Interview mit der Komponistin Charlotte Hug

Klänge-Körper-Zeichen-Räume

Charlotte Hug befragt von Jakob Leiner

Die Com­po­ser-Per­for­mer, Im­pro­vi­sa­to­rin, Zeich­ne­rin, Me­di­en­künst­le­rin und Tea­ching-Ar­tist Char­lot­te Hug wur­de 1965 in Zü­rich ge­bo­ren. Die in­no­va­ti­ve Künst­le­rin mit ih­ren mu­si­ka­lisch-vi­su­el­len Per­for­man­ces an spe­zi­el­len Or­ten und mit ih­ren Raum-Par­ti­tu­ren hat mit sog. “Son-Icons” (Vi­su­el­ler Mu­sik) ein neu­es Gen­re der trans­dis­zi­pli­nä­ren, räum­lich-sze­ni­schen Mu­sik und Kunst ge­schaf­fen. Hug er­lang­te Studienabschlüsse in Mu­sik und Bil­den­der Kunst und und wur­de mehr­fach aus­ge­zeich­net. Nebst Aus­stel­lun­gen in Ga­le­rien und Mu­se­en führt sie ihre rege Konzerttätigkeit als Im­pro­vi­sa­to­rin, So­lis­tin mit Stim­me und Vio­la, Kom­po­nis­tin oder Di­ri­gen­tin ih­rer ei­ge­nen Wer­ke an maß­geb­li­che Fes­ti­vals weltweit.

Glarean Ma­ga­zin: Frau Hug, was se­hen Sie ak­tu­ell von Ih­rem Ar­beits­platz aus?

Charlotte Hug - Gesang und Viola - Interview GLAREAN MAGAZIN - Februar 2023 - Foto Kai Bienert
“Mu­sik in Zwi­schen­räu­men und Rand­zo­nen”: Char­lot­te Hug  (© Kai Bienert)

Char­lot­te Hug: Mein Stu­dio in der Stadt Zü­rich, be­stehend aus ei­nem schall­iso­lier­ten Mu­sik­raum und ei­nem Ate­lier­teil, be­fin­det sich im Dach­ge­schoß des Hau­ses, wo wir auch wohnen.
Im Süd­wes­ten sehe ich über die Häu­ser­dä­cher und Baum­wip­fel di­rekt auf den Grat des Uet­li­bergs. Ich lie­be die­sen Blick in die Wei­te bei je­dem Wet­ter und in al­len Stim­mun­gen, spe­zi­ell beim Im­pro­vi­sie­ren und Imaginieren.
An­sons­ten bin ich im Ate­lier-Teil um­ge­ben von der neus­ten Raum-Par­ti­tur mit “Son-Icons – Shapes of Time”, eine Kom­po­si­ti­on für ein En­sem­ble in Halifax/Kanada. Mit­te März wer­den wir das Stück ur­auf­füh­ren. We­sent­lich ist da­bei, dass sich die Mu­si­ke­rIn­nen in der Raum-Par­ti­tur im­mer auch be­we­gen und so ganz ver­schie­de­ne Per­spek­ti­ven ein­neh­men. So su­che auch ich in mei­nem Ate­lier im­mer nach neu­en Per­spek­ti­ven und Blick­win­keln in der Raum-Partitur.

Sie sind fa­cet­ten­rei­che Kom­po­nis­tin, Per­for­me­rin, Vi­su­al- und Tea­ching-Ar­tist; Wor­in liegt der Reiz sol­cher Transdisziplinarität?

