Klaus Doldinger: Made in Germany (Autobiographie)

Legendäre Jazz-Karriere

von Christian Busch

Wohl die meis­ten Men­schen ver­bin­den mit dem Na­men Klaus Dol­din­ger die Film­mu­sik zu Wolf­gang Pe­ter­sens gleich­na­mi­ger Ver­fil­mung von Lo­thar Gün­ther Buch­heims Ro­man „Das Boot“ oder auch die Ti­tel­me­lo­die des „Tatort“-Fernsehkrimis. Dass Klaus Dol­din­ger mitt­ler­wei­le 86 Jah­re alt ist und auf eine weit über die er­wähn­ten Er­fol­ge hin­aus­ge­hen­de Künst­ler­kar­rie­re zu­rück­bli­cken kann, ist nun spä­tes­tens in sei­nem vor kur­zem er­schie­ne­nen au­to­bio­gra­phi­schen, per­sön­li­chen und le­sens­wer­ten Buch nach­zu­le­sen, das er selbst, un­ter­stützt von sei­nem Sohn Ni­co­las und Thors­ten Groß ver­fasst hat.

Klaus Doldinger - Made in Germany - Mein Leben für die Musik - Cover - Piper Verlag - Rezension im GLAREAN MAGAZINDar­in schil­dert Dol­din­ger nicht ohne Stolz, aber doch mit ei­ner ihm ganz ei­ge­nen bo­den­stän­di­gen Be­schei­den­heit sei­nen äu­ßerst viel­sei­ti­gen künst­le­ri­schen Wer­de­gang, der ihn aus den Wie­ner Wir­ren des Krie­ges mit­ten in die deut­sche Nach­kriegs­zeit führ­te und nicht zu­letzt auf zahl­rei­chen Tour­neen in die gro­ßen und klei­nen Jazz-Me­tro­po­len der Ver­ei­nig­ten Staaten.

Vom Jazz-Blitz getroffen

Klaus Doldinger - Glarean Magazin
Le­gen­dä­rer Jazz-Sa­xo­pho­nist schon zu Leb­zei­ten: Klaus Dol­din­ger (geb. 1936)

In Ber­lin ge­bo­ren, dann von Köln nach Wien ver­setzt, wo er trotz der Kriegs­jah­re die Zeit, die er spä­ter Kind­heit nen­nen wird, ver­bringt, steht er – auch wenn es ein Kli­s­chée ist – zwi­schen dem stren­gen, kar­rie­re­be­wuss­ten Va­ter und der gu­ten, für­sorg­li­chen Mut­ter. Mit neu­en Jah­ren trifft ihn nach der Flucht aus dem zer­bomb­ten Wien der Blitz des Jazz im ober­baye­ri­schen Schro­ben­hau­sen, „als der Wind ein paar ein­zel­ne Klang­fet­zen aus dem Gast­hof ge­gen­über“ an sein Ohr trug, die jede Fa­ser sei­nes Kör­pers zum Be­ben brach­ten. Die dun­kel­häu­ti­gen Män­ner, die Kau­gum­mi kau­end wun­der­ba­re Rhyth­men und Me­lo­dien auf fas­zi­nie­ren­den In­stru­men­ten spiel­ten und da­bei eine Men­ge Spaß hat­ten, soll­ten ihm die Rich­tung für sein gan­zes Le­ben wei­sen. Die­se Frei­heit der Struk­tu­ren, das ist et­was an­de­res als die Marsch­mu­sik der Na­zis und die klas­si­sche Mu­sik, die er bei sei­nem Va­ter hör­te. Da­mit be­gann eine Lie­be, die ein gan­zes Le­ben lang an­dau­ern sollte.

