E. Pormeister: Grenzgängerinnen – Gertrud Leutenegger & Silja Walter

Fortgehen und Daheimbleiben in einem

von Günter Nawe

Zwei schrei­ben­de Frau­en, zwei be­deu­ten­de Schwei­zer Schrift­stel­le­rin­nen – mit dem li­te­ra­ri­schen Schaf­fen von Ger­trud Leu­ten­eg­ger (geb. 1948) und der Non­ne Sil­ja Wal­ter (1919-2011) be­schäf­tigt sich die est­ni­sche Ger­ma­nis­tin und Li­te­ra­tur­wis­sen­schaft­le­rin Eve Por­meis­ter, Pro­fes­so­rin an der Uni­ver­si­tät Tar­tu. Sie hat be­reits in Ein­zel­stu­di­en über bei­de Au­torinn­nen ge­ar­bei­tet und kann dar­über hin­aus als Ex­per­tin für Schwei­zer Li­te­ra­tur gelten.

Eve Pormeister - Grenzgängerinnen - Saxa VerlagIn dem vor­lie­gen­den Band legt sie neue Stu­di­en über die bei­den „Grenz­gän­ge­rin­nen“ Ger­trud Leu­ten­eg­ger und Sil­ja Wal­ter vor – li­te­ra­ri­sche Es­says, die ein­zeln und ne­ben­ein­an­der ge­le­sen wer­den kön­nen, und die doch zu­sam­men­hän­gen. Für Eve Por­meis­ter ist das Band, das bei­de Schrift­stel­le­rin­nen ver­bin­det, das „Fort­ge­hen und Da­blei­ben in ei­nem“ (Sil­ja Wal­ter). Bei­de sit­zen sie auf ei­nem Baum: eine auf ih­rem „Ap­fel­baum“, die an­de­re auf ih­rem „Wol­ken­baum“. Me­ta­phern, wie sie in der Dich­tung der ei­nen und an­de­ren zu fin­den sind. Von ih­ren „Bäu­men“ her­ab zei­gen sie uns die Welt – zeit­kri­tisch, spi­ri­tu­ell, ly­risch und sprachmächtig.

Farbenreiche musikalische Sprachbilder

"Farbenreiche und musikalische Sprachbilder": Gertrud Leutenegger
„Far­ben­rei­che und mu­si­ka­li­sche Sprach­bil­der“: Ger­trud Leutenegger

Eve Por­meis­ter be­schreibt die ge­bür­ti­ge In­ner­schwei­ze­rin Leu­ten­eg­ger als sehr poe­ti­sche Au­torin. Nahe am Werk zeigt sie die far­ben­rei­chen und mu­si­ka­li­schen Sprach­bil­der als Ge­gen­ent­wurf zu den – wie Por­meis­ter schreibt – „er­starr­ten Denk- und Ver­hal­tens­mus­tern“. Ex­em­pla­risch dar­ge­stellt am Ro­man „Vor­abend“ zum Bei­spiel. Und sie zi­tiert Leu­ten­eg­ger: „Ich schrei­be, um aus mei­nen Schmer­zen ein Fest zu ma­chen“. Schmerz­li­che Er­fah­run­gen macht die Leu­ten­eg­ger auch in ih­rem Werk „Po­mo­na“, das Eve Por­meis­ter eben­falls aus­führ­lich un­ter­sucht und deutet.
Da­bei er­fah­ren wir, dass es sich – wie spä­ter auch bei Sil­ja Wal­ter – nicht um fe­mi­nis­ti­sche Li­te­ra­tur, nicht um eine écri­tu­re fé­mi­ni­ne han­delt, son­dern ein­fach nur um „Tex­te von weib­li­cher Hand“. Bei­der Poe­tik ist al­ler­dings je­weils eine „schmerz­li­che und not­wen­di­ge Grenz­erfah­rung“ in vie­ler­lei Hinsicht.

