Interview mit Beat Hüppin (Antium Literatur-Verlag)

Das qualitätsvolle Buch hat Zukunft”

Interview: Walter Eigenmann

Der Schwei­zer Schrift­stel­ler Beat Hüp­pin, ge­bo­ren 1976 mit fin­ni­schen Wur­zeln müt­ter­li­cher­seits im schwy­ze­ri­schen Wan­gen, stu­dier­te in Zü­rich la­tei­ni­sche und deut­sche Li­te­ra­tur- und Sprach­wis­sen­schaft und un­ter­rich­tet an der Kan­tons­schu­le Aus­ser­schwyz La­tein und Deutsch. 2016 brach­te er beim Ber­ner Zyt­glog­ge Ver­lag sei­nen ers­ten Ro­man “Tal­was­ser” heraus.
Vor ei­ni­gen Mo­na­ten grün­de­te Hüp­pin nun mit drei Mit­strei­te­rin­nen den An­ti­um Ver­lag, der sich vor­wie­gend bel­le­tris­ti­scher, auch fin­ni­scher und ita­lie­ni­scher Li­te­ra­tur wid­men will. Der Neu­ver­le­ger über sei­nen frisch­ge­ba­cke­nen An­ti­um: “Der Ver­lag ist grund­sätz­lich of­fen für Tex­te ver­schie­de­ner in­halt­li­cher Aus­rich­tung, mit dem An­spruch, dass die Bü­cher un­ter­halt­sam und in­tel­li­gent zu­gleich sein sollten.”
Das Glarean Ma­ga­zin frag­te Beat Hüp­pin nach den Ziel­set­zun­gen die­ses heut­zu­ta­ge mu­ti­gen Schrit­tes ei­ner Verlagsgründung.

Glarean Ma­ga­zin: Im Früh­ling die­ses Jah­res star­te­ten Sie Ih­ren neu­en An­ti­um Ver­lag – ist al­les wunsch­ge­mäss angelaufen?

Beat Hüppin - Antium Verlag - Interview im Glarean Magazin 2018Beat Hüp­pin: Ja, wir konn­ten alle vor­be­rei­ten­den Ar­bei­ten bis zur ers­ten Ver­öf­fent­li­chung ter­min­ge­recht ab­schlies­sen. Es war si­cher­lich die rich­ti­ge Ent­schei­dung, sich zu­nächst auf eine ein­zi­ge Buch­pu­bli­ka­ti­on zu kon­zen­trie­ren, so dass wir alle da­mit zu­sam­men­hän­gen­den Pro­zes­se ein­mal ken­nen­ler­nen konn­ten. Da­ne­ben konn­ten wir auch für das neue Jahr 2019 schon zahl­rei­che in­ter­es­san­te Kon­tak­te knüp­fen, die es uns er­mög­li­chen, ein reich­hal­ti­ges und span­nen­des Pro­gramm zu prä­sen­tie­ren. Un­ser Kick­off-Apé­ro zeug­te von ei­nem re­gen In­ter­es­se an un­se­rem Ver­lag. Ob sich dies auch in ge­nü­gend Buch­ver­käu­fe um­mün­zen lässt, ist nun na­tür­lich die nächs­te span­nen­de Frage.

GM: Wir le­ben in im­mer stär­ker glo­bal be­stimm­ten Li­te­ra­tur­märk­ten; das Self-Pu­bli­shing gras­siert; die Book-on-De­mand-Ser­vices ver­zeich­nen hohe Wachs­tums­ra­ten; You­tube und Li­te­ra­tur sind längst sich er­gän­zen­de Be­grif­fe; die So­cial Me­di­as sind rand­voll mit “of­fi­zi­el­ler” und “pri­va­ter” Li­te­ra­tur; die in­ter­na­tio­na­len Buch­ver­la­ge ver­hö­kern ihre Best­sel­ler wie To­ma­ten­ver­käu­fer – ist da ein Re­gio­nal­ver­lag wie der An­ti­um Ver­lag nicht ein kom­plet­tes Auslaufmodell?

