Thaïs Odermatt: Amazonen einer Grossstadt (Film)

Kritik an überholten Gender-Vorstellungen

von Katka Räber

Mit dem Do­ku­men­tar-Film „Ama­zo­nen ei­ner Groß­stadt“ der Schwei­zer Re­gis­seu­rin Thaïs Oder­mann be­ge­ben wir uns in Ber­lin auf die Su­che nach hel­den­haf­ten, kämp­fe­ri­schen Frau­en, die den Mut ha­ben, ihre Träu­me zu le­ben – her­aus aus der tra­di­tio­nel­len Rol­le, ei­ge­nen Ge­set­zen und Vor­stel­lun­gen folgend.

Amazonen einer Grossstadt - Film von Thais Odermatt - Rezensionen Glarean MagazinAma­zo­nen, die weib­li­chen Krie­ge­rin­nen aus der My­tho­lo­gie, die ih­ren ei­ge­nen weib­li­chen Staat re­gier­ten und von vie­len männ­li­chen Au­toren im­mer wie­der be­sun­gen wur­den: Wie kön­nen sie heu­te, in un­se­rer Ge­gen­wart, aus­se­hen und wir­ken? Thaïs Oder­matt, die sel­ber schon in ih­rer Kind­heit auch als Mäd­chen ihre Rech­te und ihre Stel­lung ger­ne kämp­fe­risch er­ober­te (wie sie zu Be­ginn des Films zeigt), lässt uns im span­nen­den Mix vier Frau­en ken­nen­ler­nen, von de­nen jede auf ihre Art ei­nen Kampf führt.

Engagement für die Menschenrechte

  • Die äl­tes­te, die grau­haa­ri­ge Ir­mela Men­sah-Schramm geht als po­li­tisch en­ga­gier­te Men­schen­rechts­ak­ti­vis­tin zu Fuss durch Ber­lin und über­sprayt alle Neo-Nazi-Pa­ro­len und -Zei­chen. Sie kratzt mi­nu­ti­ös alle Kle­ber die­ser Art ab und setzt so ih­ren Wi­der­stand ge­gen die Nazi-Ten­den­zen um.
  • Die in Ban­gla­desch in ei­nem Ab­fall­con­tai­ner als Baby auf­ge­fun­de­ne und in ein Spi­tal und spä­ter in ein Kin­der­heim ge­ret­te­te und nach Dä­ne­mark ad­op­tier­te Sara lebt heu­te als DJ That Fuck­ing Sara in Ber­lin und setzt ihre Wut in Mu­sik in Clubs auf der gan­zen Welt ein. Dar­aus er­ge­ben sich kraft­vol­le Beats, die vie­le Men­schen be­flü­geln – und sie sel­ber von der ei­ge­nen Wut auf die Le­bens­ver­hält­nis­se befreit.

Körperlich kanalisierte Wutentladung

  • Thais Odermatt - Schweizer Film-Regisseurin - Rezensionen Glarean Magazin
    Re­gis­seu­rin Thais Oder­matt (Geb. 1980 in Stans/CH)

    Auch die Ukrai­ne­rin Ma­ry­na Ivash­ko hat den un­wi­der­steh­li­chen Drang nach kör­per­li­cher, ge­steu­er­ter, ka­na­li­sier­ter Wut­ent­la­dung un­ter dem Ein­satz von Kraft nach un­er­bitt­li­chem Trai­ning und so­gar bru­ta­lem Zwei­kampf des MMA (Mi­xed Mar­ti­al Arts). Es war für mich schwie­rig, die bru­ta­len Kämp­fe, bei de­nen alle Kampf­sport­tech­ni­ken ein­ge­setzt wer­den, an­zu­schau­en. In­ter­es­sant, wie un­ter­schied­lich die Le­bens­en­er­gie aus­ge­lebt wer­den kann. Die aus­drucks­schö­ne Ma­ry­na braucht, ih­rer Aus­sa­ge nach, die­sen kör­per­li­che Kampf.

  • Ganz an­ders die vier­te Prot­ago­nis­tin, die kur­di­sche Ex-Gue­ril­la­krie­ge­rin Zi­lan, die als 13-Jäh­ri­ge von den El­tern in die Ber­ge von Kur­di­stan als Frei­heits­kämp­fe­rin ge­schickt wor­den ist. Sie leb­te zehn Jah­re als Kämp­fe­rin und sagt jetzt, in Ber­lin le­bend als die sanf­te Mut­ter ei­nes Ba­bys, ein Ge­wehr in den Hän­den zu hal­ten ent­mensch­li­che voll­kom­men. Es dür­fe nie so weit kom­men. Da­mals, als Gue­ril­la­krie­ge­rin, war sie be­reit zu ster­ben. Jetzt will sie le­ben und hel­fen, die Zu­kunft po­si­tiv zu gestalten.

Die moderne Amazone

Ama­zo­nen ei­ner Gross­stadt“ räumt auf mit der Vor­stel­lung, alle Frau­en sei­en nur sanft und zahm und ganz wut- und ag­gres­si­ons­frei. Der Do­ku­men­tar­film lädt ein zu ei­ner sehr span­nen­den Aus­ein­an­der­set­zung mit über­lie­fer­ten, kon­ser­va­ti­ven Gen­der­vor­stel­lun­gen. Und es gibt sie auch heu­te noch, und heu­te erst recht: Die Ama­zo­nen, die mu­ti­gen, oft wü­ten­den, en­ga­gier­ten Kämp­fe­rin­nen für un­ter­schied­lichs­te An­lie­gen – nicht nur in Berlin… ♦

Thaïs Oder­matt (Re­gie): Ama­zo­nen ei­ner Gross­stadt, Do­ku­men­tar­film, 66 Minuten

Le­sen Sie im GLAREAN MAGAZIN zum The­ma Film auch über R. & S. Zür­cher: Das Mäd­chen und die Spin­ne (Spiel­film)


Kommentare sind willkommen! (Keine E-Mail-Pflicht)