Interview mit dem Schach-Autor Jonathan Carlstedt

Jonathan Carlstedt: “Die kleine Schachschule”

von Tho­mas Binder

Der jun­ge Ham­bur­ger Bun­des­li­ga-Spie­ler Jo­na­than Carl­stedt ge­hört seit kur­zer Zeit zu den Ex­po­nen­ten der Deut­schen Schach­sze­ne. Ne­ben dem ei­ge­nen Spiel ar­bei­tet er als Ge­schäfts­füh­rer der Schach­schu­le Ham­burg, schreibt als Jour­na­list und On­line-Au­tor für ver­schie­de­ne Me­di­en und hat seit 2010 be­reits meh­re­re Bü­cher vor­ge­legt. Da­bei wen­det er sich an die gan­ze Brei­te des Schach­pu­bli­kums. Sind die Er­öff­nungs­bü­cher si­cher dem Ex­per­ten vor­be­hal­ten, gal­ten die bei­den Wer­ke un­ter dem Ober­ti­tel “Die gros­se Schach­schu­le” dem en­ga­gier­ten Tur­nier- und Ver­eins­spie­ler. Mit der “Klei­nen Schach­schu­le” wird das Spek­trum der Ziel­grup­pen nun ge­wis­ser­mas­sen “nach un­ten” ab­ge­run­det, ver­kün­det doch schon die Ti­tel­sei­te “Per­fekt für Anfänger!”

Carl­stedts Werk reiht sich in die Tra­di­ti­on klas­si­scher Schach-Lehr­bü­cher für “Je­der­mann”, wie sie seit mehr als 100 Jah­ren ei­nen Ur­typ der Schach­li­te­ra­tur dar­stel­len. Kann man die­ses Gen­re noch mit neu­en Ideen bereichern?

Von den Anfänger-Regeln bis zu den Endspielen

Jonathan Carlstedt: Die kleine Schachschule - Regeln, Strategien und Spielzüge verständlich erklärt - Humboldt VerlagBli­cken wir zu­nächst auf die gro­be Glie­de­rung des Wer­kes: Wir ha­ben vier we­sent­li­che Ab­schnit­te vor uns:
– Die Grund­be­grif­fe und Re­geln des Schach­spiels wer­den auf ca. 40 Sei­ten erklärt
– Es fol­gen knapp 70 Sei­ten über Eröffnungen
– Das Mit­tel­spiel wird auf ca. 60 Sei­ten abgehandelt
– Mit gut 40 Sei­ten ist das End­spiel­ka­pi­tel eher knapp bemessen
– Den Ab­schluss des Bu­ches bil­det ein kur­zer Es­say “Die Welt der Schach­sze­ne”, (dem der Re­zen­sent ger­ne et­was mehr Um­fang und Tief­gang ge­wünscht hätte).

Die Grundlagen des Schachs eingehend erklärt in der "Kleinen Schachschule" von Jonathan Carlstedt
Die Grund­la­gen des Schachs ein­ge­hend er­klärt in der “Klei­nen Schach­schu­le” von Jo­na­than Carlstedt

