Helmut Pflegers neue ZEIT-Schachspalten

Vergnüglicher Schach-Tratsch-Klatsch

von Walter Eigenmann

Der deutsch­spra­chi­gen Schach­welt den Münch­ner Gross­meis­ter Hel­mut Pfle­ger vor­stel­len zu wol­len hiesse Bau­ern in die Grund­stel­lung set­zen: Seit Jahr­zehn­ten ist der Name die­ses bay­ri­schen Inter­nis­ten ein Syn­onym für hemds­är­me­lige Schach­ana­lyse, schach­psy­cho­lo­gi­sches Info­tain­ment und lehr­rei­ches Schach-Feuil­le­ton. Seine neuen “ZEIT-Schach­spal­ten” doku­men­tie­ren die­sen Ruf mit 120 amü­san­ten Aufgaben.

Wäh­rend er in den 80er&90er Jah­ren als wit­zig plau­dern­der “Talk­mas­ter” vie­ler TV-Schach-Sen­dun­gen (oft gemein­sam mit dem tsche­chi­schen GM Vla­s­ti­mil Hort) einer wei­ten Schach­a­ma­teur-Gemeinde die kom­pli­zier­ten Geheim­nisse des König­li­chen Spiels “über­setzte”, ver­legte er sich in den fol­gen­den Jah­ren ver­mehrt auf das Schrei­ben von Schach-Kolum­nen, deren amü­san­ter Ton, ver­bun­den mit dem Flair fürs Ver­ein­fa­chen schwie­ri­ger Zusam­men­hänge und mit gleich­zei­tig wei­tem the­ma­ti­schem Spek­trum, sich schon bald eine rie­sige Anhän­ger­schaft schu­fen. Inzwi­schen ist der typi­sche “Pfle­ger-Sound” ein inter­na­tio­na­les Mar­ken­zei­chen in der Welt der Schach­kom­men­tie­rung gewor­den – und eine Lek­türe, deren Charme, wort­rei­che Elo­quenz und mun­tere Leich­tig­keit ver­ges­sen lässt, dass Schach doch recht eigent­lich eine tod­ernste Sache ist, die aus­ser­dem durch­aus extrem­sport­lich psy­chi­sche und kör­per­li­che Kräfte zeh­ren kann. (Letz­te­ren Befund hat übri­gens der­selbe Arzt Dr. Pfle­ger in diver­sen Berich­ten dokumentiert…)

Grossartiges Schach-Infotainment

Helmut Pfleger: ZEIT-Schachspalten - 120 amüsante Aufgaben mit überraschenden Lösungen - Edition Olms VerlagZEIT-Schach­spal­ten” nennt sich nun eine neu­este (ins­ge­samt bereits die fünfte bei der Edi­tion Olms erschie­nene) Samm­lung von Kolum­nen aus der quir­li­gen Feder des nim­mer­mü­den Schach-Enthu­si­as­ten Hel­mut Pfle­ger, dem wohl so man­cher vom Schach (noch) unbe­leck­ter Zei­tungs­le­ser seine erste Begeg­nung mit dem Spiel der Könige ver­dankt. Und erneut beein­dru­cken in die­sen 120 ein-sei­ti­gen Glos­sen neben der Viel­falt des gan­zen bun­ten Schach-“Drumherums” die ver­gnüg­li­che Ele­ganz, mit der Pfle­ger den mensch­lich-all­zu­mensch­li­chen Klatsch&Tratsch übers Schach als jewei­li­gen Auf­hän­ger für die schach­tech­ni­schen Ana­ly­sen sei­ner zahl­lo­sen Gross­meis­ter-Par­tien nimmt.

Das enorme schach-psy­cho­lo­gi­sche, -his­to­ri­sche, -bio­gra­phi­sche und theo­re­ti­sche, ja gar -poli­ti­sche Wis­sen des Autors schlägt sich dabei in jeder sei­ner Glos­sen nie­der, so dass man ob all den vie­len Details zu Per­son und Leben und Umfeld des jewei­li­gen Prot­ago­nis­ten fast ver­gisst, dass da noch sei­ten­weise kniff­lige, immer aber tat­säch­lich höchst “amü­sante” Schach-Auf­ga­ben zu lösen bzw. über­ra­schende Gewinn­züge zu fin­den sind.

