Peter Biro: Die wahre Natur der Entenvögel (Humoreske)

Die wahre Natur der Entenvögel

Peter Biro

Lange Zeit hat man den Man­tel des Schwei­gens bzw. das Grab­tuch der Ver­leug­nung über die wahre Natur der Enten­vö­gel gebrei­tet. Sehr lange sogar, wenn man bedenkt, dass bereits im aus­ge­hen­den 19. Jahr­hun­dert erste Ver­mu­tun­gen dar­über ange­stellt wur­den, dass diese Was­ser­vö­gel von außer­ir­di­scher Pro­ve­ni­enz sein könnten.

Humoreske: Die wahre Natur der Entenvögel - Konspiratives Ententreffen (Collage von Peter Biro)
Kon­spi­ra­ti­ves Enten­tref­fen (Col­lage von Peter Biro)

Der erste, der diese Fest­stel­lung hand­schrift­lich auf einer Ser­vi­ette des Bis­tros “L´Aubaine en Ville” auf­ge­zeich­net und andern­tags bei einer Zusam­men­kunft der Pari­ser Beu­tel­rat­ten­for­scher – sogar non­ver­bal mit­tels pan­to­mi­mi­scher Dar­stel­lung – aus­ge­spro­chen hatte, war kein Gerin­ge­rer als Antoine Horst D´Oevre, der berühm­teste Astralor­ni­tho­loge sei­ner Zeit, nament­lich der Epo­che der aus­ge­hen­den Gasbeleuchtung.
Auf­grund sei­ner jah­re­lan­gen Beob­ach­tun­gen am Rande des benach­bar­ten Wei­hers hatte er jene bahn­bre­chende Ein­sicht gewon­nen, und gleich da, im feuch­ten Röh­richt beschlos­sen, etwas gegen die sich abzeich­nende Bedro­hung zu unter­neh­men. Er brachte den Mut auf, seine Theo­rie über die spek­ta­ku­läre Her­kunft und den heim­tü­cki­schen Auf­trag des Enten­vol­kes im Kreise sei­ner Zunft­kol­le­gen bekannt­zu­ma­chen. Die All­ge­mein­heit hin­ge­gen wurde geflis­sent­lich über­gan­gen und über das unheim­li­che Wesen der glo­ba­len Enten­schaft im Unkla­ren gelas­sen. Im Gegen­teil, man unter­nahm von Sei­ten der Ein­ge­weih­ten alles, um diese Vögel zu ver­harm­lo­sen und sie ledig­lich als Quelle von Fleisch, Eiern und Dau­nen zu portraitieren.

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Kurz zusam­men­ge­fasst, so führte D´Oevre mit­tels aus­drucks­star­ker Ges­ti­ku­la­tion aus, han­delte es sich bei Enten um eine raf­fi­niert getarnte und vor­sorg­lich ein­ge­schmug­gelte Art von Ali­ens, die den Pla­ne­ten Erde aus­kund­schaf­ten und für eine spä­tere Über­nahme durch die außer­ir­di­sche Zivi­li­sa­tion der Par­ak­to­p­ly­gi­schen Blefu­lan­ten – eine Antoine bes­tens bekannte, außer­ga­lak­ti­sche Lebens­form – vor­be­rei­ten soll­ten. Unsere so harm­los aus­schau­en­den Enten ver­mö­gen dank ihrer Mobi­li­tät in alle Win­kel sämt­li­cher irdi­schen Kli­ma­zo­nen vor­zu­drin­gen, diese gründ­lich zu erfor­schen und ihre Erkennt­nisse an die außer­ir­di­schen Auf­trag­ge­ber weiterzuleiten.
Dank ihrer Viel­sei­tig­keit kön­nen sie sich über­all unge­niert fort­be­we­gen: An Land nennt man das “wat­scheln”, auf dem Was­ser tun sie “pad­deln”, und in der Luft sieht man sie grup­pen­weise “flat­tern”. Die lus­tig tau­melnde Fort­be­we­gung an Land gestal­ten sie als ein geschick­tes Täu­schungs­ma­nö­ver, um die Men­schen von Ver­mu­tun­gen abzu­hal­ten, sie könn­ten eine Gefahr für die mensch­li­che Zivi­li­sa­tion dar­stel­len. Sie bauen dabei auf das weit ver­brei­tete mensch­li­che Vor­ur­teil, dass jemand, der mit dem Bür­zel wedelt, ein harm­lo­ser Zeit­ge­nosse sein muss.

