stärks­ten Frauen des Lan­des ein Tur­nier mit einem Preis­fond von 10’000 Euro in äus­serst pro­fes­sio­nel­ler Atmo­sphäre. Nun ist die Frage: Wie kön­nen wir das Inter­esse der Medien und damit der Öffent­lich­keit gewin­nen. Anschei­nend ist es mög­lich, das für einen Schach-WM-Kampf zu schaf­fen. “SPIEGEL Online” und “Zeit online” berich­ten aus­führ­lich mit gross­ar­ti­ger Bericht­erstat­tung. Um eine regel­mäs­sige Dar­stel­lung wie andere “Mainstream”-Sportarten zu errei­chen, müs­sen wir in gemein­sa­mer und vor allem koor­di­nier­ter (etwas was gele­gent­lich fehlt) Anstren­gung ver­su­chen, ein Grund­ver­ständ­nis für unser Spiel bei der brei­ten Masse zu erzeu­gen. Dann haben wir die Chance, auch in der öffent­li­chen Wahr­neh­mung häu­fi­ger eine Rolle zu spielen.
Aber was ist das Image des Schach­s­port? Freaks ohne Anschluss? Sport­art für Super-Intel­li­gente? Schul-AG für Aus­sen­sei­ter? Wenn dem so ist, dann müs­sen wir etwas tun! Das geht nicht von heute auf mor­gen, denn die Dis­kus­sion wurde in der Schach­szene bis­her nicht geführt, ob wir nicht gut daran tun, eine Rand­sport­art zu sein. Meine Mei­nung dazu ist klar: Unser Sport ist inter­es­sant, rich­tig ver­packt sehr kom­mu­ni­ka­tiv, und wenn Sie sich heute die Top­spie­ler anschauen, haben wir intel­li­gente, durch­trai­nierte Leis­tungs­sport­ler, die sich ver­kau­fen kön­nen. Mit hoch­wer­ti­ger und bestän­di­ger Öffent­lich­keits­ar­beit kön­nen wir ins Bewusst­sein der Bevöl­ke­rung tre­ten. Kon­kret und kurz­fris­tig müs­sen wir freund­li­cher zu Ein­stei­gern wer­den, denn in den Ver­ei­nen ist das Bild in der Tat teil­weise schmud­de­lig. Auch wenn ich ver­mut­lich einige böse Mails bekom­men werde, müs­sen fri­sche Kla­mot­ten, Deo, gepfleg­tes Auf­tre­ten und Genuss von Alko­hol nur zur spä­ten Stunde unge­schrie­be­nes Gesetz im Ver­ein werden.
Zusam­men­fas­send also: Wir sind unse­res Glü­ckes Schmied, kon­stante Öffent­lich­keits­ar­beit, die bereits geleis­tet wird, zusam­men mit einem gemein­sa­men Bewusst­sein für deren Wich­tig­keit sind die bei­den Eck­pfei­ler uns in der brei­ten Öffent­lich­keit zu etablieren.

GM: Sie sind Geschäfts­füh­rer der Schach­schule Ham­burg. Sie haben jetzt Gele­gen­heit ein wenig Wer­bung für die­ses Pro­jekt zu machen 🙂

JC: Die Schach­schule Ham­burg bie­tet Schach­in­ter­es­sier­ten jeden Alters und jeder Spiel­stärke vom Anfän­ger bis zum Bun­des­li­ga­spie­ler “offline”-Trainingsmöglichkeiten (wie man das glaube ich neu­deutsch nennt) an. Dabei ver­su­chen wir uns nach den Bedürf­nis­sen und Wün­schen der jewei­li­gen Inter­es­sen­ten zu rich­ten und haben unser Trai­nings­an­ge­bot ent­spre­chend breit auf­ge­stellt. Jeder der also irgend­wie an Schach inter­es­siert ist, ist bei uns genau richtig! 🙂

GM: Pro­fes­sio­nelle Schach­schu­len mit kom­mer­zi­el­ler Aus­rich­tung schei­nen sich in Deutsch­land wach­sen­der Beliebt­heit zu erfreuen. Wie schät­zen Sie auf lange Sicht den Markt für sol­che Pro­jekte ein? Wie sehen Sie diese Schu­len im Span­nungs­feld der “klas­si­schen” Aus­bil­dungs­wege jun­ger Schach­spie­ler wie Schul­schach-AGs, Schach­ver­eine und ggf. das Trai­ning der Ver­band­s­ka­der  und schliess­lich den vie­len neuen Spiel- und Trai­nings­an­sät­zen im Internet?