Mei­ne Ar­beit ent­steht im wei­ten Span­nungs- und Re­so­nanz­feld von Kör­per, Klang, Zeich­nung, “Son-Icons” (Vi­su­el­ler Klang – Klang­zeich­nun­gen), In­nen- und Au­ßen­räu­men, zwi­schen den Dis­zi­pli­nen, di­gi­ta­len und ana­lo­gen Me­di­en, Or­ten, Kon­ti­nen­ten – zwi­schen Men­schen. In den Zwi­schen­räu­men und Rand­zo­nen er­öff­nen sich neue Denk- und Schaf­fens­räu­me – hier ent­steht Er­neue­rungs­po­ten­ti­al. Mu­sik und Kunst sind für mich im­mer auch Kommunikation.
Ei­ner­seits be­dingt mei­ne künst­le­ri­sche Ar­beit den trans­dis­zi­pli­nä­ren Ar­beits­pro­zess zwi­schen den Me­di­en. Die Mu­sik wie die Bil­den­de Kunst ha­ben je­doch ihr Ei­gen­le­ben und kön­nen au­to­nom für sich ste­hen und sprechen.

Raum-Partituren mit “Son-Icons”

Mei­ne Spe­zia­li­tät sind Raum-Par­ti­tu­ren mit Son-Icons. Ich of­fe­rie­re ei­nen mul­ti­di­men­sio­na­len Raum, in dem die Mu­si­ke­rIn­nen, Per­for­me­rIn­nen die Son-Icons als form­ge­ben­des Ele­ment, sinn­li­chen Ma­gne­ten und als In­spi­ra­ti­on in­ter­pre­tie­ren. Pro­ben und Coa­ching, wie man die­se Son-Icons mit den ei­ge­nen Res­sour­cen und in gro­ßer künst­le­ri­scher Prä­zi­si­on in­ter­pre­tie­ren kann, ist wich­tig. Mit Prä­zi­si­on mei­ne ich nicht die ab­so­lu­te Wie­der­hol­bar­keit als Ziel, son­dern die stän­di­ge Ent­wick­lung al­ler Be­tei­lig­ten im Kon­text – in­klu­si­ve der Partitur.

Charlotte Hug - Son-Icons als Kompositions- und Kreativitätsmethode - Interview GLAREAN MAGAZIN - Februar 2023
“Zen­tra­ler Be­stand­teil des kom­po­si­to­ri­schen Set­tings”: Son-Icons mit zwölf­tö­ni­ger Rei­hung als “Kom­po­si­ti­ons- & Krea­ti­vi­täts­me­tho­de” von Char­lot­te Hug

Die Mu­sik ist stän­dig in Be­we­gung. Sze­nisch-mu­si­ka­li­sche Kon­stel­la­tio­nen sind wich­ti­ger Be­stand­teil und Pa­ra­me­ter mei­ner kom­po­si­to­ri­schen Set­tings. Wege und Be­geg­nun­gen der Mu­si­ke­rIn­nen wer­den cho­reo­gra­phiert. So ent­steht eine Klang-In­sze­nie­rung oder eine Choreophonie.
Klän­ge ha­ben im­mer eine Ver­or­tung und eine Schall­rich­tung, sie sind in Be­we­gung und im­mer in Be­zie­hung. Sie ent­ste­hen oft durch le­ben­di­ge Kör­per, Per­so­nen, die prä­sent sind und als Teil der Mu­sik wahr­ge­nom­men wer­den. Als Kom­po­nis­tin bin ich auch Regisseurin.

Interdisziplinäre Kontexte

Anzeige Amazon: KRAFTWERK - Die Mensch-Maschine: Wechselwirkungen zwischen Technologie und Komposition (neue musik wissenschaft: Schriften der Hochschule für Musik Dresden)
An­zei­ge

Um die kom­ple­xen Ab­läu­fe und In­ter­ak­tio­nen mit den Son-Icons, dem Raum und un­ter den Mu­si­ke­rIn­nen und Künst­le­rIn­nen aus ver­schie­de­nen Dis­zi­pli­nen zu ko­or­di­nie­ren und in­spi­rie­ren, habe ich die “In­ter­Ac­tion Na­ti­on” IAN ent­wi­ckelt. Die­se No­ta­ti­on für in­ter­dis­zi­pli­nä­re Kon­tex­te ist ein wich­ti­ges In­ter­face und ge­mein­sa­me Spra­che für Kol­la­bo­ra­ti­on auf Au­gen­hö­he über die Dis­zi­pli­nen hinweg.

