Giuseppe Tartini: 4-parts Sonatas and Sinfonias (CD)

Meisterhaft transparente Vorklassik

von Horst-Dieter Radke

Giu­sep­pe Tart­i­ni (1692-1770), ein ita­lie­ni­scher Kom­po­nist und Vio­li­nist, der noch ein jun­ger Mann war, als Co­rel­li starb, und der Vi­val­di im­mer­hin noch um dreis­sig Jah­re über­leb­te, ist vor al­lem we­gen sei­ner sog. Teu­fel­stril­ler-So­na­te – hier eine Vi­deo-Auf­nah­me mit Anne-So­phie Mut­ter – in Er­in­ne­rung. Doch we­ni­ger die­ser So­na­te als der Ge­schich­te we­gen, die sich dar­um rankt. Denn er selbst soll er­zählt ha­ben, dass ihm der Teu­fel im Traum er­schie­nen und ihm wun­der­bar auf der Vio­li­ne vor­ge­spielt habe, so dass er nach dem Er­wa­chen – un­fä­hig dies zu re­pro­du­zie­ren – zu­min­dest mit je­ner So­na­te eine Ah­nung von die­ser teuf­lisch schö­nen Mu­sik zu­stan­de ge­bracht ha­ben will.

Die „Teu­fel­stril­ler“ wird heu­te noch von vie­len Künst­lern ge­spielt, lei­der aber oft aus­schliess­lich – und da­mit die Viel­zahl an Kom­po­si­tio­nen des Meis­ters, der da­mals ei­nen gros­sen Ein­fluss auf die eu­ro­päi­sche Mu­sik hat­te (etwa bei dem Dresd­ner Ka­pell­meis­ter Nau­mann oder des preus­si­schen Kö­nigs Fried­richs Haus- und Hof­kom­po­nis­ten Jo­hann Gott­lieb Graun) in den Hin­ter­grund rü­cken. Al­lein des­halb ist jede an­de­re Ein­spie­lung Tart­i­ni­scher Mu­sik grund­sätz­lich zu begrüssen.

Streichquartett oder reduziertes Orchester?

Tartini - 4-parts Sonatas and Sinfonias - Musik-Rezensionen Glarean MagazinNun aber aus­ge­rech­net vier­stim­mi­ge Strei­cher­so­na­ten und Sin­fo­ni­as aus dem Spät­ba­rock? Tat­säch­lich auch mit der üb­li­chen Quar­tett­be­set­zung – zwei Vio­li­nen, Vio­la und Cel­lo in­ter­pre­tiert? Wo­mög­lich Streich­quar­tet­te aus ei­ner Zeit, in der es die­se doch noch gar nicht ge­ge­ben ha­ben kann? Hat denn nicht erst Jo­sef Haydn die Vor­la­ge für die­se „Form“ ent­wi­ckelt, die dank­bar von Mo­zart auf­ge­grif­fen, von Beet­ho­ven, Schu­bert und an­de­ren aus- und wei­ter­ent­wi­ckelt wur­de? So ganz über­gangs­los ist das na­tür­lich nicht pas­siert, denn in klei­nen Be­set­zun­gen hat man auch schon frü­her mu­si­ziert. Die ba­ro­cke Trio­so­na­te ist ein gu­tes Bei­spiel da­für, doch un­ter­schei­det sich die­se noch durch den Ge­ne­ral­bass deut­lich von der spä­te­ren Quar­tett­be­set­zung, in der je­des In­stru­ment eine gleich­be­rech­tig­te Stim­me hat. Der sehr in­for­ma­ti­ve Text im Book­let zur CD gibt dazu aus­führ­lich Ant­wort auf die­se Fra­gen und be­schreibt, wie die­se Kom­po­si­tio­nen Tart­i­nis aus der Mu­si­zier­pra­xis des Meis­ters und sei­ner Schü­ler ent­stan­den sein könnten.