Das ein­füh­ren­de Ka­pi­tel ver­mit­telt das re­gel­tech­ni­sche Rüst­zeug je­der Schach­par­tie, lei­der noch nicht auf dem Stand der 2014 ge­än­der­ten FIDE-Re­geln (bei Stel­lungs­wie­der­ho­lung und 50-Züge-Regel).
In den fol­gen­den Haupt­ka­pi­teln hat es sich Carl­stedt zur Auf­ga­be ge­macht, dem “An­fän­ger” deut­lich mehr zu ver­mit­teln, als es ver­gleich­ba­re Bü­cher tun.  Ex­em­pla­risch da­für ist das Er­öff­nungs­ka­pi­tel. Nach Ver­mitt­lung der Grund­stra­te­gien (Fi­gu­ren­ent­wick­lung, Kö­nigs­si­cher­heit) führt der Au­tor den Le­ser in ei­ni­ge wich­ti­ge Er­öff­nungs­sys­te­me ein. Da­bei fin­det Jo­na­than Carl­stedt das für ei­nen Spie­ler auf An­fän­ger-Ni­veau pas­sen­de Mass zum Ver­ständ­nis der vor­ge­stell­ten Er­öff­nun­gen. Bei je­dem Zug wird dar­ge­stellt, in­wie­fern er sei­nen Bei­trag zu den Grund­zie­len des Er­öff­nungs­spiels leis­tet. Strei­ten könn­te man al­len­falls über das Men­gen­ver­hält­nis (acht Sei­ten Kö­nigs­gam­bit vs. fünf Sei­ten Si­zi­lia­nisch) und über die Aus­wahl der Sys­te­me. So feh­len etwa mit der Pirc-Ver­tei­di­gung oder Rus­sisch auch Er­öff­nun­gen, die ei­nem An­fän­ger sehr wahr­schein­lich recht bald be­geg­nen werden.
Als ein Ju­wel un­ter vie­len möch­te ich her­vor­he­ben, wie der Au­tor die “fried li­ver at­tack” des Zwei­sprin­ger­spiels (frei­lich ohne sie beim Na­men zu nen­nen) be­han­delt. Ich selbst habe schon vie­le Schach-Ele­ven ob der dop­pel­ten Be­dro­hung des Punk­tes f7 re­gel­recht ver­zwei­feln se­hen. Scha­de nur, dass in die­sem Buch der be­tref­fen­de Text im Ab­schnitt “Ita­lie­ni­sche Par­tie” ver­steckt ist.

Taktische Manöver und stragegische Motive

Jonathan Carlstedt - Schach-Autor - Glarean Magazin
Jo­na­than Carl­stedt (geb. 1990)

Un­ter dem Ober­be­griff “Mit­tel­spiel” führt Carl­stedt in die wich­tigs­ten tak­ti­schen Ma­nö­ver und stra­te­gi­schen Mo­ti­ve ein. Der Le­ser lernt Fes­se­lun­gen, Ga­beln, Spies­se, Ab­zü­ge eben­so ken­nen wie grund­le­gen­des Wis­sen über Bau­ern­struk­tu­ren und -schwä­chen. Auch die Ei­gen­hei­ten der ein­zel­nen Fi­gu­ren und die Kon­se­quen­zen für ih­ren op­ti­ma­len Ein­satz wer­den be­spro­chen. Ein (zu) kur­zer Ab­schnitt über den Kö­nigs­an­griff be­schliesst das Mittelspiel-Kapitel.
Bei den End­spie­len wid­met Carl­stedt den ver­schie­de­nen Aspek­ten der Bau­ern­um­wand­lung (Op­po­si­ti­on, Rand­bau­er, Qua­drat­re­gel) brei­ten Raum. Es fol­gen ei­ni­ge wich­ti­ge Stel­lun­gen zum End­spiel “Turm&Bauer ge­gen Turm”. Das ist si­cher ei­nes der an­spruchs­volls­ten Ka­pi­tel des Bu­ches, und Jo­na­than Carl­stedt prä­sen­tiert es so ge­konnt, dass auch der “An­fän­ger” je­der­zeit fol­gen kann. Über­ra­schend: Erst da­nach geht er auf die ele­men­ta­ren Matts mit den Schwer­fi­gu­ren ein. Ins­ge­samt hät­te man dem End­spiel-Ka­pi­tel so­gar et­was mehr Um­fang ge­wünscht. Da blei­ben ei­ni­ge The­men of­fen, die man auch der Ziel­grup­pe die­ses Bu­ches zu­mu­ten kann. An­de­rer­seits wäre selbst ein An­fän­ger-Lehr­buch der Schach-End­spie­le gut und ger­ne so stark wie die gan­ze vor­lie­gen­de “Klei­ne Schach­leh­re” – so bie­tet sich das viel­leicht für ein Nach­fol­ge­pro­jekt an.

