Severin von Eckardstein plays Robert Schumann (CD)

Ein Plädoyer für die Romantik

von Chris­tian Busch

Wenn es dun­kelt, die Sonne im Wal­des­schat­ten ver­sinkt und der Him­mel in stern­kla­rer Nacht im Blü­ten­staub still die Erde küsst, spannt in dämm­ri­gen Fel­sen­klüf­ten die Seele weit ihre Flü­gel, als flöge sie nach Haus, und lüf­tet ihr inners­tes Geheim­nis: die Liebe. „Durch alle Töne tönet / im bun­ten Erden­traum / Ein lei­ser Ton / Für den der heim­lich lauscht“ (Fried­rich Schlegel)

Severin von Eckardstein plays Robert SchumannWie in Joseph von Eichen­dorffs Land­schaf­ten formte die Roman­tik wie keine andere Epo­che die Spra­che und Welt der Seele, wel­che sich in Abge­schie­den­heit und pri­va­ter Inti­mi­tät unge­ach­tet gesell­schaft­li­cher Wirk­lich­keit und poli­ti­scher Zen­sur zu Wort bzw. zum Tone mel­det. Schon der grosse Idea­list Beet­ho­ven hatte sich in sei­nem 1816 kom­po­nier­ten Lied­zy­klus “An die ferne Geliebte” zur roman­ti­schen Ton­spra­che der Inner­lich­keit bekannt, wel­che sei­nen roman­ti­schen Nach­fol­gern den Weg ebnete. Robert Schu­mann, der als schweig­sam, intro­ver­tiert, hoch­ge­bil­det und als Inbe­griff der deut­schen Hoch­ro­man­tik gilt, fand sein Ele­ment zwi­schen mil­dem Euse­bius und wil­dem Flo­re­stan im Phan­tas­ti­schen, in der musi­ka­li­schen “Fan­ta­sie” des Kla­viers, dem Instru­ment der Seele.

Balance zwischen Florestan und Eusebius

Severin von Eckardstein - Konzertpianist - Glarean Magazin
Seve­rin von Eckardstein

Der 1978 in Düs­sel­dorf gebo­rene Pia­nist Seve­rin von Eckard­stein hat sich nun in sei­ner neuen CD neben den drei Fan­ta­sie­stü­cken op. 111 und den Fan­ta­sie­stü­cken op. 12 auch Robert Schu­manns ein­zig­ar­ti­ger Fan­ta­sie in C-Dur op. 17 ange­nom­men. Bei der 1838 voll­ende­ten Fan­ta­sie, die zugleich Aus­druck von Schu­manns lei­den­schaft­li­cher, aber pro­ble­ma­ti­scher Bezie­hung zu Clara Wieck  (“das Pas­sio­nier­teste, was ich je geschrie­ben habe”) als auch eine Hom­mage an Beet­ho­ven (man höre nur die Trio­len aus der Mond­schein­so­nate im drit­ten Satz) war, kommt es zwei­fel­los immer wie­der neu dar­auf an, die Balance zwi­schen san­gui­ni­schem Flo­re­stan und dem jede extro­ver­tierte Effekt­ha­sche­rei fremd anmu­ten­den Euse­bius in Schu­manns Tem­pe­ra­ment zu fin­den. Jeg­li­ches Zuviel an jugend­li­cher Über­schwäng­lich­keit oder distan­ziert abge­klär­tem, ver­meint­lich rei­fen Musi­zie­ren sind hier eher abträglich.

Brodelndes Temperament neben harmonischer Liebes-Sehnsucht

Umso ver­blüf­fen­der das Ergeb­nis, das Schu­manns “Ach, zwei See­len woh­nen ach in mei­ner Brust” mit gros­ser Natür­lich­keit und Klar­heit ver­eint. Die gros­sen Sprünge und Gegen­sätze in der Kom­po­si­tion, hier bro­deln­des Tem­pe­ra­ment, aus­bre­chen­der Stolz und rausch­hafte Getrie­ben­heit einer­seits, träu­me­ri­scher Schwe­be­zu­stand, fried­voll-har­mo­ni­sche Sehn­sucht nach Liebe ande­rer­seits sind auf wun­der­same und doch schein­bar selbst­ver­ständ­li­che Weise – und doch ohne Glät­tun­gen – ver­bun­den; phan­tas­tisch!  Und wenn man die CD in seine Samm­lung ein­reiht, hat man das Gefühl, dass auf den älte­ren, durch­aus lei­den­schaft­li­che­ren Auf­nah­men (Arrau, Kis­sin, Le Sage) ein wenig Staub liegt.
Die eben­falls äus­serst gelun­ge­nen Dar­bie­tung der Fan­ta­sie­stü­cke op. 111 und op. 12, wel­che in ihrer zwar vir­tuo­sen, aber immer roman­ti­sches Ethos ver­kör­pern­den Epi­so­den fas­zi­nie­ren, run­den die CD, die aus­ser­dem mit einem fach­kun­dig-empha­ti­schen Kom­men­tar des Künst­lers im Book­let ver­se­hen ist, ab.
Ein Plä­doyer unse­rer Zeit für die Romantik. ♦

Seve­rin von Eckard­stein (Kla­vier): Seve­rin von Eckard­stein plays Robert Schu­mann, Cavi-Music (Har­mo­nia Mundi)

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