Matthias Berger: Kommunion (Vier Gedichte)

Kommunion

schiebt,
schiebt sich mir zu.

zieht,
zieht,
ent­zieht sich mir.

schil­lern­des schieben,
gur­geln­des ziehen.

et­was
be­darf mei­ner nicht,
fer­ner als ich:
sinai.

dorn­busch,
zypresse
und gischt.

riecht doch
nach mir.

Ers­te Ode an den Klinikpetrus

Du
wagst ja
kei­nen Schritt vor die Tür.

Fürch­test
je­des Wel­len­spiel des Lebens.

Aber dein Herz
ist rein
wie bes­ter ku­ba­ni­scher Tabak!

Nur du,
– nur du –
liebtest
die Multi-
morbide.
Wie hiess sie doch?
Die mit den asia­ti­schen Augen…

Mit dei­nen Trä­nen um sie
salbt ER
sei­ne mü­den Füsse,

und
auf Men­schen wie dir
baut ER sei­ne Kirche.

Dein un­ab­läs­si­ger Rauch
ist IHM wür­dig und recht.

kom­mu­ni­on
(für Paul Celan)

ein­mal
da traf ich ihn

da mahl­te er
das korn des zweifels
das ich
aus den ähren
der gewissheit
ge­klaubt hatte

dann buk er
das wundbrot
brach es
und gab mir

ein­mal
da traf ich ihn

da press­te er
die trau­ben der bitternis
die ich
vom weinstock
der gemeinschaft
ge­schnit­ten hatte

dann kel­ter­te er
den schmerzwein
nahm den kelch
und gab mir

(In­spi­riert von „Ein­mal“, Paul Ce­lan, Atem­wen­de 1967)

Zwei­te Ode an den Klinikpetrus

Ich fürch­te den Tod
– sagst du.

Aber
es war doch das Leben,
das dich gegürtet
und dich geführt,
wo­hin du nicht wolltest!

Den Tod sollst du
nicht fürch­ten.
Für dich
ist er
ein grob­schläch­ti­ger Engel.
Er um­fängt dich
mit sei­nen Flügeln
aus ge­schlis­se­nem Loden.

Sein Hei­li­gen­schein:
Das Glim­men
der stin­ken­den Zigarre
im zahn­lo­sen Mund.

Furcht­los
wirst du ihm folgen
ins rauch­ver­han­ge­ne
Pa­ra­dies.


Matthias Berger - Lyrik-Autor im Glarean MagazinMat­thi­as Berger

Geb. 1961, auf­ge­wach­sen bei Bern, Stu­di­um der evang.-ref. Theo­lo­gie in Bern und Nai­ro­bi, acht Jah­re Ge­mein­de-Pfarr­amt, 4 Jah­re Psych­ia­trie­seel­sor­ge, seit 2002 Ge­fäng­nis- und Spi­tal­seel­sor­ger im Kan­ton Zü­rich, schreibt Ly­rik, Thea­ter­stü­cke und Kunst­wis­sen­schaft­li­ches, lebt in Zürich

Le­sen Sie im Glarean Ma­ga­zin zum The­ma Neue Ly­rik auch von Tan­ja Dückers: Lacri­mo­sa (Drei Gedichte)

5 Kommentare

  1. Mir ge­fal­len im All­ge­mei­nen die Aus- und An­deu­tun­gen der bi­bli­schen Gleich­nis­wör­ter. Spe­zi­ell zu :
    kom­mu­ni­on (für Paul Ce­lan) den­ke ich Folgendes:
    Der Celan’sche Duk­tus bei Ber­ger, in­di­vi­du­el­le Sprach­schöp­fun­gen, bit­te­re Tren­nung, Schmerz, die ad­äqua­ten Abend­mahls­bil­der las­sen ei­nen ge­üb­ten Ly­ri­ker er­ken­nen. Doch die Com­mu­nio bleibt nach dem Trin­ken von „Schmerz­wein“ ste­cken. Die­se Ver­ei­ni­gung scheint ein trost­lo­ser Schluss ohne fer­ti­ges, er­lö­sen­des Ende zu blei­ben, der die Kom­mu­ni­kan­ten rat­los lässt.
    Das Ori­gi­nal bei Ce­lan schil­dert ei­nen sehr trau­ri­gen, ja ver­nich­ten­den Vor­gang. Al­ler­dings hat er ein Ende mit „lich­ter Ret­tung“ an den Schluss gesetzt.
    Des­halb er­gän­ze ich ins­ge­heim für mich eine letz­te Stro­phe über den ver­go­re­nen Wein rei­nen Ge­mein­schafts­geis­tes. Ich habe die Ge­dich­te gern gelesen.

    • Sehr ge­ehr­ter Herr Brückner
      Dan­ke für ihr Feed­back. Es ist schön, auf ei­nen Text, der vor fast 3 Jah­ren ver­öf­fent­licht und noch vor­her ge­schrie­ben wur­de, eine Re­ak­ti­on zu er­hal­ten. Mir ge­fällt, dass sie ihn kri­tisch le­sen und Ei­ge­nes dazu set­zen. Wie ge­nau wür­den Sie denn die letz­te Stro­phe er­gän­zen? Gibt es eine Formulierung?
      Für mich selbst ist der Text nicht trost­los. Denn es kommt ja zu ei­ner Kom­mu­ni­on – zu ei­ner Be­geg­nung. Der Text be­wegt sich im Span­nungs­feld zwi­schen Ver­wun­dung, Schmerz und Be­geg­nung. Die­se Pa­ra­do­xie in­ter­es­siert mich.
      M. Berger

      • Sehr ge­ehr­ter Herr Berger,
        ich bin sehr froh, dass Sie mei­ne An­mer­kun­gen so auf­fas­sen, wie sie ge­meint wa­ren. Mei­ne letz­te Stro­phe be­hal­te ich selbst­re­dend für mich, da ich Ih­nen nicht in Ihr Ge­dicht pfu­schen möch­te. Und vor al­lem freut es mich, dass Ih­nen selbst die Be­geg­nung im „pa­ra­do­xen Span­nungs­feld“ Trost gibt. Ich bin dies­be­züg­lich un­ge­dul­di­ger und er­war­te mehr und schnel­ler eine Hei­lung für Ver­wun­dun­gen. Wenn Ihr Ge­dicht uns bei­den sub­jek­tiv hilf­reich war, dann hat es li­te­ra­ri­sches Schaf­fen zum Le­ben ge­bracht und ei­nen hin­rei­chen­den Sinn ge­bo­ten. Vie­len Dank auch für die Re­mi­nis­zenz an Paul Ce­lan, des­sen Ge­dich­te ich sehr schätze,
        mit bes­tem Gruß
        Hei­ner Brückner

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