BH: Wir sind über­zeugt, dass ein Klein­ver­lag, der re­la­tiv we­ni­ge, sorg­fäl­tig aus­ge­wähl­te Bü­cher pu­bli­ziert, wei­ter­hin sei­ne Da­seins­be­rech­ti­gung hat. Bei Self-Pu­bli­shing und BoD fehlt eine Se­lek­ti­on und Qua­li­täts­kon­trol­le, was man – so leid es mir tut – im­mer wie­der be­merkt. Seit ich sel­ber als Au­tor un­ter an­de­rem beim Zyt­glog­ge Ver­lag pu­bli­zie­ren durf­te, weiss ich, was ein hoch­ste­hen­des Lek­to­rat aus­macht, auch die ge­nau auf das Buch ab­ge­stimm­te Gra­fik und der pro­fes­sio­nel­le Satz. Ge­nau die­sen Rund­um-Ser­vice wol­len wir un­se­ren Au­toren auch bie­ten. Bei den Über­set­zun­gen kön­nen und wol­len wir nicht mit “in­ter­na­tio­na­len Best­sel­lern” kon­kur­rie­ren, son­dern ein­fach nur Bü­cher brin­gen, die uns sel­ber be­geis­tern und Fa­cet­ten der fremd­spra­chi­gen Kul­tur auf­zei­gen, die der Best­sel­ler-Le­ser nicht mit­kriegt. aus­ser­dem ist an­ge­dacht, in Er­gän­zung zu den alt­her­ge­brach­ten durch­aus auch neue­re Mar­ke­ting­we­ge zu be­schrei­ten – mit So­cial Me­dia, You­tube usw.

GM: Ne­ben Über­set­zun­gen aus dem Fin­ni­schen und Ita­lie­ni­schen will der An­ti­um Ver­lag er­klär­ter­mas­sen Schwei­zer Li­te­ra­tur för­dern. An wel­che li­te­ra­ri­schen Spar­ten ist vor al­lem gedacht?

BH: Wir den­ken pri­mär schon an bel­le­tris­ti­sche Ro­ma­ne. The­ma­tisch soll aber vie­les mög­lich sein, auch Kri­mis, his­to­ri­sche The­men und an­de­res. Be­rei­che wie Fan­ta­sy oder Sci­ence-Fic­tion über­las­sen wir an­de­ren, aber sonst sind wir für vie­les offen.

GM: Ha­ben auch re­gio­na­le The­ma­ta und/oder jun­ge Au­toren im An­ti­um Ver­lag eine Chance?

Mitarbeiter - Antium Verlag - Rahel Schmidig - Elisa Grandi - Ladina Poik - Glarean Magazin
Jun­ge Mit­ar­bei­te­rin ei­nes jun­gen Ver­la­ges: Ra­hel Schmi­dig (Lek­to­rat & Über­set­zun­gen), Eli­sa Gran­di (Mar­ke­ting & Ver­trieb), La­di­na Poik (Lek­to­rat & Grafik)

BH: Auf je­den Fall. Wir wür­den sehr ger­ne jun­ge Au­toren un­ter­stüt­zen und auf­bau­en. Wir sind ja sel­ber auch ein jun­ges Team: Mei­ne drei “Mit­strei­te­rin­nen” sind alle noch in ih­ren Zwan­zi­gern. Ein re­gio­na­les The­ma ist grund­sätz­lich im­mer mög­lich, so­lan­ge der Text über­zeu­gend ge­stal­tet ist und auch eine Re­le­vanz un­ter ei­nem grös­se­ren Blick­win­kel ge­ge­ben ist.

GM: Die zwei an­de­ren Lan­des­spra­chen kön­nen nicht auch noch be­rück­sich­tigt wer­den, oder?

BH: Wir muss­ten nur schon aus per­so­nel­len Grün­den eine Li­mi­tie­rung vor­se­hen. Per­sön­lich fän­de ich zum Bei­spiel rä­to­ro­ma­ni­sche Li­te­ra­tur sehr in­ter­es­sant, aber bei den Über­set­zun­gen ge­hen wir da­von aus, dass wir die­se selbst ma­chen wer­den. Falls wir je­mals in Er­wä­gung zie­hen soll­ten, rä­to­ro­ma­ni­sche Wer­ke zu brin­gen, müss­ten wir ein zu­sätz­li­ches Team­mit­glied fin­den, das sich dar­auf spe­zia­li­sie­ren wür­de. Das Fran­zö­si­sche wür­den wir zur Not noch sel­ber hin­krie­gen, aber auch das ist im Mo­ment kein Thema.