Das Buch im hand­li­chen Ta­schen­buch­for­mat ist auf hoch­wer­ti­gem Pa­pier pro­du­ziert und sorg­fäl­tig re­di­giert. Der Sprach­stil des jun­gen Au­tors macht Freu­de, sei­ne be­reits enor­me Er­fah­rung als Trai­ner ist auf je­der Sei­te zu verspüren.
Cir­ca 200 Stel­lungs­bil­der un­ter­stüt­zen in per­fek­ter Wei­se das Ver­ständ­nis. Die­se Dia­gram­me wur­den of­fen­bar mit Ch­ess­ba­se-Soft­ware er­stellt. Da­bei nutzt Carl­stedt die Mög­lich­keit der Ver­deut­li­chung von Ideen und Plä­nen mit far­bi­gen Pfei­len und Feld­mar­kie­run­gen. Al­ler­dings geht die vi­su­el­le Aus­sa­ge­kraft die­ses Ge­stal­tungs­mit­tels beim Schwarz-Weiss-Druck fast völ­lig ver­lo­ren und in ei­ni­gen Fäl­len ist die Er­kenn­bar­keit ge­ra­de da­durch so­gar eingeschränkt.

Für Einsteiger aller Altersklassen

Jonathan Carlstedt legt ein modernes
Jo­na­than Carl­stedt legt ein mo­der­nes “An­fän­ger-Lehr­buch” vor. An­spre­chen­de Ge­stal­tung und fri­scher Schreib­stil tra­gen zum Er­folg des Wer­kes bei.

Bleibt die Fra­ge, an wel­che Ziel­grup­pe sich das Buch rich­tet. Carl­stedt ist in­so­fern kon­se­quent, dass er kei­ne spe­zi­el­le Ziel­grup­pe an­spricht. Ins­be­son­de­re feh­len jeg­li­che spie­le­ri­schen Ele­men­te, wie man sie aus Kin­der-Schach-Lehr­bü­chern kennt. Die An­spra­che des Le­sers ori­en­tiert sich am er­wach­se­nen, al­len­falls ju­gend­li­chen Schach­schü­ler. So ist die Ziel­grup­pe wohl nicht an Al­ters­grup­pen fest­zu­ma­chen, son­dern am Ein­stei­ger, der sich auf das an­stren­gen­de aber wun­der­ba­re Aben­teu­er ein­las­sen will, das Schach­spiel “von der Pike auf” zu er­ler­nen. Wer das vor­lie­gen­de Buch kon­zen­triert durch­ar­bei­tet und das Ge­lern­te um­setzt, wird schon nach we­ni­gen ei­ge­nen Par­tien die ers­ten Früch­te der Ar­beit ernten.
Carl­stedt schreibt im Vor­wort: “Bü­cher schrei­ben macht Spass”. Wenn der Le­ser die­sen Spass des Au­tors nach­emp­fin­det, ist das Werk ge­lun­gen. Ich habe ihn nachempfunden! ♦

Jo­na­than Carl­stedt: Die klei­ne Schach­schu­le – Re­geln, Stra­te­gien und Spiel­zü­ge ver­ständ­lich er­klärt, Hum­boldt Ver­lag, 224 Sei­ten, ISBN 978-3-86910-209-2

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma “Schach für An­fän­ger” auch über Clai­re Sum­mers­ca­le: Schach – So wirst du zum Profi


Interview mit dem Schach-Autor Jonathan Carlstedt

Der Schach-Sport ist – richtig verpackt – sehr kommunikativ”

Glarean Ma­ga­zin: Herr Carl­stedt, stel­len Sie sich zu­nächst un­se­rer Le­ser­schaft kurz vor?

Jo­na­than Carl­stedt: Ich bin 24 Jah­re alt. Nach­dem ich 2010 mein Ab­itur in Ham­burg ge­macht habe, be­gann ich selbst­stän­dig als Schach­spie­ler/-Trai­ner/-Au­tor/-Jour­na­list zu ar­bei­ten. In­zwi­schen bin ich In­ter­na­tio­na­ler Meis­ter, trai­nie­re ca. 25 Schü­ler, schrei­be für den Deut­schen Schach­bund, bin Ge­schäfts­füh­rer des Ham­bur­ger Schach­klubs und der Schach­schu­le Ham­burg, Or­ga­ni­sa­tor des VMCG-Schach­fes­ti­vals und sel­ber als Spie­ler auf di­ver­sen Tur­nie­ren und in der ers­ten Bun­des­li­ga ak­tiv. Aus­ser­dem ver­fas­se ich re­gel­mäs­sig Schach­bü­cher und -Artikel.

GM: Was läuft in Deutsch­land bei der öf­fent­li­chen Dar­stel­lung des Schachs als Wett­kampf­sport falsch? Was kann/muss man bes­ser ma­chen um das Image des Schach­s­ports aufzupolieren?

