Matthias Berger: Zwei Kurzprosa-Texte

Zwei Kurzprosa-Texte

Die Luft, die wir atmeten, liessen wir dort

Es war eine Zeit der Korn­blu­men. Eine In­sel­zeit, mit lau­ter Men­schen, die ich nie wie­der se­hen wür­de, die mich auf nichts be­haf­te­ten, da sie mich zum ers­ten Mal trafen.
Und es wur­de die Zeit ih­res blau­en, wei­ten Blicks, ih­rer rot­blon­den Lo­cken, durch die mei­ne Fin­ger fuh­ren und an de­nen sie sich hiel­ten in sel­te­ner Entschlossenheit.
Es wur­de die Zeit der kla­ren Wor­te – ro­man­tisch, aber ohne Kitsch – die ge­schichts­los wa­ren und blie­ben, die kei­ne Rück­sicht kann­ten und tra­fen. Wor­te, die wür­zig wa­ren wie die Luft, in die sie ge­spro­chen wurden.
Es war auch die Zeit der Zi­ga­ret­ten­küs­se, der scham­lo­sen Ver­le­gen­hei­ten, der ver­we­ge­nen Schüchternheit.
„Mor­gen kommt erst Über­mor­gen“, spray­ten die Göt­ter an den blau­en Him­mel, und der Wind der Ost­see ver­blies das nicht.
Die Luft, die wir at­me­ten lies­sen wir dort. Das Foto von dir nahm ich mit. ♦


Kürzlich traf ich einen

Kürz­lich traf ich ei­nen. Nun hat­te ich zu­fäl­lig ge­ra­de Theo­lo­gie stu­diert und kam mit den Un­weg­sam­kei­ten des Le­bens gut zurecht.
So frag­te ich den, ob ich ihn zu ei­ner Par­tie Dog­ma­tik her­aus­for­dern dürfe.
Er wil­lig­te ein. Ich schlug ihn, weil ich mei­ne All­macht lang ge­nug ge­schützt hielt. Im ent­schei­den­den Mo­ment erst brach­te ich sie ak­tiv ins Spiel. Da­ge­gen war er ohnmächtig.
Ich schlug sei­nen Sohn an mein Kreuz. Da gab er auf.
Er reich­te mir die Hand, ver­ab­schie­de­te sich freund­lich und zog sei­nes Wegs.
Hab’ ihn dann nicht mehr ge­se­hen. Net­ter Typ. Kei­ne Ah­nung, wer das war. ♦


Matthias BergerMat­thi­as Berger

Geb. 1961, auf­ge­wach­sen bei Bern, Stu­di­um der evang.-ref. Theo­lo­gie in Bern und Nai­ro­bi, acht Jah­re Ge­mein­de-Pfarr­amt, 4 Jah­re Psych­ia­trie­seel­sor­ge, seit 4,5 Jah­ren Ge­fäng­nis­seel­sor­ger in Pfäf­fi­kon / Kt.ZH, lebt als Spi­tal­seel­sor­ger in Zürich

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