GM: Ist der An­ti­um Ver­lag viel­leicht be­reits im Ge­spräch mit be­kann­te­ren Au­toren, sind entspr. ge­plan­te Na­men schon spruchreif?

Bald mit deutscher Übersetzung im Antium Verlag vertreten? Der bedeutende finnische Autor Antti Tuuri (Geb. 1944) - Glarean Magazin
Bald mit deut­scher Über­set­zung im An­ti­um Ver­lag ver­tre­ten? Der be­deu­ten­de fin­ni­sche Au­tor Ant­ti Tu­uri (Geb. 1944)

BH: Es ste­hen schon di­ver­se in­ter­es­san­te Sa­chen auf der Lis­te, die aber noch nicht alle spruch­reif sind. Eine klei­ne­re Sen­sa­ti­on ist, dass wir die Rech­te an der deut­schen Über­set­zung des Ro­mans “Iki­tie” des Fin­nen Ant­ti Tu­uri er­wer­ben konn­ten. Er ist ei­ner der pro­duk­tivs­ten und er­folg­reichs­ten Au­toren Finn­lands und wur­de schon in et­li­che Spra­chen über­setzt, aber merk­wür­di­ger­wei­se fin­det er in deut­scher Spra­che prak­tisch nicht statt. Das möch­te ich mit mei­ner Über­set­zung ger­ne ändern!

GM: Ein Pro­blem für zu­mal neue Ver­la­ge ist be­kannt­lich die an­ge­mes­se­ne Prä­senz in den Buch­hand­lun­gen; die Bü­cher der gros­sen Play­er sind hier pro­mi­nent, die Klein­ver­la­ge al­len­falls im Ni­schen­re­gal rechts un­ten vor Ort, wenn über­haupt. Wird sich der An­ti­um Ver­lag auf der “klas­si­schen” Buch­han­del-Schie­ne oder doch eher im Web be­we­gen mit sei­nen Titeln?

BH: Bei­des, da wir, wie be­reits er­wähnt, alt­her­ge­brach­te mit mo­der­ne­ren Mar­ke­ting­we­gen ver­bin­den möch­ten. Wir spre­chen über un­se­re Ver­triebs­part­ner durch­aus auch den her­kömm­li­chen Buch­han­del an. Ob es aber ge­lingt, dass die Bü­cher am Ende tat­säch­lich in vie­len Buch­hand­lun­gen auf­lie­gen, wird sich noch zei­gen. Für den An­fang, mit ei­nem ein­zi­gen lie­fer­ba­ren Ti­tel, ist das wohl un­rea­lis­tisch, aber wir ar­bei­ten daran.

GM: Was be­wog den Schrift­stel­ler und Neu­ver­le­ger Beat Hüp­pin per­sön­lich, sich die­sem fi­nan­zi­el­len Wag­nis ei­ner In­ner­schwei­zer Ver­lags­grün­dung auszusetzen?

BH: Der aus­schlag­ge­ben­de Punkt für mich war ein­zig und al­lein, dass ich zu­sätz­lich zu mei­nen ei­ge­nen Ro­ma­nen ger­ne Über­set­zun­gen aus dem Fin­ni­schen ma­chen woll­te. Dann füg­te sich ei­nes zum anderen.

GM: Wird der In­ner­schwei­zer An­ti­um Ver­lag völ­lig au­to­nom ar­bei­ten, oder strebt er fi­nan­zi­el­le und per­so­nel­le Zu­sam­men­ar­bei­ten mit den Schrift­stel­ler­ver­bän­den oder mit na­tio­na­len Kul­tur­in­sti­tu­tio­nen an?

Lesetour Jaakko Melentjeff - Antium Verlag
Der An­ti­um-Ver­lag macht Ernst mit sei­ner Pro­te­gie­rung von in­ter­es­san­ter neu­er Li­te­ra­tur aus Finn­land: Der De­büt-Kri­mi “Die Er­trun­ke­nen” des Schrift­stel­lers Jaak­ko Mel­ent­jeff geht auf Schwei­zer Le­se­tour, hier fin­den sich die Ter­mi­ne der (2-spra­chig ab­ge­hal­te­nen) Au­toren-Le­sun­gen.