JC: Ver­mut­lich muss man hier dif­fe­ren­zie­ren. Wir ha­ben zum ei­nen die ex­ter­nen Um­stän­de, bis zu ei­nem ge­wis­sen Punkt passt Schach nicht in un­se­re Zeit. Schach ist ein stil­ler Sport, in dem nicht der­je­ni­ge recht hat, der am lau­tes­ten schreit, son­dern der­je­ni­ge, der die bes­ten schach­li­chen Ar­gu­men­te hat. Mei­ne sehr und ganz per­sön­li­che Mei­nung ist, dass die­ser An­satz in un­ser Ge­sell­schaft, die Kraft des Ar­gu­ments über der Kraft der Laut­stär­ke, im­mer we­ni­ger eine Rol­le spielt und Schach als des­sen Ver­tre­ter ge­rin­ge­re Chan­cen als an­de­re Sport­ar­ten hat, ak­zep­tiert zu werden.
Ge­ra­de bin ich in Dres­den, hier spie­len 10 der stärks­ten Frau­en des Lan­des ein Tur­nier mit ei­nem Preis­fond von 10’000 Euro in äus­serst pro­fes­sio­nel­ler At­mo­sphä­re. Nun ist die Fra­ge: Wie kön­nen wir das In­ter­es­se der Me­di­en und da­mit der Öf­fent­lich­keit ge­win­nen. An­schei­nend ist es mög­lich, das für ei­nen Schach-WM-Kampf zu schaf­fen. “SPIEGEL On­line” und “Zeit on­line” be­rich­ten aus­führ­lich mit gross­ar­ti­ger Be­richt­erstat­tung. Um eine re­gel­mäs­si­ge Dar­stel­lung wie an­de­re “Mainstream”-Sportarten zu er­rei­chen, müs­sen wir in ge­mein­sa­mer und vor al­lem ko­or­di­nier­ter (et­was was ge­le­gent­lich fehlt) An­stren­gung ver­su­chen, ein Grund­ver­ständ­nis für un­ser Spiel bei der brei­ten Mas­se zu er­zeu­gen. Dann ha­ben wir die Chan­ce, auch in der öf­fent­li­chen Wahr­neh­mung häu­fi­ger eine Rol­le zu spielen.
Aber was ist das Image des Schach­s­port? Freaks ohne An­schluss? Sport­art für Su­per-In­tel­li­gen­te? Schul-AG für Aus­sen­sei­ter? Wenn dem so ist, dann müs­sen wir et­was tun! Das geht nicht von heu­te auf mor­gen, denn die Dis­kus­si­on wur­de in der Schach­sze­ne bis­her nicht ge­führt, ob wir nicht gut dar­an tun, eine Rand­sport­art zu sein. Mei­ne Mei­nung dazu ist klar: Un­ser Sport ist in­ter­es­sant, rich­tig ver­packt sehr kom­mu­ni­ka­tiv, und wenn Sie sich heu­te die Top­spie­ler an­schau­en, ha­ben wir in­tel­li­gen­te, durch­trai­nier­te Leis­tungs­sport­ler, die sich ver­kau­fen kön­nen. Mit hoch­wer­ti­ger und be­stän­di­ger Öf­fent­lich­keits­ar­beit kön­nen wir ins Be­wusst­sein der Be­völ­ke­rung tre­ten. Kon­kret und kurz­fris­tig müs­sen wir freund­li­cher zu Ein­stei­gern wer­den, denn in den Ver­ei­nen ist das Bild in der Tat teil­wei­se schmud­de­lig. Auch wenn ich ver­mut­lich ei­ni­ge böse Mails be­kom­men wer­de, müs­sen fri­sche Kla­mot­ten, Deo, ge­pfleg­tes Auf­tre­ten und Ge­nuss von Al­ko­hol nur zur spä­ten Stun­de un­ge­schrie­be­nes Ge­setz im Ver­ein werden.
Zu­sam­men­fas­send also: Wir sind un­se­res Glü­ckes Schmied, kon­stan­te Öf­fent­lich­keits­ar­beit, die be­reits ge­leis­tet wird, zu­sam­men mit ei­nem ge­mein­sa­men Be­wusst­sein für de­ren Wich­tig­keit sind die bei­den Eck­pfei­ler uns in der brei­ten Öf­fent­lich­keit zu etablieren.

