Musikwissenschaft: Die auditiv-motorische Synchronisation

Über die Fähigkeit des Takthaltens

von Walter Eigenmann

Wie kön­nen Men­schen sicher die Strasse über­que­ren, wäh­rend sie den Gegen­ver­kehr hören? Wie kön­nen sie zu neuer Musik tan­zen oder Team-Syn­chro­ni­sie­run­gen wie z.B. beim Rudern durch­füh­ren? Kurz: Wie koor­di­nie­ren Men­schen ihre Hand­lun­gen mit den Geräu­schen, die sie hören? Die audi­tiv-moto­ri­sche Syn­chro­ni­sa­tion ist Gegen­stand einer Stu­die unter der Lei­tung von For­schern an der kali­for­ni­schen McGill Uni­ver­sity um Caro­line Pal­mer. Sie wirft ein neues Licht dar­auf, wie audi­to­ri­sche Wahr­neh­mung und moto­ri­sche Pro­zesse zusammenwirken.

Takthalten – mehr als nur Bewegung oder gutes Zuhören

Musik-Neurologische Forschung - Elektroenzephalografie EEG - Glarean Magazin
Musik-Neu­ro­lo­gi­sche For­schung mit­tels Elek­tro­en­ze­pha­logra­fie: Mes­sung von Gehirn­strö­men bei kogni­tiv-moto­ri­schen Prozessen

In einem kürz­lich im Jour­nal of Cogni­tive Neu­ro­sci­ence erschie­ne­nen Arti­kel konn­ten die For­scher unter der Lei­tung von Caro­line Pal­mer, einer Pro­fes­so­rin der McGill-Abtei­lung für Psy­cho­lo­gie, neu­ro­nale Mar­ker der Schlag­wahr­neh­mung von Musi­kern iden­ti­fi­zie­ren. Über­ra­schen­der­weise ent­spra­chen diese Mar­ker nicht der Fähig­keit des Musi­kers, einen Schlag zu hören oder zu pro­du­zie­ren – nur sei­ner Fähig­keit, sich mit ihm zu synchronisieren.

Die Autoren sind als aus­füh­rende Musi­ker mit musi­ka­li­schen Situa­tio­nen ver­traut, in denen ein Inter­pret nicht kor­rekt im Takt mit sei­nen Mit­spie­lern aus­ge­rich­tet ist. Daher waren wir daran inter­es­siert zu unter­su­chen, wie das Gehirn eines Musi­kers auf Rhyth­men reagiert. Es könnte sein, dass man­che Men­schen bes­sere Musi­ker sind, weil sie anders zuhö­ren, oder es könnte sein, dass sie ihren Kör­per anders bewe­gen”, erklärt die kana­di­sche Neu­ro­wis­sen­schaft­le­rin Pal­mer, ver­ant­wort­li­che Autorin des Artikels.

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Wir fan­den her­aus, dass die Ant­wort eine Über­ein­stim­mung zwi­schen dem Pul­sie­ren oder den Schwin­gun­gen in den Hirn­rhyth­men und dem Pul­sie­ren des musi­ka­li­schen Rhyth­mus war. Es geht nicht nur um Zuhö­ren oder um Bewe­gung. Es ist eine Ver­bin­dung des Gehirn­rhyth­mus’ mit dem Hörrhythmus.”

Neuronale Marker bei der Schlag-Wahrnehmung

Die For­scher benutz­ten die Elek­tro­en­ze­pha­logra­phie – bei EEGs wer­den Elek­tro­den auf die Kopf­haut gelegt, um die elek­tri­sche Akti­vi­tät im Gehirn zu mes­sen -, um die Hirn­ak­ti­vi­tät zu mes­sen, wäh­rend die Teil­neh­mer des Expe­ri­ments, alle­samt erfah­rene Musi­ker, ihr Klop­fen mit einer Reihe von musi­ka­li­schen Rhyth­men syn­chro­ni­sier­ten, die sie hör­ten. Auf diese Weise waren sie in der Lage, neu­ro­nale Mar­ker der Schlag­wahr­neh­mung bei Musi­kern zu iden­ti­fi­zie­ren, die ihrer Fähig­keit, gut zu syn­chro­ni­sie­ren, entsprachen.

"Ob jeder gleich so gut wie ein Schlagzeuger werden könnte, ist noch nicht klar..."
“Ob jeder gleich so gut wie ein Schlag­zeu­ger wer­den könnte, ist noch nicht klar…”

Wir waren über­rascht, dass selbst hoch­trai­nierte Musi­ker manch­mal eine ver­min­derte Fähig­keit zur Syn­chro­ni­sa­tion mit kom­ple­xen Rhyth­men zeig­ten, und dass sich dies in ihren EEGs wider­spie­gelte”, sag­ten die Co-Erst­au­toren Brian Mathias und Anna Zamm, beide Dok­to­ran­den im Pal­mer-Labor. “Die meis­ten Musi­ker sind gute Syn­chro­ni­sie­rer; den­noch war die­ses Signal emp­find­lich genug, um die ‘guten’ von den ‘bes­se­ren’ oder ‘Super-Syn­chro­ni­sie­rern’, wie wir sie manch­mal nen­nen, zu unterscheiden”.

Synchronisierung kann trainiert werden

Caroline Palmer - Musik-Psychologin - Neurowissenschaftlerin - Glarean Magazin
Die ame­ri­ka­ni­sche Musik-Psy­cho­lo­gin und Neu­ro­wis­sen­schaft­le­rin Dr. Caro­line Palmer

Es ist nicht klar, ob jemand ein sol­cher ‘Super-Syn­chro­ni­sie­rer’ wer­den kann, aber laut Caro­line Pal­mer ist es viel­leicht mög­lich, die Fähig­keit zur Syn­chro­ni­sie­rung zu ver­bes­sern. “Die Band­breite der von uns unter­such­ten Musi­ker lässt ver­mu­ten, dass die Ant­wort ‘ja’ lau­ten würde. Ermu­ti­gend ist auch die Tat­sa­che, dass nur 2-3 Pro­zent der Bevöl­ke­rung ‘gehör­los schla­gen’. Das Üben ver­bes­sert defi­ni­tiv ihre Fähig­keit und ver­bes­sert die Aus­rich­tung der Hirn­rhyth­men auf die musi­ka­li­schen Rhyth­men. Aber ob jeder gleich so gut wie ein Schlag­zeu­ger wer­den könnte, ist noch nicht klar…” ♦

Lesen Sie im Glarean Maga­zin zum Thema neu­ro­wis­sen­schaft­li­che Musik­psy­cho­lo­gie auch über die Musik als sozia­les Experimentierfeld

Aus­ser­dem zum Thema: Öst­li­che und west­li­che Musi­ker-Gehirne im Vergleich

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