Durch die trans­dis­zi­pli­nä­ren Be­zü­ge bie­tet mein Werk ver­schie­de­ne Ein­gän­ge für die Krea­ti­on wie die Re­zep­ti­on an. Auch für das Pu­bli­kum er­öff­nen sich ver­schie­dens­te An­dock­punk­te. Je­mand fin­det durch die vi­su­el­len Par­ti­tu­ren der Son-Icons den Ein­gang in die Mu­sik, eine an­de­re Per­son über die sze­ni­schen Ele­men­te den Be­zug zum Raum und zum räum­li­chen Hö­ren etc. Mit Mu­sik und Kunst möch­te ich Re­so­nanz­räu­me eröffnen.

Ihre mu­si­ka­li­sche Ar­beits­wei­se ist oft durch das Ele­ment der Im­pro­vi­sa­ti­on ge­kenn­zeich­net, als bil­den­de Künst­le­rin fer­ti­gen Sie zu­dem Klang­zeich­nun­gen an, eben die be­reits er­wähn­ten Son-Icons als Vi­su­el­le Mu­sik. Füh­len, Se­hen, Hö­ren – in wel­cher Reihenfolge?

Die Im­pro­vi­sa­ti­on ist ganz zen­tral in mei­ner künst­le­ri­schen Pra­xis, so et­was wie ei­nen Elan vi­tal, wie es der fran­zö­si­sche Phi­lo­soph Hen­ri Berg­son nen­nen wür­de – Im­pro­vi­sa­ti­on als täg­li­che Pra­xis, gro­ße In­spi­ra­ti­on und Le­bens­auf­ga­be. Auch kon­zer­tie­re ich mit ver­schie­de­nen Im­pro­vi­sa­ti­ons-En­sem­bles welt­weit, dies an in­no­va­ti­ven Off-Spaces so­wie an in­ter­na­tio­na­len Fes­ti­vals, u.a. mit dem Schwei­zer Duo Niggli-Hug, im bri­ti­schen Trio mit der Aus­nah­me­sän­ge­rin Mag­gie Ni­cols und der Sa­xo­pho­nis­tin Ca­ro­li­ne Kraa­bel, dem Stel­la­ri String Quar­tett mit Phil Wachs­mann, Mar­cio Mat­tos und John Ed­wards oder im Trio mit den bei­den Schwe­din­nen Nina de He­ney und Lisa Ullen.

The Medium Is The Message

Die Rei­hen­fol­ge, ob die Son-Icons oder die Mu­sik zu­erst kom­men, va­ri­iert stark. Der Me­di­en-Wech­sel ge­schieht oft auch in ei­nem ra­schen Wech­sel als trans­dis­zi­pli­nä­rer Pro­zess. Der be­rühm­te Satz: “The me­di­um is the mes­sa­ge” von Mar­shall McLuhan ist auch für mei­ne Her­an­ge­hens­wei­se prä­gend. Mu­sik und Klang of­fen­ba­ren an­de­re In­hal­te als die Vi­sua­li­sie­rung durch Son-Icons. Die Zei­chen­ges­te, ge­führt durch das Me­di­um des Kör­pers mit sei­ner mu­si­ka­li­schen Er­fah­rung und Kör­per­in­tel­li­genz, über­rascht mich im­mer wie­der neu durch ihre kla­ren, oft viel­stim­mi­gen Son-Icons-Struk­tu­ren von An­ders­wo. So nä­he­re ich mich oft über Mo­na­te ei­nem The­ma an und er­fah­re durch die­sen Me­di­en-Wech­sel im­mer neue Fa­cet­ten und sub­stan­ti­el­le Ver­tie­fung des Themas.