GM: Sie sind Ge­schäfts­füh­rer der Schach­schu­le Ham­burg. Sie ha­ben jetzt Ge­le­gen­heit ein we­nig Wer­bung für die­ses Pro­jekt zu machen 🙂

JC: Die Schach­schu­le Ham­burg bie­tet Schach­in­ter­es­sier­ten je­den Al­ters und je­der Spiel­stär­ke vom An­fän­ger bis zum Bun­des­li­ga­spie­ler “offline”-Trainingsmöglichkeiten (wie man das glau­be ich neu­deutsch nennt) an. Da­bei ver­su­chen wir uns nach den Be­dürf­nis­sen und Wün­schen der je­wei­li­gen In­ter­es­sen­ten zu rich­ten und ha­ben un­ser Trai­nings­an­ge­bot ent­spre­chend breit auf­ge­stellt. Je­der der also ir­gend­wie an Schach in­ter­es­siert ist, ist bei uns ge­nau richtig! 🙂

GM: Pro­fes­sio­nel­le Schach­schu­len mit kom­mer­zi­el­ler Aus­rich­tung schei­nen sich in Deutsch­land wach­sen­der Be­liebt­heit zu er­freu­en. Wie schät­zen Sie auf lan­ge Sicht den Markt für sol­che Pro­jek­te ein? Wie se­hen Sie die­se Schu­len im Span­nungs­feld der “klas­si­schen” Aus­bil­dungs­we­ge jun­ger Schach­spie­ler wie Schul­schach-AGs, Schach­ver­ei­ne und ggf. das Trai­ning der Ver­band­s­ka­der  und schliess­lich den vie­len neu­en Spiel- und Trai­nings­an­sät­zen im Internet?

JC: Die Schach­schu­le Ham­burg ist aus dem Ham­bur­ger Schach­klub, dem gröss­ten Schach­ver­ein Deutsch­lands, ent­stan­den und ein Teil die­ses Schach­klubs. Zwar ver­ste­hen wir uns als Un­ter­neh­men, müs­sen und wol­len aber auch den Ideen ei­nes ge­mein­nüt­zi­gen Ver­eins wie dem Ham­bur­ger Schach­klub genügen.
Der Markt für Schach­schu­len ist aus mei­ner Sicht sehr gross. Wir ha­ben in Deutsch­land 90’000 ein­ge­tra­ge­ne Schach­spie­ler, da­von al­lei­ne kön­nen Schach­schu­len nicht le­ben. Die Zahl der­je­ni­gen, die im Kin­des­al­ter oder wann auch im­mer die Grund­re­geln ken­nen­ge­lernt ha­ben und grund­sätz­lich In­ter­es­se am Schach­spiel bzw. -sport ha­ben, ist un­gleich grös­ser. Wenn sich die “Schach­sze­ne” wei­ter­hin die­sen Um­stand be­wusst macht, ist der Markt noch lan­ge nicht ge­sät­tigt. Üb­ri­gens eine Ten­denz, die ich aus mei­ner selbst­stän­di­gen Ar­beit als Trai­ner un­ter­mau­ern kann. Al­lein in den ver­gan­ge­nen zwei Mo­na­ten muss­te ich sie­ben An­fra­gen von Schü­lern ab­leh­nen, da ich kei­ne Zeit­ka­pa­zi­tä­ten mehr habe.
Für uns ist Schach­schu­le und Schul­schach kein Span­nungs­feld, son­dern die Grund­la­ge für un­se­re Exis­tenz. Un­heim­lich vie­le en­ga­gier­te Trai­ner leis­ten an Schu­len eh­ren­amt­li­che Ar­beit, die die Ba­sis da­für ist, dass Men­schen wie ich und In­sti­tu­tio­nen wie die Schach­schu­le wirt­schaft­lich ar­bei­ten kön­nen. Ohne den Un­ter­bau der dort ge­schaf­fen wird, kann es wei­ter in der Spit­ze bzw. für die Spit­ze kei­ne Zu­kunft geben.
Auch das In­ter­net ist, den­ke ich, för­der­lich für den Schach­s­port. Auf je­den Fall müs­sen wir uns nicht da­vor fürch­ten. Jene die oh­ne­hin lie­ber in ih­ren ei­gen vier Wän­den blei­ben, ha­ben das auch schon vor dem Auf­kom­men des In­ter­nets ge­tan. Der Vor­teil des In­ter­nets, aus Schach­spie­ler-Sicht, ist, dass man schnel­ler und un­kom­pli­zier­ter mit dem Schach­s­port in Be­rüh­rung kommt. Un­se­re Auf­ga­be ist es, all je­nen, die über das In­ter­net zum Schach­s­port ge­kom­men sind, An­ge­bo­te zu un­ter­brei­ten, in den Ver­ein zu kom­men. Denn sei­en wir ehr­lich: Bei ei­nem Bier­chen oder für Kin­der und Ju­gend­li­che ei­ner Cola in der rea­len Welt eine Par­tie Schach zu spie­len, ent­spricht deut­lich eher den mensch­li­chen Be­dürf­nis­sen, als im ei­ge­nen Käm­mer­lein ge­gen an­ony­me Geg­ner zu spie­len. Und auch wenn es ei­ni­ge nicht glau­ben, die meis­ten Schach­spie­ler sind so­gar ex­trem in Ordnung.

