Charité – Staffel 3 der ARD-TV-Serie

Menschlich glaubwürdig gestaltet

von Katka Räber

Arzt-Serien haben berech­tig­ter­weise nicht nur einen guten Ruf, wenn es um die frü­he­ren Göt­ter in Weiß geht. Ein Kran­ken­haus ist aber, ähn­lich wie ein Hotel oder eine Schule, ein idea­ler Ort für immer wie­der neue Schick­sale und span­nende Begeg­nun­gen, die nicht nur Kli­schees bedie­nen müs­sen. In der ARD-Serie über das 300-jäh­rige Ber­li­ner Kran­ken­haus Cha­rité wurde kein fik­ti­ves Spi­tal gewählt, son­dern ein beson­ders geschichts- und geschichtenträchtiges.

Die „Charité“-Serien-Filme wei­sen eine hohe fil­mi­sche und schau­spie­le­ri­sche Qua­li­tät auf und vor allem sehr viel doku­men­tier­tes, his­to­ri­sches Poten­tial. Die ers­ten bei­den Staf­feln spiel­ten sich ab in den Jah­ren 1888 und dann in den letz­ten Jah­ren des Zwei­ten Weltkrieges.
Die Ereig­nisse der 3. Staf­fel kon­zen­trie­ren sich auf die Monate vor und nach dem Mau­er­bau 1961, und sie wider­spie­geln sehr ein­drück­lich die Atmo­sphäre der geteil­ten Stadt und die Stim­mung der Men­schen in der DDR. Dadurch bie­tet die Serie nicht nur span­nende Unter­hal­tung anhand von mensch­li­chen Schick­sa­len, son­dern auch his­to­ri­sche, poli­ti­sche Dokumentation.

Geschichtlich eindrückliche Fall-Beispiele

Charité Film-Kritik - Medizin inmitten politischer Umbruchzeiten - Rezensionen Glarean Magazin
Medi­zin inmit­ten poli­ti­scher Umbruch­zei­ten: Die Cha­rité zu Zei­ten des Ber­li­ner Mauerbaus

Die Prot­ago­nis­ten sind nicht nur fik­ti­ves Per­so­nal, son­dern es wer­den echte, berühmte Per­sön­lich­kei­ten der Wis­sen­schaft dar­ge­stellt. Der dama­lige Stand der Medi­zin wird durch ein­drück­li­che Fall­bei­spiele gezeigt und durch die poli­ti­sche Situa­tion sehr inter­es­sant dra­ma­tur­gisch auch auf der Gefühls­ebene wie­der­ge­ge­ben. Wir fol­gen den Tat­sa­chen, dass z.B. erst 1960/61 die Polio-Imp­fung erfun­den und gegen die Kin­der­läh­mung par­al­lel im Wes­ten und in der Sowjet­union ent­wi­ckelt wurde. Die Imp­fung wurde im Ost­block sogar frü­her als im Wes­ten groß­flä­chig ein­ge­setzt, was man hier durch einen Krank­heits­fall vor­ge­führt bekommt.

Wir wer­den Zeu­gen von vie­len ande­ren Krank­heits­ver­läu­fen, an denen man bei­spiels­weise zeigt, dass die Plan­wirt­schaft oft Wich­ti­ges ver­passte und dadurch z.B. Ein­weg­hand­schuhe Man­gel­ware waren oder dass es manch­mal zu ver­hee­ren­den Eng­päs­sen in der Lie­fe­rung von Peni­cil­lin kam.
Sehr inter­es­sant ist der Bezug zur heu­ti­gen Corona-Situa­tion, was das Imp­fen betrifft. Auch in unse­rer Zeit wird der medi­zi­ni­sche Fort­schritt mit der Poli­tik ver­wo­ben, es gibt Eng­pässe in der Ver­sor­gung mit Gesichts­mas­ken, und auch die Ver­tei­lung vom Impf­stoff ist im Moment ein Politikum.

Politische Einmischung in die Medizin

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Im Zusam­men­hang mit die­ser Serie war ich neu­gie­rig auf his­to­ri­sche Tat­sa­chen, die die Cha­rité betref­fen. Nach dem Krieg war die Kli­nik zu 90 Pro­zent zer­stört und wurde in der DDR wie­der auf­ge­baut. Die Stasi betei­ligte sich maß­geb­lich am Auf­bau des Cha­rité-Per­so­nals und fürch­tete den Ver­rat von For­schungs­ge­heim­nis­sen an den soge­nann­ten Klas­sen­feind. Daher mischte sich das Minis­te­rium für Staats­si­cher­heit nach Mit­be­stim­mung ein, wenn es darum ging, wer Kar­riere machen durfte oder wer über­haupt für Aus­lands­rei­sen an Kon­gresse in Frage kam. Es war ja nicht mög­lich, aus der DDR auszureisen.

Medizin-Koryphäe und Polit-Vertuscher - Otto Prokop - Glarean Magazin
Medi­zin-Kory­phäe und Polit-Ver­tu­scher: Gerichts­me­di­zi­ner Otto Prokop

Zwei der Haupt­prot­ago­nis­ten der Serie, wie z.B. der öster­rei­chi­sche Gerichts­me­di­zi­ner Prof. Otto Prokop und die Kin­der­ärz­tin und Neo­na­to­lo­gin Dr. Rapo­port sind beide auch mit die­ser The­ma­tik kon­fron­tiert. Prokop war als Gerichts­me­di­zi­ner auch für die Obduk­tio­nen der Todes­op­fer an der Ber­li­ner Mauer zustän­dig und trug durch sein Schwei­gen dazu bei, dass es der DDR gelang, Todes­um­stände und Todes­ur­sa­chen der Mau­er­op­fer zu ver­tu­schen. Nach außen legte er aber Wert auf poli­ti­sche Unab­hän­gig­keit und war nie Mit­glied in einer Partei.
Die Kin­der­ärz­tin Inge­borg Rapo­port war Mit­glied in der SED und sehr über­zeugt von der Ideo­lo­gie, die sie auch nach dem Mau­er­fall noch ver­tei­digte. Ihr beweg­tes Schick­sal wäre auch einen Film wert.

Die Kom­bi­na­tion des Mensch­li­chen mit der damals so dra­ma­ti­schen poli­ti­schen Rea­li­tät des Kal­ten Krie­ges und der medi­zi­ni­schen Ent­wick­lung macht die glaub­wür­dig gestal­tete Serie hoch span­nend und sehenswert. ♦

Cha­rité – Geschich­ten von Leben und Tod, TV-Serie, Sen­der ARD

Lesen Sie im GLAREAN MAGAZIN zum Thema Poli­tik und Film auch über Julia von Heinz: Und mor­gen die ganze Welt

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