Charlotte Hug - Musikalische Raum-Installationen Insomnia - Interview GLAREAN MAGAZIN - Februar 2023
“Me­di­en-Wech­sel als trans­dis­zi­pli­nä­rer Pro­zess”: Die Raum-In­stal­la­ti­on In­som­nia im Kunst­mu­se­um Lu­zern von Char­lot­te Hug (© Ste­fa­no Schröter)

Die Son-Icons sind Kern und Herz­stück mei­ner Kunst. Son-Icons sind Hy­bri­de: Mit Son-Icons habe ich ei­ner­seits eine Kom­po­si­ti­ons­me­tho­de ent­wi­ckelt, mit der ich für So­lis­tIn­nen, En­sem­bles, Dance Com­pa­nies, aber auch für Live-Elek­tro­nik, Chö­re und Or­ches­ter kom­po­nie­re. Son-Icons sind zu­dem ei­gen­stän­di­ge Kunst­wer­ke, die ich in Ga­le­rien, Kunst­räu­men, in orts­spe­zi­fi­schen Set­tings oder Mu­se­en ausstelle.

Wie kann man sich die­se hy­bri­de Exis­tenz der Son-Icons kon­kret vorstellen?

Als Ar­tis­te Etoi­le am Lu­cer­ne Fes­ti­val durf­te ich in ei­nem in­ter­dis­zi­pli­nä­ren Team eine Kol­la­bo­ra­ti­on mit zwei Kunst-In­sti­tu­tio­nen kon­zi­pie­ren. Im Kunst­mu­se­um Lu­zern konn­ten Mu­se­ums-Be­su­che­rIn­nen die au­dio-vi­su­el­le In­stal­la­ti­on In­som­nia wäh­rend drei Mo­na­ten tags­über zu Mu­se­ums­zei­ten be­su­chen. Am Abend wur­de die In­stal­la­ti­on wäh­rend des Lu­cer­ne Fes­ti­vals zur Raum-Par­ti­tur ver­wan­delt. Die In­stal­la­ti­on wur­de mit über 20 Kon­zer­ten be­lebt und be­spielt. Dies un­ter an­de­rem mit dem Stel­la­ri String Quar­tett aus Lon­don oder mit mei­ner Solo-Per­for­mance Slip­way to Ga­la­xies. Je­des Mal wur­de das Set­ting ver­än­dert, die Licht-Rhyth­men an­ders ge­setzt. Auch die Raum-Par­ti­tur war in ei­nem stän­di­gen Wan­del und jede Vor­stel­lung einzigartig.

Charlotte Hug - Dirigentin der Lucerne Festival 2011 - Interview GLAREAN MAGAZIN - Februar 2023 - Foto Franca Pedrazzetti
“Reich­tum un­ter­schied­li­cher Büh­nen, Denk- und Er­kun­dungs­räu­men”: Char­lot­te Hug di­ri­giert ihr Auf­trags­werk “Nacht­plas­men” für die Lu­cer­ne Fes­ti­val Aca­de­my 2011 (© Fran­ca Pedrazzetti)

Das Or­ches­ter­werk Nacht­plas­men für die Lu­cer­ne Fes­ti­val Aca­de­my mit Son-Icons und ei­ner in­ter­ak­ti­ven Vi­deo-Par­ti­tur bil­de­te den drit­ten Fo­kus am Lu­cer­ne Fes­ti­val. Oft ka­men In­ter­es­sier­te mehr­mals zu Ver­an­stal­tun­gen oder in die Aus­stel­lung. Das Pu­bli­kum bei­der In­sti­tu­tio­nen misch­te sich. Sol­che Kol­la­bo­ra­tio­nen bie­ten durch die ver­bin­den­de trans­dis­zi­pli­nä­re künst­le­ri­sche Ar­beit ei­nen be­son­de­ren Reich­tum von un­ter­schied­li­chen Büh­nen, Denk- und Erkundungsräumen.

