P. Maset: Wörterbuch des technokratischen Unmenschen

Von “Beschulung” bis “Humankapital”

von Rai­ner Wedler

Pierangelo Maset - Wörterbuch des technokratischen Unmenschen - Radius Literatur Verlag - Glarean MagazinWör­ter­buch des tech­no­kra­ti­schen Unmen­schen” – der Titel lässt auf­hor­chen. Ein Desi­de­rat, denkt man, die längst fäl­lige Fort­schrei­bung der Tra­di­tion von Vic­tor Klem­pe­rers “Lin­gua ter­tii impe­rii”, Karl Korns “Die Spra­che in der ver­wal­te­ten Welt” und dem Gemein­schafts­werk “Aus dem Wör­ter­buch des Unmen­schen” von Ger­hard Storz, Wil­helm E. Süs­kind und Dolf Stern­ber­ger, den in Hei­del­berg zu hören der Rezen­sent das Glück hatte. Doch um es vor­weg­zu­neh­men: der Leser wird ein wenig enttäuscht.

Dem Tech­no­kra­ten, ein gene­ra­li­sie­ren­der Begriff, wird Unmensch­lich­keit unter­stellt. Nie­mand wird bestrei­ten wol­len, dass unge­brems­tes Gewinn­stre­ben und oft unre­flek­tier­ter tech­no­lo­gi­scher Fort­schritt eine sicht­bare Gefahr für unsere Gesell­schaft dar­stel­len, aber dar­aus über den Titel eine Asso­zia­tion zum tota­li­tä­ren Sys­tem des Natio­nal­so­zia­lis­mus her­zu­stel­len, geht über das Ziel hinaus.

Dazu ein­zelne Stichwörter.
– alter­na­tiv­los: Das kann phan­ta­sie­los sein, denk­faul, unmensch­lich ist es gewiss nicht.
– Bench­mar­king: Am Angli­zis­mus mag man sich stö­ren, auch daran, dass Objek­ti­vi­tät oft nur vor­ge­täuscht ist, über­zo­gen die Schluss­fol­ge­rung: Für den tech­no­kra­ti­schen Unmen­schen hin­ge­gen ist das “Bench­mar­king” ein wun­der­ba­res Instru­ment “zur Opti­mie­rung der von ihm erstreb­ten Herr­schafts­form” (S. 35).
– Enga­ge­ment: Es bedarf schon eini­ger Gedan­ken­windun­gen, um die­sen Begriff ins Unmen­schen­wör­ter­buch zu beför­dern. Dass mit eini­ger Mühe jeder Begriff ins Nega­tive gewen­det wer­den kann, beweist der Autor auch hier. “Enga­ge­ment” wird dann näm­lich zu einem Instru­ment, das “Aus­fall­erschei­nun­gen in Staat und Gesell­schaft kos­ten­güns­tig kor­ri­gie­ren soll”. (S. 59) Über die­sen Satz kann man dis­ku­tie­ren, man sollte es, den­noch gehört “Enga­ge­ment” nicht in die­ses Wörterbuch.

Gründliche Überarbeitung nötig

Die Liste liesse sich leicht fort­set­zen, wir wol­len aber nur zwei gelun­gene Bei­spiele vorstellen.
– Audit: Ein furcht­ba­res Wort, das zu Recht dem Unmen­schen zuge­schrie­ben wer­den kann.
– Beratung/Consulting: Ein camou­flie­ren­der Begriff, unmensch­lich wäre auch hier zu stark. “McK­in­sey und Kon­sor­ten haben den Umbau der Gesell­schaft mit­be­wirkt und sehr viel Geld aus Behör­den und Unter­neh­men her­aus­ge­zo­gen, die nicht sel­ten nach einer ‘Bera­tung’ am Boden lie­gen” (S. 37). Dem ist nichts hinzuzufügen.

Wäre nicht der fatale
Wäre nicht der fatale “Unmensch” in den Titel gera­ten, man hätte Pier­an­gelo Masets neues “Wör­ter­buch des tech­no­kra­ti­schen Unmen­schen” mit ganz ande­ren Augen gele­sen, denn den meis­ten kri­ti­schen Bemer­kun­gen des Autors ist zuzu­stim­men. Ein schma­les Buch, das man­ches erhellt, dem aber zu wün­schen wäre, dass es für die zweite Auf­lage gründ­lich über­ar­bei­tet würde.

Wäre also nicht der fatale “Unmensch” in den Titel gera­ten, man hätte mit ganz ande­ren Augen gele­sen, denn den meis­ten kri­ti­schen Bemer­kun­gen des Autors ist zuzu­stim­men. Gelun­gene Bei­spiele sol­len genannt werden:
Beschu­lung, Cor­po­rate Identity/Corporate Design, Ein­dring­tiefe, Human­ka­pi­tal, Kreativität/Kreativwirtschaft, Phi­lo­so­phie, Update/Upgrade.

Trotz aller Kri­tik: Ein schma­les Buch, das man­ches erhellt, dem aber zu wün­schen wäre, dass es für die zweite Auf­lage gründ­lich über­ar­bei­tet würde.

Pier­an­gelo Maset: Wör­ter­buch des tech­no­kra­ti­schen Unmen­schen, Radius-Ver­lag Stutt­gart, 144 Sei­ten, ISBN 978-3871739491

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… sowie zum Thema Wör­ter­buch über den Duden: Das Bedeutungswörterbuch

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