Ver­deckte Ermitt­lun­gen: Abge­tauchte Ente

Der­ge­stalt in alle Him­mels­rich­tun­gen beweg­lich, also a) wat­schelnd, b) pad­delnd und c) flat­ternd, haben die Enten und ihre wil­li­gen Kol­la­bo­ra­teure alle Ein­zel­hei­ten der Erd­ober­flä­che samt Fluss­auen, Bin­nen­seen, ess­ba­ren Mate­ria­lien, Boden­schät­zen und geeig­ne­ten Lan­de­plät­zen aus­ge­kund­schaf­tet. Ihre Erkennt­nisse wie­derum lei­te­ten sie mit­tels eines Geheim­codes – den wir nai­ver­weise als unver­ständ­li­ches “Geschnat­ter” wahr­neh­men – an ihre bös­wil­li­gen Auf­trag­ge­ber wei­ter. Letz­tere wie­derum ver­ar­bei­ten die ankom­men­den Enten­rufe zu nütz­li­chen Infor­ma­tio­nen zuhan­den ihrer Mili­tär­stra­te­gen, die damit die Erobe­rung der Erde bes­tens pla­nen können.

Außerirdische Strategen: Flugente
Außer­ir­di­sche Stra­te­gen: Flugente

Auf ihren rie­si­gen Pipe­kalum­pi­schen Schau­ta­feln und mit­tels drei­di­men­sio­na­ler Ani­ma­tio­nen brin­gen die außer­ir­di­schen Stra­te­gen ihre Inva­si­ons­pläne zur inter­pla­ne­ta­ren Dar­stel­lung. So kön­nen die Alien-Ver­ant­wort­li­chen ihre Vor­ge­hens­weise üben und in man­nig­fa­chen Varia­tio­nen durchspielen.
Wann der Zugriff auf unse­ren Pla­ne­ten erfol­gen wird, das wis­sen wir natür­lich nicht, denn die Wege des Herrn Cthul­kus, des obers­ten Ovu­la­tors im par­ak­to­p­ly­gi­schen Him­mel­reich des Exo­pla­ne­ten P.H.1890 Craftl­ove, sind uner­gründ­lich. Dies zumin­dest gemäß dem gelen­ki­gen Horst D´Oevre, der oben­drein meint, dass die Inva­sion unmit­tel­bar bevor­steht. Oder mit ande­ren Ges­ten aus­ge­drückt, dass es sich dabei nur noch um Jahr­hun­derte han­deln kann.