JC: Die Schach­schule Ham­burg ist aus dem Ham­bur­ger Schach­klub, dem gröss­ten Schach­ver­ein Deutsch­lands, ent­stan­den und ein Teil die­ses Schach­klubs. Zwar ver­ste­hen wir uns als Unter­neh­men, müs­sen und wol­len aber auch den Ideen eines gemein­nüt­zi­gen Ver­eins wie dem Ham­bur­ger Schach­klub genügen.
Der Markt für Schach­schu­len ist aus mei­ner Sicht sehr gross. Wir haben in Deutsch­land 90’000 ein­ge­tra­gene Schach­spie­ler, davon alleine kön­nen Schach­schu­len nicht leben. Die Zahl der­je­ni­gen, die im Kin­des­al­ter oder wann auch immer die Grund­re­geln ken­nen­ge­lernt haben und grund­sätz­lich Inter­esse am Schach­spiel bzw. -sport haben, ist ungleich grös­ser. Wenn sich die “Schach­szene” wei­ter­hin die­sen Umstand bewusst macht, ist der Markt noch lange nicht gesät­tigt. Übri­gens eine Ten­denz, die ich aus mei­ner selbst­stän­di­gen Arbeit als Trai­ner unter­mau­ern kann. Allein in den ver­gan­ge­nen zwei Mona­ten musste ich sie­ben Anfra­gen von Schü­lern ableh­nen, da ich keine Zeit­ka­pa­zi­tä­ten mehr habe.
Für uns ist Schach­schule und Schul­schach kein Span­nungs­feld, son­dern die Grund­lage für unsere Exis­tenz. Unheim­lich viele enga­gierte Trai­ner leis­ten an Schu­len ehren­amt­li­che Arbeit, die die Basis dafür ist, dass Men­schen wie ich und Insti­tu­tio­nen wie die Schach­schule wirt­schaft­lich arbei­ten kön­nen. Ohne den Unter­bau der dort geschaf­fen wird, kann es wei­ter in der Spitze bzw. für die Spitze keine Zukunft geben.
Auch das Inter­net ist, denke ich, för­der­lich für den Schach­s­port. Auf jeden Fall müs­sen wir uns nicht davor fürch­ten. Jene die ohne­hin lie­ber in ihren eigen vier Wän­den blei­ben, haben das auch schon vor dem Auf­kom­men des Inter­nets getan. Der Vor­teil des Inter­nets, aus Schach­spie­ler-Sicht, ist, dass man schnel­ler und unkom­pli­zier­ter mit dem Schach­s­port in Berüh­rung kommt. Unsere Auf­gabe ist es, all jenen, die über das Inter­net zum Schach­s­port gekom­men sind, Ange­bote zu unter­brei­ten, in den Ver­ein zu kom­men. Denn seien wir ehr­lich: Bei einem Bier­chen oder für Kin­der und Jugend­li­che einer Cola in der rea­len Welt eine Par­tie Schach zu spie­len, ent­spricht deut­lich eher den mensch­li­chen Bedürf­nis­sen, als im eige­nen Käm­mer­lein gegen anonyme Geg­ner zu spie­len. Und auch wenn es einige nicht glau­ben, die meis­ten Schach­spie­ler sind sogar extrem in Ordnung.

GM:  Sie bie­ten auch Anfän­ger-Kurse für Erwach­sene und Kurse für Senio­ren an. Wie wer­den diese Ange­bote angenommen?

JC: Im Grund­satz sind wir mit dem Zuwachs an Inter­es­sen­ten zufrie­den. Trotz­dem muss man einen Unter­schied machen zwi­schen Erwach­se­nen, die im Berufs­le­ben ste­hen und Senio­ren. So lau­fen die Senio­ren­kurse, die wir wöchent­lich bei­spiels­weise von 10 bis 12 Uhr anbie­ten, her­vor­ra­gend. Berufs­tä­tige nach der Arbeit noch von 19 bis 21 Uhr für ein Schach­trai­ning zu begeis­tern ist, wenn auch nicht unmög­lich, doch schwie­rig. Des­halb gehen wir hier einen zwei­ten Weg: Wir bie­ten soge­nannte Kom­pakt­kurse an, Kurse also, die an einem Sams­tag gehal­ten wer­den und wei­sen aus­drück­lich dar­auf hin, dass diese Kurse sehr gut geeig­net sind, damit man sei­nen Part­ner mit­nimmt, um anschlies­send gut gerüs­tet zu sein bei einem abend­li­chen Glas Rot­wein auf dem Bal­kon eine Par­tie Schach zu spie­len. Es ist nicht unser Ziel, jeden zu einem Gross­meis­ter zu machen.
Die­ses Ange­bot wol­len wir aus­bauen, mit Eltern/Kind-Kur­sen und Trai­nings, die nicht bei uns, son­dern in den Schu­len vor Ort statt­fin­den. Wir haben hier noch einen wei­ten Weg zu gehen, sind aber über­zeugt, dass dies der Rich­tige ist.

