Julia von Heinz: Und morgen die ganze Welt (Film)

Zwischen Antifa und Rechtspopulismus

von Katka Räber

Und mor­gen die ganze Welt” ist ein Film (Regie: Julia von Heinz) über das Anein­an­der­ge­ra­ten der auto­no­men Jugend und der mili­tan­ten Neo­na­zi­szene in Deutsch­land. Ein Abbild der jet­zi­gen Gesell­schaft an den poli­ti­schen Rän­dern, wo Anti­fa­schis­mus und Popu­lis­mus die Stim­mung zum Kochen brin­gen. Stark, lei­den­schaft­lich, jung und sehr authentisch.

Und morgen die ganze Welt - Spielfilm 2020 - Julia von Heinz - Filmplakat - Glarean MagazinLuisa ist eine Jura­stu­den­tin im ers­ten Semes­ter, Toch­ter aus “gutem Haus” einer Fami­lie des alten deut­schen Adels, bei denen Jag­den zum All­tags­sport gehö­ren. In der zuhause so ange­pass­ten Toch­ter bro­delt starke Wut gegen die faschis­ti­schen Rech­ten. Luisa wird durch ihre beste Freun­din aus frü­he­rer Schul­zeit in eine poli­ti­sierte WG auf­ge­nom­men, die im auto­no­men Jugend­zen­trum wohnt und Pro­teste gegen rechts­ge­rich­tete Demons­tra­tio­nen plant.

Politische und erotische Spannungsfelder

Anzeige Amazon - Und morgen die ganze Welt - Der zweite Weltkrieg
Anzeige

Luisa’s Wut ist aller­dings mili­tan­ter als der poli­ti­sche Wille ihrer fried­fer­ti­gen Freun­din. In meh­re­ren, sehr span­nend dar­ge­stell­ten Sze­nen wer­den wir Zeu­gen ver­schie­de­ner Manö­vern sol­cher Zusam­men­stösse zwi­schen Demons­trie­ren­den bei­der mili­tan­ter Grup­pie­run­gen und der Poli­zei. Luisa gerät poli­tisch und ero­tisch ins Span­nungs­feld von zwei jun­gen Füh­rungs­kräf­ten die­ser Auto­no­men, Alfa (Noah Saa­ve­dra) und Lenor (Tonio Schnei­der). Alfa stif­tet immer stär­ker zu gewalt­tä­ti­gen Aktio­nen an, Lenor will mit Gewalt nichts zu tun haben, was die Über­na­men bei­der Prot­ago­nis­ten bereits suggerieren.
Als Publi­kum wird man Zeuge  span­nen­der, meist ille­ga­ler Gescheh­nisse mit dem gedank­li­chen Hin­ter­grund, die Demo­kra­tie ret­ten zu wol­len. Aber die jun­gen Leute sind nicht nur Polit-Akti­vis­ten, son­dern auch Men­schen – vol­ler Wut, vol­ler Ängste, Zwie­spalt und vol­ler Leidenschaften.

Ideologien in den Vorgärten der Genügsamkeit

Julia von Heinz - Film-Regisseur - Glarean Magazin
Regis­seu­rin Julia von Heinz

All das wird gross­ar­tig von viel Musik beglei­tet. Wer jagt wen? Wäh­rend der Räu­mung des auto­no­men Jugend­zen­trums ertönt eine Verdi-Arie. Wes­sen Ideo­lo­gie gewinnt in den Vor­gär­ten der nor­ma­len Genüg­sam­keit? Der Film zeigt aber nicht ver­herr­li­chend die junge, ideo­lo­gisch linke Seite, son­dern auch die Zwei­fel, das Müf­felnde und All­zu­mensch­li­che. Viel­leicht sogar das Revo­luz­zer­tum auf Zeit, bevor das spä­tere, meist gesetzte Leben beginnt.

und morgen die ganze Welt - Film-Rezension - Polizei-Szene - Glarean Magazin
Sze­nen-Foto aus “Und mor­gen die ganze Welt”

Und mor­gen die ganze Welt ist ein gelun­ge­nes Polit-Plä­doyer mit aus­ge­zeich­net besetz­ten Rol­len der bei­den jun­gen Frauen und der Män­ner, aber auch des alten Revo­luz­zers der frü­he­ren Gene­ra­tion (Andreas Lust). Die Grund­the­ma­tik des Fil­mes ist gleich zwei­mal expli­zit erwähnt: Der Arti­kel 129 des Grund­ge­set­zes der dt. Bun­des­ver­fas­sung über das Wider­stands­recht wird anfäng­lich in schrift­li­cher Form in Erin­ne­rung geru­fen, zum Schluss noch­mals hör­bar im Wort­laut gemacht. Und die Frage ist immer prä­sent: Wer hat das Recht, die Staats­ord­nung zu schüt­zen – und mit wel­chen Mitteln? ♦

Julia von Heinz (Regie): Und mor­gen die ganze Welt, Spiel­film mit Mala Emde u.a. 110 Minuten

Lesen Sie im GLAREAN MAGAZIN zum Thema Neue Filme auch über Lorenz Merz (Regie): Soul of a Beast

… sowie zum Thema Rechts­po­pu­lis­mus auch über Beat Ring­ger: Die Zukunft der Demokratie

Kommentare sind willkommen! (Keine E-Mail-Pflicht)