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Telemann meets modern Music
von Walter Eigenmann
Die erst 27-jährige, aber bereits international konzertierende Blockflöten-Virtuosin Tabea Debus umreisst ihr jüngstes Album folgendermassen: “Das Ziel dieser Aufnahme ist es, die musikalische Bandbreite nicht nur für die Blockflöte zu erweitern, sondern Hörgewohnheiten aufzubrechen und einen neuen Zugang zu der nur scheinbar alten Musik Telemanns zu eröffnen. Zugleich wird damit auch der durchaus klassische Ansatz verdeutlicht, inwieweit das Schaffen von Komponisten früherer Generationen zeitgenössische Kreativität beeinflusst und befruchtet.“
Ein Dutzend barocke, ein Dutzend zeitgenössische Werke
Anlässlich des letztjährigen 250. Todestages Telemanns hat die Londoner City Music Foundation nun für Debus zu jeder der zwölf Telemann‘schen „XII Fantasie per il Flauto senza Basso“ eine Auftragskomposition vergeben, wobei diese zwölf neuen Recorder-Soli auf thematisches, harmonisches oder rhythmisches Material einer der Fantasien Telemanns fusst – Telemann meets modern music sozusagen. Entsprechende Werke beigesteuert haben u.a. die Komponisten Moritz Eggert, Colin Matthews, Frank Zabel und Max de Wardener. (Das CD-Booklet dokumentiert sehr informativ die jeweiligen persönlichen Telemann-Bezüge und Intentionen der zwölf Komponisten). Teils wird melodisch variativ, harmonisch verfremdend, rhythmisch differenzierend auf die barocken „Vorlagen“ eingegangen, teils wird auch einfach die „Grundstimmung“ einer „Fantasie“ aufgenommen und völlig eigenständig ausgesponnen.
Musikalische Stilsicherheit realisiert Entdeckungen

Tabea Debus hat ihre Affinitität zu Telemann bereits in vielen Konzerten und Aufnahmen dokumentiert, und sie musiziert auch hier auf einer spieltechnisch tadellosen Ebene, dabei nicht nur den grossen barocken Affektreichtum Telemanns, sondern auch die teils klanglich nicht gerade leicht interpretierbaren Notenbilder der modernen Stücke realisierend. Insgesamt hochinteressante, die stilstisch notgedrungen tiefen musikhistorischen Gräben nicht zuschüttende, aber satztechnisch wie klanglich angenähert dokumentierende 24 Einspielungen, immer hörbar „verwandtschaftlich im Geiste“.
Blockflöten-Musik auf hohem Niveau
Ein sehr innovatives Konzept also – allerdings wirklich glaubwürdig nur aufgrund der spielfreudigen wie einfühlsamen Virtuosität der Blockflöten-Protagonistin, deren barocke Stilsicherheit und technische Überlegenheit auf gleicher Höhe musiziert mit den klanglichen Anforderungen moderner, gänzlich anderer Kompositionssprachen. Zweifellos eine Recorder-Disk voller musikalischer Überraschungen, Entdeckungen und Aha-Erlebnisse – die Liebhaber hochstehender Musik für die altehrwürdige Blockflöte in ganz neuem Kleide kommen voll auf ihre Kosten. ♦
Tabea Debus (Recorders): XXIV Fantasie per il Flauto, Label TYXart, Audio-CD, 80 Min.
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