Vision einer Ausführung vor 250 Jahren

Tartini - Teufelstriller-Sonate - Zeitgenössische Illustration - Glarean Magazin
Lou­is-Lé­o­pold Boil­ly: Der Teu­fel gibt Tart­i­ni im Traum die „Tril­ler-So­na­te“ ein (Ra­die­rung 1824)

Das En­sem­ble Il De­me­trio wird der noch un­ent­schlos­se­nen Aus­füh­rung der vier­stim­mi­gen Stü­cke da­durch ge­recht, dass sie die­se teil­wei­se nur mit Strei­chern und bei ei­ni­gen Sonaten(sätzen) mit zu­sätz­li­chem Bas­so con­ti­nuo – auf ei­nem Cem­ba­lo aus­ge­führt – ein­ge­spielt hat. Und sie spie­len die Kom­po­si­tio­nen der Zeit, der sie ent­stammt, an­ge­mes­sen und nicht so, wie man es bei man­chen In­ter­pre­ten der Teu­fel­stril­ler­so­na­te hört, als wäre ein klas­si­scher Kom­po­nist der Ur­he­ber gewesen.

FAZIT: Bei der neu­en CD von Il De­me­trio mit 4-parts So­na­tas and Sin­fo­ni­as von Giu­sep­pe Tart­i­ni han­delt es sich um eine be­ach­tens­wer­te Ein­spie­lung von Mu­sik des Spät­ba­rocks und der Vor­klas­sik jen­seits der gän­gi­gen Mus­ter – und vor al­lem mit ei­nem Re­per­toire, das man nicht schon zur Ge­nü­ge von -zig an­de­ren Ein­spie­lun­gen kenn. Zu­dem aus­ge­führt von Mu­si­kern, de­nen man nicht nur die Freu­de am Mu­si­zie­ren an­hört, son­dern auch die Kom­pe­tenz, mit der sie die­se Kom­po­si­tio­nen meistern.

Der ers­te Ein­druck, dass es sich um ba­ro­cke Con­cer­tos mit re­du­zier­tem Per­so­nal han­delt, ver­fliegt schon nach we­ni­gen Tak­ten. Man hat den Ein­druck, dass man eine Sin­fo­nia noch nie so trans­pa­rent ge­hört hat wie in die­ser Ein­spie­lung. Und fast wie von selbst ent­steht beim Hö­ren das Bild, wie der Meis­ter ei­ni­gen Schü­lern sei­ne No­ten aufs Pult legt und sie auf­for­dert, zu spie­len; wie er her­um­geht, zu­frie­den ni­ckend, über die Leis­tun­gen sei­ner Adep­ten, sich dann und wann ans Cem­ba­lo setzt um die Mu­sik zu un­ter­stüt­zen, und dann doch wie­der die vier Mu­si­ker al­lein spie­len lässt. Viel zu schnell ist die Stun­de um, die die­se CD vorhält.

Kurz­um: Es han­delt sich um eine be­ach­tens­wer­te Ein­spie­lung von Mu­sik des Spät­ba­rocks und der Vor­klas­sik jen­seits der gän­gi­gen Mus­ter – und vor al­lem mit ei­nem Re­per­toire, das man nicht schon zur Ge­nü­ge von -zig an­de­ren Ein­spie­lun­gen kennt, und aus­ge­führt von Mu­si­kern, de­nen man nicht nur die Freu­de am Mu­si­zie­ren an­hört, son­dern auch die Kom­pe­tenz, mit der sie die­se Kom­po­si­tio­nen ausführen. ♦

Gu­i­sep­pe Tart­i­ni: 4-parts So­na­tas and Sin­fo­ni­as – Il De­me­trio & Mau­ricio Schia­vo, La­bel Bril­li­ant Clas­sics – Au­dio-CD 54min.

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma Vor­klas­si­sche Mu­sik auch über das So­j­ka-Streich­quar­tett: Erst­ein­spie­lun­gen böh­misch-mäh­ri­scher Quartette

… so­wie zum The­ma Ba­rock­mu­sik über Bern­hard Moos­bau­er: Vi­val­di – Die vier Jahreszeiten

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