Christine Drews: Sonntags fehlst du am meisten (Roman)

Von der Verdrängung der Alten zur Leere der Jungen

von Christian Busch

Der Pro­log des neuen Romans von Chris­tine Drews “Sonn­tags fehlst du am meis­ten” beginnt mit dem Crash der Haupt­fi­gur. Caro­lin Win­ter, alko­hol­ab­hän­gige und allein­er­zie­hende Mitt­vier­zi­ge­rin, erlei­det, nach­dem ihr Leben seit lan­gem den Bach hin­un­ter­ge­gan­gen ist, den tota­len Schiff­bruch. Und lan­det mit ihrem Auto auf dem Fried­hof. Damit zer­stört sie – nicht nur sinn­bild­lich – den Grab­stein ihrer namens­glei­chen Gross­mutter und zugleich das ohne­hin schon beschä­digte Ver­hält­nis zu ihrem Vater, des­sen Lieb­lings­toch­ter und „Prin­zes­sin“ sie war. Wie konnte es so weit kommen?

Rückblenden in die Nachkriegszeit

Christine Drews - Sonntags fehlst du am meisten - Roman - Ullstein Verlag - Cover1944. Ein sie­ben­jäh­ri­ger Junge stol­pert bei der mor­gend­li­chen Suche nach etwas Ess­ba­rem über eine Sol­da­ten­lei­che und bringt sei­ner Mut­ter ein Mai­glöck­chen mit. 72 Jahre spä­ter wagt Caro­line einen Neu­an­fang in ihrem Leben. Auch sie pflanzt Maiglöckchen.
In meh­re­ren Rück­blen­den, die stän­dig zwi­schen jün­ge­rer und tie­fer Ver­gan­gen­heit, die bis in die Nach­kriegs­zeit reicht, pen­deln, erzählt der Roman in der Folge die Fami­li­en­ge­schichte um Caro, ihre zwei Brü­der Ste­fan und Mark, ihre Mut­ter Helga und ihren Vater Karl, der sich aus den Trüm­mern der deut­schen Nach­kriegs­ge­schichte zu einem erfolg­rei­chen Bau­fir­men­chef hoch­ge­ar­bei­tet und dabei stets ver­sucht hat seine geliebte Toch­ter vor den Hür­den und Unwäg­bar­kei­ten des Lebens fernzuhalten.

Grundmotiv: Verdrängung der Familienprobleme

Christine Drews - Bestseller-Autorin - Glarean Magazin
Best­sel­ler-Autorin Chris­tine Drews

In dem in sich schlüs­si­gen Plot der stim­mig und rea­lis­tisch dar­ge­leg­ten Fami­li­en­pro­ble­ma­tik fun­giert die Ver­drän­gung mit fata­len Fol­gen als Grund­mo­tiv. Wenn Caro nach Über­win­dung ihrer nach­drück­lich geschil­der­ten Alko­hol­sucht wie­der Fuss fas­sen will, muss sie zwangs­läu­fig die weit in der deut­schen Nach­kriegs­ge­schichte lie­gen­den Ereig­nisse und trau­ma­ti­schen Erleb­nisse auf­spü­ren und bewäl­ti­gen. Dabei wird deut­lich, dass der Kon­flikt zwi­schen Caro und ihrem Vater kein sin­gu­lä­rer Vater-Toch­ter-Zwist ist, keine kom­plexe Bezie­hungs­kiste, son­dern gera­dezu para­dig­ma­tisch ein reprä­sen­ta­ti­ver Gene­ra­ti­ons­kon­flikt zwi­schen den Eltern, deren schein­ba­res Erfolgs­re­zept auf Ver­drän­gung und Leis­tungs­ethos auf­ge­baut ist, und den ver­meint­lich ver­wöhn­ten Kin­dern, die gerade an der hoh­len und ver­lo­ge­nen Künst­lich­keit die­ser so gar nicht hei­len Welt schei­tern und eben wie Caro keine Leis­tung brin­gen. Darin liegt sicher­lich die Stärke des in die­ser Hin­sicht äus­serst gelun­ge­nen Romans von Chris­tine Drews, die im Nach­wort gesteht, dass ihr der Roman eine “Her­zens­an­ge­le­gen­heit” war.

