Bright Is The Ring Of Words (Bariton & Klavier – CD)

Von Ralph Vaughan Williams bis Gerald Finzi

von Horst-Die­ter Radke

Beim ers­ten un­vor­ein­ge­nom­me­nen Hö­ren von „Bright is the Ring of Words“ mit Lie­dern für Ba­ri­ton & Kla­vier klingt der Ge­sang von Chris Booth-Jo­nes er­fri­schend „jung“. Um so über­ra­schen­der ist es dann fest­zu­stel­len, dass Booth-Jo­nes eine be­reits fast fünf­zig­jäh­ri­ge Kar­rie­re hin­ter sich hat. Nun, wie ein ge­ra­de von der Aka­de­mie ent­las­se­ner Jüng­ling klingt er zwar nicht, aber ein so ho­hes Al­ter ent­nimmt man sei­ner In­ter­pre­ta­ti­on nicht gleich.

Bright Is the Ring of Words - CD-Cover - Musik-Rezensionen - Glarean MagazinDer zwei­te Ein­druck des un­be­fan­ge­nen Hö­rens ist die Ho­mo­ge­ni­tät von Ge­sang und Kla­vier­stim­me. Be­glei­tung mag ich in die­sem Fall gar nicht schrei­ben, denn in fast sämt­li­chen Lie­dern al­ler vier auf der CD ver­tre­te­nen Kom­po­nis­ten er­reicht die Kla­vier­stim­me ei­nen ho­hen Grad an Ei­gen­stän­dig­keit. Man könn­te sie sich mit Ge­nuss auch ohne die Ge­sangs­stim­me an­hö­ren. Igor Ken­na­way, der den Part am Kla­vier über­nom­men hat, spielt an­ge­mes­sen un­auf­dring­lich, sen­si­bel, ohne sich je­doch zurückzunehmen.
Auf­ge­nom­men wur­den von Booth-Jo­nes und Ken­na­way vier Lie­der­zy­klen eng­li­scher Kom­po­nis­ten aus der ers­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts, die meis­ten aus der Zeit vor oder kurz nach dem 1. Welt­krieg. Wer aus die­sen In­for­ma­tio­nen avant­gar­dis­ti­sche Klän­ge fol­gert, wird ent­täuscht – viel­leicht aber auch po­si­tiv überrascht.

Lieder eines Wanderers

Ro­bert Lou­is Ste­ven­son (1850-1894) ist als Au­tor der „Schatz­in­sel“ und Er­zäh­lun­gen wie „Dr. Jekyll and Mr. Hyde“ kein Un­be­kann­ter. Sein ly­ri­sches Schaf­fen liegt je­doch mei­nen Re­cher­chen zu­fol­ge noch in kei­ner Über­set­zung vor. Die Lie­der auf der CD sind dank der her­vor­ra­gen­den Ar­ti­ku­la­ti­on des Sän­gers gut zu ver­fol­gen. Wer dar­über hin­aus den An­spruch hat, mit­le­sen zu wol­len, kann die Tex­te hier auf­spü­ren.

Die ers­ten neun Lie­der auf die­ser CD kom­po­nier­te Ralph Vaug­han Wil­liams (1872-1958), der da­bei Tex­te von Ro­bert Lou­is Ste­ven­son be­nutz­te, die die­ser un­ter dem Ti­tel „Songs of Tra­vel“ ver­öf­fent­licht hat­te. Dar­un­ter ist auch das Ge­dicht, des­sen Ti­tel der CD den Na­men gab. Ein ein­sa­mer Rei­sen­der be­schreibt in die­sen Lie­dern sei­ne Na­tur­er­leb­nis­se, und im Hin­ter­grund ver­mu­tet man, si­cher nicht zu Un­recht, eine ver­lo­re­ne Liebe.
Die Lie­der klin­gen nicht fröh­lich, kei­nes­wegs je­doch sen­ti­men­tal, son­dern eher er­ha­ben. Ein gut ge­wähl­ter An­fang für die­se Zusammenstellung.

Songs aus kurzen Leben

Tra­gi­scher kom­men die sechs Lie­der („A Shropshire Lad“) von Ge­or­ge But­ter­worth (1885-1916) da­her. Die Tex­te stam­men von A. E. Hous­man (1859-1936) und be­schrei­ben eine ver­lo­re­ne Ju­gend in den länd­li­chen Ge­bie­ten Mit­tel­eng­lands (Shropshire). An­ge­sichts des frü­hen To­des des Kom­po­nis­ten – er starb bei der Schlacht an der Som­me – ist die­se Aus­wahl fast schon pro­phe­tisch zu nen­nen. Die Stü­cke dämp­fen den po­si­ti­ven Ein­druck, den die Ste­ven­son-Lie­der zu­vor auf­ge­baut ha­ben, fast ein we­nig her­ab. Aber sie sind zu gut, um die Stim­mung wirk­lich zu gefährden.