GM:  Sie bie­ten auch An­fän­ger-Kur­se für Er­wach­se­ne und Kur­se für Se­nio­ren an. Wie wer­den die­se An­ge­bo­te angenommen?

JC: Im Grund­satz sind wir mit dem Zu­wachs an In­ter­es­sen­ten zu­frie­den. Trotz­dem muss man ei­nen Un­ter­schied ma­chen zwi­schen Er­wach­se­nen, die im Be­rufs­le­ben ste­hen und Se­nio­ren. So lau­fen die Se­nio­ren­kur­se, die wir wö­chent­lich bei­spiels­wei­se von 10 bis 12 Uhr an­bie­ten, her­vor­ra­gend. Be­rufs­tä­ti­ge nach der Ar­beit noch von 19 bis 21 Uhr für ein Schach­trai­ning zu be­geis­tern ist, wenn auch nicht un­mög­lich, doch schwie­rig. Des­halb ge­hen wir hier ei­nen zwei­ten Weg: Wir bie­ten so­ge­nann­te Kom­pakt­kur­se an, Kur­se also, die an ei­nem Sams­tag ge­hal­ten wer­den und wei­sen aus­drück­lich dar­auf hin, dass die­se Kur­se sehr gut ge­eig­net sind, da­mit man sei­nen Part­ner mit­nimmt, um an­schlies­send gut ge­rüs­tet zu sein bei ei­nem abend­li­chen Glas Rot­wein auf dem Bal­kon eine Par­tie Schach zu spie­len. Es ist nicht un­ser Ziel, je­den zu ei­nem Gross­meis­ter zu machen.
Die­ses An­ge­bot wol­len wir aus­bau­en, mit El­tern/Kind-Kur­sen und Trai­nings, die nicht bei uns, son­dern in den Schu­len vor Ort statt­fin­den. Wir ha­ben hier noch ei­nen wei­ten Weg zu ge­hen, sind aber über­zeugt, dass dies der Rich­ti­ge ist.

GM: Zu Ih­rem neu­es­ten Buch, der “Klei­nen Schach­schu­le”. Zu­nächst war ich et­was ver­wirrt, nach zwei Bü­chern un­ter dem La­bel “Gros­se Schach­schu­le” jetzt auf die “Klei­ne Schach­schu­le” zu tref­fen. Kön­nen Sie uns Ihre bis­he­ri­gen Buch­pro­jek­te vor­stel­len und ei­nen Blick auf die nächs­ten Plä­ne werfen?