BH: Fi­nan­zi­el­le Ko­ope­ra­tio­nen etwa mit Pro Hel­ve­tia, den kan­to­na­len Kul­tur­äm­tern etc. sind in ge­wis­sem Rah­men schlicht not­wen­dig, um die ho­hen Pro­duk­ti­ons­kos­ten (wir dru­cken in der Schweiz) we­nigs­tens ein biss­chen ab­zu­fe­dern. Hin­ge­gen bei der Pro­gramm­ge­stal­tung, also der kon­kre­ten Aus­wahl der ein­zel­nen Ti­tel, wol­len wir voll­kom­men au­to­nom ar­bei­ten. Wie wei­te­re Ko­ope­ra­ti­ons­mög­lich­kei­ten etwa mit den Schrift­stel­ler­ver­bän­den aus­se­hen könn­ten, wird sich im Lau­fe der Zeit noch zeigen.

GM: Wel­chen Stel­len­wert heu­te mes­sen Sie dem ge­schrie­be­nen Wort bei ge­gen­über dem ge­spro­che­nen bzw. ge­gen­über dem Bild? Kön­nen “un­ter­halt­sa­me und in­tel­li­gen­te Bü­cher” – ein Leit­mo­tiv des An­ti­um Ver­lags auf der ei­ge­nen Web­sei­te – Ein­fluss neh­men auf un­se­re Ge­sell­schaft, mög­li­cher­wei­se gar positiven?

BH: Das Buch wur­de schon tau­send­mal tot­ge­sagt, aber wir sind über­zeugt da­von, dass es im­mer noch ein Pu­bli­kum gibt, das für in­ter­es­san­te, teil­wei­se viel­leicht et­was an­spruchs­vol­le­re Bü­cher zu ha­ben ist. Dass man da­mit kaum das ganz gros­se Pu­bli­kum an­spre­chen kann, ist uns egal. Ich kann nicht oft ge­nug be­to­nen, dass wir nur Bü­cher ma­chen, die wir selbst auch toll fin­den. In­so­fern kann, soll der Name An­ti­um auf dem Um­schlag auch zu ei­nem Qua­li­täts­sie­gel wer­den. Den all­ge­mei­nen Trend zu Ober­fläch­lich­keit und Schnell­le­big­keit kön­nen wir mit un­se­ren Bü­chern si­cher­lich nicht um­keh­ren. Wir kön­nen aber mit et­was, von dem wir selbst über­zeugt sind, be­wusst ei­nen Ge­gen­pol set­zen.

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin auch das In­ter­view mit dem Schwei­zer Schrift­stel­ler René Oberholzer

… so­wie den Es­say über die hie­si­ge Li­te­ra­tur­sze­ne von Ma­rio An­dreot­ti: Ten­den­zen der Schwei­zer Literatur

Wei­te­re In­ter­net-Ar­ti­kel zum The­ma In­ner­schwei­zer Literatur:


 

Ein Kommentar

  1. Ein Dan­ke­schön an den “Ma­ga­zi­ner” W. Ei­gen­mann für die­ses In­ter­view. Und Cha­peau! für Herrn Hüp­pin! Als Gym­na­si­al­leh­rer so­wie als Schrift­stel­ler bei ei­nem re­nom­mier­ten Ver­lag hat er doch ein ge­si­cher­tes Aus­kom­men, und trotz­dem stürzt er sich in das Wag­nis Ver­lags­grün­dung! Und dann noch u.a. deut­sch­über­setz­te Fin­nen-Li­te­ra­tur… 😉 Das nen­ne ich ech­ten Mut und li­te­ra­ri­schen Idea­lis­mus. Schön dass es noch Leu­te wie Herrn Hüp­pi gibt, sonst könn­te man glat mei­nen, die Li­te­ra­tur­welt be­stün­de nur noch aus den bei­den Bit-Zu­stän­den 0 und 1 …

    Gruss in die Schweiz: Alex­an­der Lange

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