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Legendäre Jazz-Karriere
von Christian Busch
Wohl die meisten Menschen verbinden mit dem Namen Klaus Doldinger die Filmmusik zu Wolfgang Petersens gleichnamiger Verfilmung von Lothar Günther Buchheims Roman “Das Boot” oder auch die Titelmelodie des “Tatort”-Fernsehkrimis. Dass Klaus Doldinger mittlerweile 86 Jahre alt ist und auf eine weit über die erwähnten Erfolge hinausgehende Künstlerkarriere zurückblicken kann, ist nun spätestens in seinem vor kurzem erschienenen autobiographischen, persönlichen und lesenswerten Buch nachzulesen, das er selbst, unterstützt von seinem Sohn Nicolas und Thorsten Groß verfasst hat.
Darin schildert Doldinger nicht ohne Stolz, aber doch mit einer ihm ganz eigenen bodenständigen Bescheidenheit seinen äußerst vielseitigen künstlerischen Werdegang, der ihn aus den Wiener Wirren des Krieges mitten in die deutsche Nachkriegszeit führte und nicht zuletzt auf zahlreichen Tourneen in die großen und kleinen Jazz-Metropolen der Vereinigten Staaten.
Vom Jazz-Blitz getroffen

In Berlin geboren, dann von Köln nach Wien versetzt, wo er trotz der Kriegsjahre die Zeit, die er später Kindheit nennen wird, verbringt, steht er – auch wenn es ein Klischée ist – zwischen dem strengen, karrierebewussten Vater und der guten, fürsorglichen Mutter. Mit neuen Jahren trifft ihn nach der Flucht aus dem zerbombten Wien der Blitz des Jazz im oberbayerischen Schrobenhausen, “als der Wind ein paar einzelne Klangfetzen aus dem Gasthof gegenüber” an sein Ohr trug, die jede Faser seines Körpers zum Beben brachten. Die dunkelhäutigen Männer, die Kaugummi kauend wunderbare Rhythmen und Melodien auf faszinierenden Instrumenten spielten und dabei eine Menge Spaß hatten, sollten ihm die Richtung für sein ganzes Leben weisen. Diese Freiheit der Strukturen, das ist etwas anderes als die Marschmusik der Nazis und die klassische Musik, die er bei seinem Vater hörte. Damit begann eine Liebe, die ein ganzes Leben lang andauern sollte.
Let’s go West
In Düsseldorf wächst der kleine Klaus in der Zeit des Wirtschaftswunders heran. Amerika ist Sehnsuchtsort und vor allem musikalisches, idealisiertes Vorbild. Auch wenn die erste Amerika-Reise manches relativiert und Doldinger über den offen zur Schau gestellten Rassismus stolpert, wird dies so bleiben. Das Klavier, das Trommeln auf Kochtöpfen und schließlich “Hänschen klein” als Aufnahmeprüfung am Robert-Schumann-Konservatorium, sind nur Stationen auf dem Weg zum Tenorsaxophon, seinem bevorzugten Instrument. Er geht seinen Weg, auch wenn er dafür von der Schule kurz vor dem Abitur ein Jahr zurückversetzt wird, auch gegen den Widerstand seines ihm immer fremder werdenden Vaters.
Leben für die Musik

Die Vielseitigkeit seiner Ausbildung, die immer von Liebe zur Musik und niemals auf nur eine bestimmte Stilart begrenzt ist, wird Klaus Doldinger ein Leben lang tragen, er wird Orchester dirigieren, Filmmusiken komponieren, aber vor allem seine Jazz-Bands (von den “Feetwarmers” über das Doldinger Quartett und “Motherhood” bis zu “Passport“) pflegen, stets beseelt von der Freude an der Musik, niemals auf der Jagd nach Ruhm, Ehre oder materiellem Reichtum.
Wir erfahren viel über sein Verhältnis zu Drogen, zu seiner Ehefrau Inge, die zu den großen Konstanten in einem äußerst umtriebigen und wechselvollen Künstlerleben zählt, das nicht ohne Schicksalsschläge und Tiefpunkte auskommen kann. Und schließlich lesen wir die kurze Episode, die schildert, wie es zu den berühmten Melodien des “Tatort” und von “Das Boot” kommen konnte.
Und nicht zuletzt ist Klaus Doldinger, längst Weltbürger und Träger des Bundesverdienstkreuzes, enorm vielen Menschen begegnet. Udo Lindenberg ist nur einer davon – auch davon erzählt er in seinem 320 Seiten starken Buch.
Ein Stück deutsche Kulturgeschichte
Klaus Doldingers “Made in Germany”, das durchgehend in der Ich-Form verfasst ist, wirkt wie die Memoiren eines erfüllten und erfolgreichen Musikerlebens, das wie für jede Note, für jede künstlerische Begegnung und Erfahrung dankbar ist. In diesem Zuge ist es auch ein Stück deutscher Kulturgeschichte, das die Entstehung des Jazz “made in Germany” in der deutschen Nachkriegszeit nachskizziert.
Noch lebendiger wird diese musikalische Entwicklung, wenn man die in vielen Abschnitten als QR-Codes eingefügten Musikbeispiele dazu anhört.
Ein unbedingt lesenswertes Buch – auch für Jazz-Muffel! ♦
Klaus Doldinger: Made in Germany – Mein Leben für die Musik, 320 Seiten, Piper-Verlag, ISBN 978 3492 071 246
Lesen Sie im GLAREAN MAGAZIN zum Thema Jazz auch über Kenny Garrett: Sounds from the Ancestors
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