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Es ist schon befremd­lich, wie falsch wir betref­fend der Ana­ti­dae genann­ten Enten­vö­gel lagen. Laut “Brehms Tier­le­ben” sind diese in 47 Gat­tun­gen und 150 Arten unter­teilt. Die bekann­tes­ten dar­un­ter sind die Stock­enten, Krick­enten, Tan­gen­ten und Peking­en­ten. Wäh­rend die Stock­enten sich in städ­ti­schem Umfeld bewe­gen und höhere Gebäude nach geeig­ne­ten Beob­ach­tungs­pos­ten unter­su­chen, stu­die­ren Krick­enten die Eig­nung von Sport­sta­dien als mög­li­che Ver­samm­lungs­orte für Alien-Kom­man­dos. Die Tan­gen­ten ken­nen sich beson­ders gut mit kur­ven­rei­chen Gewäs­sern aus, die her­vor­ra­gende Ver­steck­mög­lich­kei­ten für heim­lich gelan­dete Lan­de­fäh­ren bie­ten. Peking­en­ten wie­derum haben sich auf das Aus­kund­schaf­ten von asia­ti­schen Restau­rants spe­zia­li­siert, die bekannt­lich über­all vor­kom­men, und als unauf­fäl­lige Ein­tritts­pfor­ten für die außer­ir­di­sche Inva­sion die­nen kön­nen. Die ers­ten ali­e­ni­schen Lan­dungs­trup­pen würde man gut und gerne für chi­ne­si­sches Küchen­per­so­nal hal­ten, und ihnen auf diese Weise einen erleich­ter­ten Zugang zu unse­ren sen­si­blen Instal­la­tio­nen ermög­li­chen. Erst wenn es zu spät ist, wer­den die hin­ter den Reis­ko­chern her­vor­krie­chen­den Enter­kom­man­dos ihre Tar­nung als chi­ne­si­sche Gas­tro­no­men abwer­fen, und unsere aus ihrer Per­spek­tive lächer­lich ver­al­te­ten Waf­fen mit ihren fort­schritt­li­chen Glut­amat­ka­no­nen verschmoren.

Nun stellt sich die Frage: was kön­nen wir dage­gen unter­neh­men? Die Enten gna­den­los beja­gen, sie bis in die ent­fern­tes­ten Wei­her ver­fol­gen und nach­ein­an­der abschie­ßen? Das ist gewiss eine Mög­lich­keit – aber wie sich das bei frü­he­ren Kam­pa­gnen zur Schäd­lings­be­kämp­fung her­aus­ge­stellt hat, doch keine nach­hal­tige Lösung. Es wür­den selbst bei größ­tem Jagd­er­folg einige Exem­plare übrig­blei­ben und als unent­deckte sog. “Kund­schaf­ter des kos­mi­schen Frie­dens” die Inva­so­ren mit nütz­li­chen Infor­ma­tio­nen beliefern.
Oder soll­ten wir uns mit unse­rem Schick­sal abfin­den und wei­ter­hin so tun, als wüss­ten wir nichts? Soll­ten wir uns nur hie und da eine Enten­mahl­zeit gön­nen, uns auf deren Dau­nen aus­ru­hen und ihre Eier zu Ostern bema­len, gerade so als wären sie nichts wei­ter als harm­lose Was­ser­vö­gel? Ich sage, nein, und noch­mals nein! Das dür­fen wir nicht tun! Damit wür­den wir unsere Nach­kom­men dem wild­frem­den kos­mi­schen Gesin­del aus­lie­fern und sie einem unge­wis­sen Schick­sal über­las­sen. Also was dann?

Die größte außerirdische Bedrohung seit dem Terminator: Als Ente getarnte Aliens
Die größte außer­ir­di­sche Bedro­hung seit den Pre­da­tors: Als Enten getarnte Aliens

Da wir vom tech­ni­schen, zivi­li­sa­to­ri­schen und gas­tro­no­mi­schen Stand­punkt aus betrach­tet im Hin­ter­tref­fen lie­gen, müs­sen wir die Sache schlau ange­hen. Unsere mensch­li­che, ver­schla­gene Raf­fi­nesse ist den Para­p­ly­gi­schen Blefu­lan­ten völ­lig unbe­kannt. Sie kön­nen sich die mensch­li­che Hin­ter­list, die wäh­rend der Ent­wick­lungs­ge­schichte der Pri­ma­ten evo­lu­tio­när ent­stand und zur höchs­ten Voll­endung ver­fei­nert wurde, nicht vor­stel­len. Damit könn­ten wir den Inva­so­ren bei­kom­men, indem wir im Vor­feld den einen Ober­be­fehls­ha­ber der welt­wei­ten Enten­vö­gel erwi­schen, fest­neh­men und ihn nach ange­mes­se­ner Behand­lung umdre­hen. Das heißt, ihn mit abwech­seln­der B´nB (das ist Beloh­nung und Bestra­fung) gefü­gig machen und ihn ver­an­las­sen, fal­sche Infor­ma­tio­nen an den Blefu­lan­ten-Gene­ral­stab zu schnattern.