Dichter mit volksliedhaftem Unterton: A. E. Housman
Dich­ter mit volks­lied­haf­tem Un­ter­ton: A. E. Housman

Eben­falls bei House­man be­dien­te sich Er­nest John Moer­an (1894-1950), al­ler­dings erst nach dem ers­ten Welt­krieg. Auch sei­ne vier Lie­der aus dem Zy­klus „Lud­low Town“ ent­stam­men der Samm­lung „A Shropshire Lad“.
Wäh­rend man bei But­ter­worth eine „Vor­aus­ah­nung“ an­neh­men könn­te, spricht hier aus der mu­si­ka­li­schen Spra­che mög­li­cher­wei­se das ei­ge­ne Er­le­ben im Krieg. Das vier­te – „The lads in their hundreds“ – klingt fast wie ein Volks­lied. Bei die­sem hat mich an­fangs die Kla­vier­be­glei­tung so­gar ir­ri­tiert, weil sie die­sen volks­lied­haf­ten Cha­rak­ter ver­meint­lich zer­stört. Beim wie­der­hol­ten Hö­ren ging mir dann auf, dass dies ge­ra­de in der Ab­sicht des Kom­po­nis­ten ge­le­gen ha­ben mag – und in­zwi­schen ist es, ge­nau in die­ser Kom­bi­na­ti­on, ei­nes mei­ner Lieb­lings­lie­der auf die­ser CD.

Rückgriff auf den grossen Meister

Ge­rald Fin­zi (1901-1956), der letz­te Kom­po­nist die­ser CD, war ein Schü­ler des ers­ten (Wil­liams). Sei­nen fünf Lie­dern lie­gen Tex­te von Shake­speare zu Grun­de. Da­bei ver­sucht Fin­zi auf kei­ne Wei­se, in sei­ner Mu­sik an Shake­spears Zeit­al­ter an­zu­knüp­fen. Viel­leicht er­in­nert das ers­te – „Come away, come away, de­ath“ – mit sei­ner Trau­rig­keit ein we­nig an Dow­land. Die Me­lo­die ist aber ganz zeit­ge­mäss und könn­te durch­aus auch ein hal­bes Jahr­hun­dert spä­ter von Phil­ipp Glass kom­po­niert wor­den sein:

Gerald Finzi - Anfangstakte von Come away come away death - Glarean Magazin
Die An­fangs­tak­te von „Come away, come away, de­ath“ von Ge­rald Finzi

Be­vor man de­pres­si­ve An­wand­lun­gen be­kommt, holt das nächs­te Lied „Who is Syl­via?“ wie­der auf den Bo­den zu­rück. Es ist nicht ge­ra­de fröh­lich, aber klingt in Me­lo­dik und Ton­spra­che „zu­pa­ckend“.
Das nächs­te – „Fear No More the Heat o’ the Sun“ – ist be­rüh­rend und bei­na­he ein we­nig sen­ti­men­tal, was schliess­lich der letz­te Ti­tel – „O Mistress Mine“ – dann wie­der zurücknimmt.

Fa­zit: Die in­ter­es­san­te CD „Bright is the Ring of Words“ ver­eint vier Lie­der­zy­klen von eng­li­schen Kom­po­nis­ten, die bis auf R. Vaug­han Wil­liams eher un­be­kannt sind. In­ter­pre­tiert wer­den die Lie­der von zwei Künst­lern, die ihre Sa­che pro­fes­sio­nell an­gin­gen und die rich­ti­ge Ba­lan­ce von Stim­me und In­stru­ment fan­den. Auch die Aus­wahl und die Zu­sam­men­stel­lung der Songs ist gut und pas­send. So ist ein Al­bum ent­stan­den, das man nicht nur ein­mal, son­dern im­mer wie­der ger­ne auf­legt und anhört.

Die­se in­ter­es­san­te CD ver­eint vier Lie­der­zy­klen von eng­li­schen Kom­po­nis­ten, die bis auf R. Vaug­han Wil­liams eher un­be­kannt sind. In­ter­pre­tiert wer­den die Lie­der von zwei Künst­lern, die ihre Sa­che pro­fes­sio­nell an­gin­gen und die rich­ti­ge Ba­lan­ce von Stim­me und In­stru­ment fan­den. Auch die Aus­wahl und die Zu­sam­men­stel­lung der Songs ist gut und pas­send. So ist ein Al­bum ent­stan­den, das man nicht nur ein­mal, son­dern im­mer wie­der ger­ne auf­legt und anhört. ♦

Bright Is The Ring Of Words – Eng­li­sche Lie­der von Vaug­han, But­ter­worth, Moer­an, Fin­zi; Chris Booth-Jo­nes (Ba­ri­ton) & Igor Ken­na­way (Kla­vier), Mag­pie Re­cords (Na­xos)

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma Mu­sik für Ge­sang und Kla­vier auch über
Ri­kard Nord­raak: Songs and Pia­no Music

…so­wie über
Zory­a­na & Ole­na Kush­pler: Sla­wi­sche Seelen


Kommentare sind willkommen! (Keine E-Mail-Pflicht)