Dichterin und Nonne

Silja Walter - Glarean Magazin
Spi­ri­tua­li­tät mit Poe­sie ver­bun­den: Sil­ja Walter

Die Non­ne und Dich­te­rin Sil­ja Wal­ter ver­steht es auf ho­hem li­te­ra­ri­schem Ni­veau, Spi­ri­tua­li­tät mit Poe­sie zu ei­ner re­li­giö­sen Dich­tung zu ver­bin­den. Wer­ke wie ihre Ge­dich­te (z.B. „Die Feu­er­tau­be“ 1985), Chro­nik­spie­le (u.a. „Die Jahr­hun­dert-Trep­pe“ 1981), Thea­ter­stü­cke („Sie ka­men in die Stadt“ 1982) und Pro­sa („Der Wol­ken­baum. Mei­ne Kind­heit im al­ten Haus“ 1991) be­le­gen dies. Por­meis­ter ver­sucht die „Aus­sen­sei­te­rin“ in die schwei­ze­ri­sche Li­te­ra­tur ein­zu­ord­nen und ihr den Platz, den sie ver­dient, zu­zu­wei­sen. Sie macht dies sehr klug, und sie ver­deut­licht da­mit auch die Ver­bin­dung, ja die „Ver­wandt­schaft“ mit Ger­trud Leutenegger.

Ich glaube, darum schreibe ich“

Sil­ja Wal­ter über sich selbst: „Ich bin nicht Schrift­stel­le­rin / und dazu noch Non­ne. / Ich bin nur eine Non­ne, / die schreibt. / Ich glau­be, dar­um schrei­be ich.“ – „Ich glau­be, dar­um schrei­be ich“ ist eine Art dich­te­ri­schen Cre­dos, das ihr gan­zes Werk durch­zieht. Von ihr wur­de ein­mal ge­schrie­ben: …wie nie­mand sonst schafft Sil­ja Wal­ter im Ein­klang mit ih­rem Be­kennt­nis Wer­ke, die li­te­ra­risch auf der Höhe un­se­rer Zeit ste­hen.“ („Welt­wo­che“ 1977). Eve Por­meis­ter be­stä­tigt die­se Wür­di­gung 30 Jah­re Jah­re spä­ter mit ih­rem Essay.

Fazit: Das Werk Gertrud Leuteneggers und Silja Walters, der beiden bekannten Schweizer Autorinnen und
Das Werk Ger­trud Leu­ten­eg­gers und Sil­ja Wal­ters, der bei­den be­kann­ten Schwei­zer Au­torin­nen und „Grenz­gän­ge­rin­nen“, hat in der gleich­na­mi­gen, sehr le­sens­wer­ten Un­ter­su­chung von Eve Por­meis­ter über­zeu­gen­de Deu­tun­gen erfahren.

Grenz­gän­ge­rin­nen“ also zwi­schen Poe­sie und Er­zäh­lung, zwi­schen Zeit­kri­tik und spi­ri­tu­el­ler Er­fah­rung. So mit den Au­gen der Li­te­ra­tur­wis­sen­schaft­le­rin Por­meis­ter ge­le­sen zei­gen sich neue Aspek­te im Werk der bei­den Au­torin­nen – oder be­stä­ti­gen be­stehen­de Auf­fas­sun­gen. Geis­tes­ver­wandt bei­de: Ger­trud Leu­ten­eg­ger und Sil­ja Wal­ter, de­nen „die­se Lust: eine Welt ent­flam­men zu las­sen“ ge­mein­sam ist.
Das Werk Leu­ten­eg­gers und Wal­ters hat in die­ser Un­ter­su­chung über­zeu­gen­de Deu­tun­gen er­fah­ren, und die wun­der­ba­ren Ar­bei­ten von Eve Por­meis­ter, er­gänzt um per­sön­li­che Ge­sprä­che mit den Au­torin­nen, „ent­flam­men“ auch den Le­ser, ma­chen neu­gie­rig auf mehr. Was kann man Bes­se­res von ei­nem Buch sagen! ♦

Eve Por­meis­ter: Grenz­gän­ge­rin­nen – Ger­trud Leu­ten­eg­ger / Sil­ja Wal­ter, 222 Sei­ten, SAXA Ver­lag, ISBN 978-3-939060-26-0

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma „Tex­te von Schwei­zer Au­torin­nen“ auch von Pau­la Küng: Pa­ris pour tou­jours (Kurz­pro­sa)

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