Die beste, für Enten geeig­nete kom­bi­nierte B´nB besteht gemäß Horst D´Oevre aus der abwech­seln­den Anwen­dung von Zucker­mais und Peit­sche, am bes­ten durch zwei ver­sierte Ver­hö­rende im Sinne eines Good-Cop-Bad-Cop-Duos. Es gibt nichts Schlim­me­res für eine Ente als ihren glatt­ra­sier­ten Bür­zel mit einer ein­ge­fet­te­ten Fuchs­seh­nen­peit­sche bear­bei­tet zu bekom­men – da würde selbst der zäheste Frie­dens­kund­schaf­ter alles geste­hen und bereit­wil­lig mit­ma­chen. Und der Ver­lo­ckung durch lau­war­men Zucker­mais kön­nen sie alle­samt nicht widerstehen.

Das Pro­blem ist nur: Wie kön­nen wir her­aus­fin­den, wer die­ser Ober­be­fehls­hal­ber des Enten­vol­kes, das heißt, wer wohl der Bunt­ge­fie­derte Omnipot(e)nte Gro­ßerpel ist? Hier­für müs­sen wir eine kon­zen­trierte, groß ange­legte Such­ak­tion orga­ni­sie­ren, bei der alle ver­füg­ba­ren Astralor­ni­tho­lo­gen als lizen­zierte Enten­ana­lys­ten zum Ein­satz kämen. Sie müss­ten dann vor­der­hand mit einer App aus­ge­stat­tet sein, wel­che selbst die unschein­bars­ten Merk­male des Gro­ßerpels erken­nen und deren unzwei­deu­tige Ent­de­ckung – eigent­lich Ent(e)deckung – anzeigt. Diese auf der Kom­bi­na­tion von Qua­li­täts­op­tik und Künst­li­cher Intel­li­genz basie­rende Tech­no­lo­gie ist durch meh­rere Pat(e)nte geschützt und funk­tio­niert zuver­lä­ßig selbst auf grö­ßere Ent(e)fernungen.

Antoine Horst D´Oevre hat inzwi­schen sei­nen ent(e)ressierten Zunft­kol­le­gen mit­tels Gri­mas­sen­spra­che aus­rich­ten las­sen, dass er ent(e)schlossen sei, sich per­sön­lich an die Spitze die­ser außer­or­dent­lich wich­ti­gen Ent(e)wicklung zu stel­len. Gerne zeigt er allen inter­es­sier­ten Enten­jä­gern sei­nen ent(e)zückenden neuen Enten­tö­ter, den er sich neu­lich zuge­legt hat, nach­dem er sich den Kauf­preis von sei­ner beschei­de­nen Leibr(e)nte abge­spart hatte. Aber die Ret­tung der Mensch­heit geht vor, und Antoine drückt tan­zend seine Zuver­sicht dar­über aus, dass wir den Obe­rer­pel erwi­schen kön­nen. Er meint, der Trick sei, sobald die­ser ent(e)tarnt wurde, ihn nicht mehr ent(e)kommen zu lassen.
Aber jetzt ist es noch zu früh für eine Ent(e)warnung. Es gibt viel zu tun, und von einer Ent(e)spannung sind wir noch weit ent(e)fernt. Hof­fen wir, dass unser Plan gelin­gen wird, und wir im Erfolgs­fall uni­sono ver­kün­den kön­nen: “Ente gut, alles gut!” ♦

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Außer­dem im GLAREAN zum Thema Ente über Cars­ten Priebe: Reise durch die Auf­klä­rung – “Eine Ente erobert die Welt”


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