Keine Sprengkraft, aber wichtige Denkanstösse

Wer mit Christine Drews' "Sonntags fehlst du am meisten" eine literarische Sensation erwartet hat, wird also enttäuscht sein, dennoch ist Drews‘ Werk ein interessanter, gut zu lesender und nachdenklich stimmender, weil wichtige Denkanstösse gebender Vater-Tochter-Roman, der zum Verständnis und zum Dialog zwischen den Generationen beitragen kann.
Wer mit Chris­tine Drews’ “Sonn­tags fehlst du am meis­ten” eine lite­ra­ri­sche Sen­sa­tion erwar­tet hat, wird ent­täuscht sein. Den­noch ist Drews‘ Werk ein inter­es­san­ter, gut zu lesen­der und nach­denk­lich stim­men­der, weil wich­tige Denk­an­stösse geben­der Vater-Toch­ter-Roman, der zum Ver­ständ­nis und zum Dia­log zwi­schen den Gene­ra­tio­nen bei­tra­gen kann.

Den­noch macht Drews‘ Roman nicht rundum glück­lich. Zum einen bewegt er sich sprach­lich und figu­ren­tech­nisch in eher seich­ten und kli­schee­haf­ten Gewäs­sern – kaum ein­mal hat die Spra­che Ver­wei­sungs­cha­rak­ter, dich­te­ri­sche Spreng­kraft oder gar rät­sel­hafte Viel­deu­tig­keit. Ebenso ent­lässt der Roman seine zwei­fel­los sym­pa­thi­sche, mit sich selbst scho­nungs­los ins Gericht gehende Hel­din nur allzu leicht, ja fast traum­wand­le­risch wie­der aus der Krise, indem er ihr mit dem neuen Lebens­ge­fähr­ten Jakob und der alten Frau Schnei­ders zwei pass­ge­nau geschnei­derte Figu­ren an die Hand gibt, die man in der Wirk­lich­keit nie­mals fin­det, wenn man sie braucht, weil man sich selbst im Weg steht.

Fehlendes ausgestaltetes Finish

Nicht zuletzt dürfte der Schluss den Leser ent­täuscht zurück­las­sen, fehlt doch ein wirk­li­ches aus­ge­stal­te­tes Finish, dass das Thema nötig und der Roman ver­dient gehabt hät­ten. Bleibt Caros Erschei­nen auf der Gol­de­nen Hoch­zeit ihrer Eltern als Chance für eine Fernsehverfilmung?

Fazit: Wer mit Chris­tine Drews’ “Sonn­tags fehlst du am meis­ten” eine lite­ra­ri­sche Sen­sa­tion erwar­tet hat, wird also ent­täuscht sein, den­noch ist Drews‘ Werk ein inter­es­san­ter, gut zu lesen­der und nach­denk­lich stim­men­der, weil wich­tige Denk­an­stösse geben­der Vater-Toch­ter-Roman, der zum Ver­ständ­nis und zum Dia­log zwi­schen den Gene­ra­tio­nen bei­tra­gen kann. ♦

Chris­tine Drews: Sonn­tags fehlst du am meis­ten, Roman, 288 Sei­ten, Ull­stein Ver­lag, ISBN 978-3-548-29020-1

Lesen Sie im Glarean Maga­zin zum Motiv „Vater-Toch­ter“ auch über den Roman von Con­stanze Neu­mann: Der Him­mel über Palermo
… sowie zum Thema Bezie­hun­gen von Char­lotte Ueckert über den Roman von Anke Gebert: Die Summe der Stunden

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