JC: Da muss ich et­was wei­ter aus­ho­len, aber da ich bis­her schon el­len­lang ge­ant­wor­tet habe, mö­gen mir die Le­ser das verzeihen 🙂
Mein ers­tes Buch schrieb ich im zar­ten Al­ter von 19 Jah­ren, zeit­gleich zur Lern­pha­se mei­nes Ab­iturs. “Die Eng­li­sche Er­öff­nung” war der Ti­tel und be­han­delt eine Schacher­öff­nung, die ich seit ich den­ken kann, spie­le. Im An­schluss folg­te “Die gros­se Schach­schu­le” Da­mals hat­te ich eine Schach­schu­le in Lü­ne­burg und ich habe gros­se Tei­le des Lehr­plans mei­ner Schach­schu­le in die­ses Buch in­te­griert, es folg­te ein wei­te­res Er­öff­nungs­buch “Die Tar­rasch-Ver­tei­di­gung”, ein Buch das aus mei­ner Sicht für die “Ein­ge­weih­ten” eine Men­ge in­ter­es­san­te neue Ideen be­inhal­tet. An­schlies­send schrieb ich “Die gros­se Schach­schu­le: Aus den Feh­lern der Gross­meis­ter ler­nen”. Hier habe ich 25 Par­tien ana­ly­siert, an vie­len war ich sel­ber be­tei­ligt, wo eine Sei­te, ver­tre­ten durch ei­nen Pro­fi­spie­ler, ei­nen schwe­ren Feh­ler be­geht. Mein Ver­such war es, und ich hof­fe er ist mir ge­lun­gen, die­sen Feh­lern auf den Grund zu ge­hen und “en pas­sant” we­ni­ger er­fah­re­nen Schach­freun­den ei­nen Ein­blick in die Schach­sze­ne zu geben.
Zu gu­ter Letzt also “Die klei­ne Schach­schu­le”, auf die ich eben­falls sehr stolz bin. Ei­ner­seits ist sie in­halt­lich aus mei­ner Sicht gut ge­wor­den, aus­ser­dem hat mal wie­der der Ver­lag her­vor­ra­gen­de Ar­beit ge­leis­tet, was Lay­out etc. angeht.
Zu­künf­ti­ge Pro­jek­te… Mein Plan war ei­gent­lich we­ni­ger zu ar­bei­ten 🙂 Der­zeit gibt es ei­ni­ge An­ge­bo­te Bü­cher zu schrei­ben. Mei­ne Idee ist al­ler­dings, ein­fach eins zu schrei­ben, ohne dass je­mand da­von weiss und es dann ei­nem Ver­lag an­zu­dre­hen. Ich habe im­mer noch die sehr ro­man­ti­sche Vor­stel­lung mich ein­mal in ein Haus auf ei­ner fer­nen In­sel ein­zu­schlies­sen, dort zwei Mo­na­te an ei­nem Buch zu schrei­ben, ohne von aus­sen ge­stört zu wer­den. Viel­leicht ken­nen Sie ja ei­nen Ver­lag mit ei­nem Haus auf ei­ner ka­ri­bi­schen Insel? 😉

GM: Die “Klei­ne Schach­schu­le” ist vom Typ her si­cher mit klas­si­schen Schach­lehr­bü­chern zu ver­glei­chen. Schach-Ein­füh­run­gen für An­fän­ger gibt es seit mehr als 100 Jah­ren. Sie er­klä­ren ele­men­tar die Re­geln und ge­ben kur­ze Ab­ris­se zu Tak­tik-Mo­ti­ven, stra­te­gi­schen Prin­zi­pi­en, zur Er­öff­nungs­theo­rie und End­spiel­leh­re. Wel­che neu­en Ideen ha­ben Sie für die­sen Lehr­buch-Typ eingebracht?

JC: In der “Klei­nen Schach­schu­le” geht es dar­um, kurz und bün­dig In­ter­es­sen­ten am Schach un­ser Spiel nä­her zu brin­gen und ohne gros­ses Hin und Her die Grund­la­gen zu bie­ten, um ein­fach mal eine Par­tie Schach zu spielen.
Mei­ne neue Idee in dem Buch ist, frü­her auf grund­le­gen­de Stra­te­gien in den 3 Pha­sen Er­öff­nung Mit­tel­spiel, End­spiel ein­zu­ge­hen. Mei­ne Er­fah­rung aus den vie­len Trai­nings und Lehr­gän­gen mit An­fän­gern ist, dass man die Leu­te durch­aus for­dern kann und das In­ter­es­se am Schach auch und vor al­lem in den Stra­te­gien be­grün­det ist. ♦

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma „Schach-Trai­ning“ auch über Ru­dolf Te­sch­ner: Schach in 40 Stunden

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