Kommunion
schiebt,
schiebt sich mir zu.
zieht,
zieht,
entzieht sich mir.
schillerndes schieben,
gurgelndes ziehen.
etwas
bedarf meiner nicht,
ferner als ich:
sinai.
dornbusch,
zypresse
und gischt.
riecht doch
nach mir.
Erste Ode an den Klinikpetrus
Du
wagst ja
keinen Schritt vor die Tür.
Fürchtest
jedes Wellenspiel des Lebens.
Aber dein Herz
ist rein
wie bester kubanischer Tabak!
Nur du,
– nur du –
liebtest
die Multi-
morbide.
Wie hiess sie doch?
Die mit den asiatischen Augen…
Mit deinen Tränen um sie
salbt ER
seine müden Füsse,
und
auf Menschen wie dir
baut ER seine Kirche.
Dein unablässiger Rauch
ist IHM würdig und recht.
kommunion
(für Paul Celan)
einmal
da traf ich ihn
da mahlte er
das korn des zweifels
das ich
aus den ähren
der gewissheit
geklaubt hatte
dann buk er
das wundbrot
brach es
und gab mir
einmal
da traf ich ihn
da presste er
die trauben der bitternis
die ich
vom weinstock
der gemeinschaft
geschnitten hatte
dann kelterte er
den schmerzwein
nahm den kelch
und gab mir
(Inspiriert von „Einmal“, Paul Celan, Atemwende 1967)
Zweite Ode an den Klinikpetrus
Ich fürchte den Tod
– sagst du.
Aber
es war doch das Leben,
das dich gegürtet
und dich geführt,
wohin du nicht wolltest!
Den Tod sollst du
nicht fürchten.
Für dich
ist er
ein grobschlächtiger Engel.
Er umfängt dich
mit seinen Flügeln
aus geschlissenem Loden.
Sein Heiligenschein:
Das Glimmen
der stinkenden Zigarre
im zahnlosen Mund.
Furchtlos
wirst du ihm folgen
ins rauchverhangene
Paradies.
Geb. 1961, aufgewachsen bei Bern, Studium der evang.-ref. Theologie in Bern und Nairobi, acht Jahre Gemeinde-Pfarramt, 4 Jahre Psychiatrieseelsorge, seit 2002 Gefängnis- und Spitalseelsorger im Kanton Zürich, schreibt Lyrik, Theaterstücke und Kunstwissenschaftliches, lebt in Zürich
Lesen Sie im Glarean Magazin zum Thema Neue Lyrik auch von Tanja Dückers: Lacrimosa (Drei Gedichte)
Mir gefallen im Allgemeinen die Aus- und Andeutungen der biblischen Gleichniswörter. Speziell zu :
kommunion (für Paul Celan) denke ich Folgendes:
Der Celan’sche Duktus bei Berger, individuelle Sprachschöpfungen, bittere Trennung, Schmerz, die adäquaten Abendmahlsbilder lassen einen geübten Lyriker erkennen. Doch die Communio bleibt nach dem Trinken von “Schmerzwein” stecken. Diese Vereinigung scheint ein trostloser Schluss ohne fertiges, erlösendes Ende zu bleiben, der die Kommunikanten ratlos lässt.
Das Original bei Celan schildert einen sehr traurigen, ja vernichtenden Vorgang. Allerdings hat er ein Ende mit “lichter Rettung” an den Schluss gesetzt.
Deshalb ergänze ich insgeheim für mich eine letzte Strophe über den vergorenen Wein reinen Gemeinschaftsgeistes. Ich habe die Gedichte gern gelesen.
Sehr geehrter Herr Brückner
Danke für ihr Feedback. Es ist schön, auf einen Text, der vor fast 3 Jahren veröffentlicht und noch vorher geschrieben wurde, eine Reaktion zu erhalten. Mir gefällt, dass sie ihn kritisch lesen und Eigenes dazu setzen. Wie genau würden Sie denn die letzte Strophe ergänzen? Gibt es eine Formulierung?
Für mich selbst ist der Text nicht trostlos. Denn es kommt ja zu einer Kommunion – zu einer Begegnung. Der Text bewegt sich im Spannungsfeld zwischen Verwundung, Schmerz und Begegnung. Diese Paradoxie interessiert mich.
M. Berger
Sehr geehrter Herr Berger,
ich bin sehr froh, dass Sie meine Anmerkungen so auffassen, wie sie gemeint waren. Meine letzte Strophe behalte ich selbstredend für mich, da ich Ihnen nicht in Ihr Gedicht pfuschen möchte. Und vor allem freut es mich, dass Ihnen selbst die Begegnung im „paradoxen Spannungsfeld“ Trost gibt. Ich bin diesbezüglich ungeduldiger und erwarte mehr und schneller eine Heilung für Verwundungen. Wenn Ihr Gedicht uns beiden subjektiv hilfreich war, dann hat es literarisches Schaffen zum Leben gebracht und einen hinreichenden Sinn geboten. Vielen Dank auch für die Reminiszenz an Paul Celan, dessen Gedichte ich sehr schätze,
mit bestem Gruß
Heiner Brückner
Vielen Dank. Ja, Celan ist und bleibt grossartig!
Schlicht, tiefgründig, gefällt mir sehr!