Let’s go West

Sechs Jazz-Stücke für Klavier - Walter Eigenmann
An­zei­ge

In Düs­sel­dorf wächst der klei­ne Klaus in der Zeit des Wirt­schafts­wun­ders her­an. Ame­ri­ka ist Sehn­suchts­ort und vor al­lem mu­si­ka­li­sches, idea­li­sier­tes Vor­bild. Auch wenn die ers­te Ame­ri­ka-Rei­se man­ches re­la­ti­viert und Dol­din­ger über den of­fen zur Schau ge­stell­ten Ras­sis­mus stol­pert, wird dies so blei­ben. Das Kla­vier, das Trom­meln auf Koch­töp­fen und schließ­lich „Häns­chen klein“ als Auf­nah­me­prü­fung am Ro­bert-Schu­mann-Kon­ser­va­to­ri­um, sind nur Sta­tio­nen auf dem Weg zum Te­nor­sa­xo­phon, sei­nem be­vor­zug­ten In­stru­ment. Er geht sei­nen Weg, auch wenn er da­für von der Schu­le kurz vor dem Ab­itur ein Jahr zu­rück­ver­setzt wird, auch ge­gen den Wi­der­stand sei­nes ihm im­mer frem­der wer­den­den Vaters.

Leben für die Musik

Klaus Doldinger - 50 Jahre Passport - Glarean Magazin
Wich­ti­ge mu­si­ka­li­sche Sta­tio­nen: Klaus Dol­din­gers 50 Jah­re bei „Pass­port“

Die Viel­sei­tig­keit sei­ner Aus­bil­dung, die im­mer von Lie­be zur Mu­sik und nie­mals auf nur eine be­stimm­te Stil­art be­grenzt ist, wird Klaus Dol­din­ger ein Le­ben lang tra­gen, er wird Or­ches­ter di­ri­gie­ren, Film­mu­si­ken kom­po­nie­ren, aber vor al­lem sei­ne Jazz-Bands (von den „Feet­war­mers“ über das Dol­din­ger Quar­tett und „Mo­ther­hood“ bis zu „Pass­port„) pfle­gen, stets be­seelt von der Freu­de an der Mu­sik, nie­mals auf der Jagd nach Ruhm, Ehre oder ma­te­ri­el­lem Reichtum.
Wir er­fah­ren viel über sein Ver­hält­nis zu Dro­gen, zu sei­ner Ehe­frau Inge, die zu den gro­ßen Kon­stan­ten in ei­nem äu­ßerst um­trie­bi­gen und wech­sel­vol­len Künst­ler­le­ben zählt, das nicht ohne Schick­sals­schlä­ge und Tief­punk­te aus­kom­men kann. Und schließ­lich le­sen wir die kur­ze Epi­so­de, die schil­dert, wie es zu den be­rühm­ten Me­lo­dien des „Tat­ort“ und von „Das Boot“ kom­men konnte.
Und nicht zu­letzt ist Klaus Dol­din­ger, längst Welt­bür­ger und Trä­ger des Bun­des­ver­dienst­kreu­zes, enorm vie­len Men­schen be­geg­net. Udo Lin­den­berg ist nur ei­ner da­von – auch da­von er­zählt er in sei­nem 320 Sei­ten star­ken Buch.

Ein Stück deutsche Kulturgeschichte

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Klaus Dol­din­gers „Made in Ger­ma­ny“, das durch­ge­hend in der Ich-Form ver­fasst ist, wirkt wie die Me­moi­ren ei­nes er­füll­ten und er­folg­rei­chen Mu­sikerle­bens, das wie für jede Note, für jede künst­le­ri­sche Be­geg­nung und Er­fah­rung dank­bar ist. In die­sem Zuge ist es auch ein Stück deut­scher Kul­tur­ge­schich­te, das die Ent­ste­hung des Jazz „made in Ger­ma­ny“ in der deut­schen Nach­kriegs­zeit nachskizziert.
Noch le­ben­di­ger wird die­se mu­si­ka­li­sche Ent­wick­lung, wenn man die in vie­len Ab­schnit­ten als QR-Codes ein­ge­füg­ten Mu­sik­bei­spie­le dazu anhört.
Ein un­be­dingt le­sens­wer­tes Buch – auch für Jazz-Muffel! ♦

Klaus Dol­din­ger: Made in Ger­ma­ny – Mein Le­ben für die Mu­sik, 320 Sei­ten, Pi­per-Ver­lag, ISBN 978 3492 071 246

Le­sen Sie im GLAREAN MAGAZIN zum The­ma Jazz auch über Ken­ny Gar­rett: Sounds from the Ancestors


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