GM: Zu Ihrem neu­es­ten Buch, der “Klei­nen Schach­schule”. Zunächst war ich etwas ver­wirrt, nach zwei Büchern unter dem Label “Grosse Schach­schule” jetzt auf die “Kleine Schach­schule” zu tref­fen. Kön­nen Sie uns Ihre bis­he­ri­gen Buch­pro­jekte vor­stel­len und einen Blick auf die nächs­ten Pläne werfen?

JC: Da muss ich etwas wei­ter aus­ho­len, aber da ich bis­her schon ellen­lang geant­wor­tet habe, mögen mir die Leser das verzeihen 🙂
Mein ers­tes Buch schrieb ich im zar­ten Alter von 19 Jah­ren, zeit­gleich zur Lern­phase mei­nes Abiturs. “Die Eng­li­sche Eröff­nung” war der Titel und behan­delt eine Schacher­öff­nung, die ich seit ich den­ken kann, spiele. Im Anschluss folgte “Die grosse Schach­schule” Damals hatte ich eine Schach­schule in Lüne­burg und ich habe grosse Teile des Lehr­plans mei­ner Schach­schule in die­ses Buch inte­griert, es folgte ein wei­te­res Eröff­nungs­buch “Die Tar­rasch-Ver­tei­di­gung”, ein Buch das aus mei­ner Sicht für die “Ein­ge­weih­ten” eine Menge inter­es­sante neue Ideen beinhal­tet. Anschlies­send schrieb ich “Die grosse Schach­schule: Aus den Feh­lern der Gross­meis­ter ler­nen”. Hier habe ich 25 Par­tien ana­ly­siert, an vie­len war ich sel­ber betei­ligt, wo eine Seite, ver­tre­ten durch einen Pro­fi­spie­ler, einen schwe­ren Feh­ler begeht. Mein Ver­such war es, und ich hoffe er ist mir gelun­gen, die­sen Feh­lern auf den Grund zu gehen und “en pas­sant” weni­ger erfah­re­nen Schach­freun­den einen Ein­blick in die Schach­szene zu geben.
Zu guter Letzt also “Die kleine Schach­schule”, auf die ich eben­falls sehr stolz bin. Einer­seits ist sie inhalt­lich aus mei­ner Sicht gut gewor­den, aus­ser­dem hat mal wie­der der Ver­lag her­vor­ra­gende Arbeit geleis­tet, was Lay­out etc. angeht.
Zukünf­tige Pro­jekte… Mein Plan war eigent­lich weni­ger zu arbei­ten 🙂 Der­zeit gibt es einige Ange­bote Bücher zu schrei­ben. Meine Idee ist aller­dings, ein­fach eins zu schrei­ben, ohne dass jemand davon weiss und es dann einem Ver­lag anzu­dre­hen. Ich habe immer noch die sehr roman­ti­sche Vor­stel­lung mich ein­mal in ein Haus auf einer fer­nen Insel ein­zu­schlies­sen, dort zwei Monate an einem Buch zu schrei­ben, ohne von aus­sen gestört zu wer­den. Viel­leicht ken­nen Sie ja einen Ver­lag mit einem Haus auf einer kari­bi­schen Insel? 😉

GM: Die “Kleine Schach­schule” ist vom Typ her sicher mit klas­si­schen Schach­lehr­bü­chern zu ver­glei­chen. Schach-Ein­füh­run­gen für Anfän­ger gibt es seit mehr als 100 Jah­ren. Sie erklä­ren ele­men­tar die Regeln und geben kurze Abrisse zu Tak­tik-Moti­ven, stra­te­gi­schen Prin­zi­pien, zur Eröff­nungs­theo­rie und End­spiel­lehre. Wel­che neuen Ideen haben Sie für die­sen Lehr­buch-Typ eingebracht?

JC: In der “Klei­nen Schach­schule” geht es darum, kurz und bün­dig Inter­es­sen­ten am Schach unser Spiel näher zu brin­gen und ohne gros­ses Hin und Her die Grund­la­gen zu bie­ten, um ein­fach mal eine Par­tie Schach zu spielen.
Meine neue Idee in dem Buch ist, frü­her auf grund­le­gende Stra­te­gien in den 3 Pha­sen Eröff­nung Mit­tel­spiel, End­spiel ein­zu­ge­hen. Meine Erfah­rung aus den vie­len Trai­nings und Lehr­gän­gen mit Anfän­gern ist, dass man die Leute durch­aus for­dern kann und das Inter­esse am Schach auch und vor allem in den Stra­te­gien begrün­det ist. ♦

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Rudolf Tesch­ner: Schach in 40 Stunden

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