Wenn Blondinen kombinieren

Helmut Pfleger - Schach-Grossmeister und Kommentator - Glarean Magazin
Arzt, Schach-Gross­meis­ter und -TV-Kom­men­ta­tor: Dr. Hel­mut Pfleger

Bezeich­nend für das Spek­trum des Pfle­ger­schen Schach-Kos­mos sind etwa Kapi­tel-Über­schrif­ten wie: “Wenn Blon­di­nen kom­bi­nie­ren”; “Blech­büch­sen-Schach”; “Als Ein­stein die Fäden zog”; “Mehr Stel­lun­gen als beim Sex”; “Lock­ruf der Smar­ties”; “Vishy mit Krone und Zep­ter” oder “Ernst Jün­gers Bom­ben­zug”. Und so erfährt der Leser z.B., was Max Frisch beim Schach am meis­ten zusagte, näm­lich dass man dabei nicht reden muss; dass Lud­wig Thoma als schwa­cher Spie­ler um 10 Pfen­nige pro Par­tie spielte; dass Ephraim Kishon sei­nen Schach­com­pu­ter zu bescheis­sen pflegte; dass Bobby Fischer den viel­jäh­ri­gen WM Las­ker als Kaf­fee­haus­spie­ler beschimpfte; dass Jean Paul einst befand, Schach zusam­men mit Kaf­fee seien ein “gutes Treib­mit­tel des Gehirns”; dass Kram­nik sei­nen Welt­meis­ter-Titel als “ton­nen­schwere Last” emp­fand – oder dass die Frau des Sur­rea­lis­ten Duch­amp schon auf der Hoch­zeits­reise genug von ihrem Mann hatte, weil der sich mehr dem Schach als ihr zuwandte.

120 vergnügliche Kniffeleien

Das eigent­li­che Salz des Pfle­ger­schen Sam­mel­su­ri­ums – es wurde von Ray­mund Stolze lek­to­riert und zusam­men­ge­stellt – sind aber natür­lich seine 120 Knif­fe­leien, mit denen er seine Geschich­ten und Geschicht­chen gar­niert. Vor­wie­gend kom­bi­na­to­risch kom­men die meis­ten Schach­auf­ga­ben daher: ein tak­ti­scher Über­ra­schungs­coup ist jeweils die Lösung. Und auch hier ist das the­ma­ti­sche Feld ein wei­tes: Vom Eröff­nungsrein­fall bis zum End­spiel-Fili­gran, von der Fes­se­lung bis zur Sper­rung, vom Abzugs­schach bis zum Qua­li­täts­op­fer reicht die Spann­weite, wobei jedes­mal ein Dia­gramm der Aus­gangs­punkt der Detek­tiv­ar­beit ist. Die Bei­träge stam­men aus den Jah­ren 2005 bis 2008.
Alles in allem also ein neuer “Pfle­ger”, wie ihn die grosse Fan-Gemeinde kennt: Wit­zig, frap­pant, infor­ma­tiv. Zurecht schreibt der deut­sche Bun­des­prä­si­dent A.D. Weiz­sä­cker in sei­nem “Geleit­wort”, dass Gross­meis­ter Pfle­ger ein ebenso her­vor­ra­gen­der Schach­spie­ler wie Päd­agoge sei. Unge­trüb­tes Schach-Lesevergnügen! ♦

Hel­mut Pfle­ger, ZEIT-Schach­spal­ten, 120 amü­sante Auf­ga­ben und über­ra­schende Lösun­gen aus DIE ZEIT, 136 Sei­ten, Edi­tion Olms, ISBN 9783283010126

Lesen Sie im Glarean Maga­zin zum Thema “Bril­lante Schach­züge” auch über die Auf­ga­ben-Samm­lung “Night­mare 2” (Com­pu­ter­schach)

… sowie zum Thema “Schwin­deln im Schach” über zwei neue Schach-Bücher von Andrew Sol­tis & David Smerdon

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