Charlotte Hug - Installation im Multimedia Art Museum Moscow - Interview GLAREAN MAGAZIN - Februar 2023
Son-Icons-In­stal­la­ti­on im Mos­kau­er Mul­ti­me­dia Art Mu­se­um (© Iakov Khalip)

Ich bin dank­bar, dass sol­che Kol­la­bo­ra­tio­nen mit ver­schie­de­nen In­sti­tu­tio­nen im In- und Aus­land im­mer wie­der zu­stan­de ka­men, z.B. die Son-Icons-In­stal­la­ti­on im Mul­ti­me­dia Art Mu­se­um Mo­scow, die Raum-Par­ti­tur für das Mo­scow Con­tem­po­ra­ry Mu­sic En­sem­ble, die In­stal­la­ti­on im Haus der Ber­li­ner Fest­spie­le oder die Solo-Per­for­man­ces am Fes­ti­val März-Mu­sik u.a.
Ger­ne er­gän­ze ich die­se un­ter­schied­li­chen Set­tings auch mit Ar­tist Talks, Be­geg­nun­gen und Ge­sprächs­for­men wie “meet the ar­tist” oder mo­de­rier­ten Ge­sprä­chen mit Ku­ra­to­rIn­nen, Ver­an­stal­te­rIn­nen etc. Sol­che Kom­bi­na­tio­nen bie­ten dem Pu­bli­kum ver­schie­den­ar­ti­ge Er­leb­nis­se und die Mög­lich­keit zum mehr­ma­li­gen Be­such und zur Vertiefung.

Achtstimmigkeit auf der Viola

Ihr Haupt­in­stru­ment ist die Vio­la, de­ren Klang- und Spiel­gren­zen sie per­ma­nent neu aus­lo­ten, z.B. auch mit der ei­gens ent­wi­ckel­ten Weich­bo­gen­tech­nik, um bis zu acht­stim­mi­ge Mul­ti­pho­nics zu er­zeu­gen. Wie ka­men Sie zu die­sem Instrument?

Anzeige Amazon: Musik im Blick: Visuelle Perspektiven auf auditive Kulturen
An­zei­ge

Mit vier Jah­ren be­kam ich bei mei­nem Groß­va­ter, der als Ton­hal­len-Mu­si­ker ein Le­ben lang in Zü­rich leb­te und mu­si­zier­te, Gei­gen­un­ter­richt. Zu­hau­se spiel­te ich klas­sisch. Oft ging ich aber in das nahe Bach­to­bel, um hier zu im­pro­vi­sie­ren und mei­ne ei­ge­ne Mu­sik zu machen.
Auch heu­te spie­le ich oft an spe­zi­el­len Or­ten. Ich lie­be mei­ne Vio­la von Thi­er aus dem Jahr 1763. Die Ar­beit mit Live-Elek­tro­nik war und ist je­doch auch im­mer ein wich­ti­ges Ele­ment und hat mei­ne Klang­fan­ta­sie stark ge­prägt und er­wei­tert. Wenn ich im Rhô­ne­glet­scher spie­le oder mich auf dem Sta­pel­lauf bei Cobh vom At­lan­tik über­flu­ten las­se, dann gibt es an sol­chen Or­ten kei­nen Strom. Trotz­dem woll­te ich mei­ne Klang­fan­ta­sien zum Klin­gen brin­gen und auch an die­sen Or­ten viel­stim­mig spie­len – das ma­gi­sche Wort war “acou­stic electronics”.

Interaktion mit dem Musikinstrument

Die Idee des Weich­bo­gens ist ein­fach. Die Haa­re des Bo­gens wer­den ge­löst. Mit um­ge­kehr­tem Bo­gen und je nach Win­kel und Hal­tung kön­nen die wei­chen Bo­gen­haa­re ein bis vier und vor- und hin­ter dem Steg so­gar bis acht schwin­gen­de Sai­ten be­rüh­ren und zum Klin­gen brin­gen. Den Weich­bo­gen oder Soft-Bow habe ich op­ti­miert, um rasch vom Stan­dard­bo­gen zum Weich­bo­gen zu wech­seln und um­ge­kehrt. Den spe­zi­ell da­für ent­wi­ckel­ten Ti­tan-Ver­schluss am Frosch des Weich­bo­gens habe ich mit dem In­dus­trie-De­si­gner Tho­mas Steu­ri und dem Gei­gen­bau­er Pe­ter Wes­ter­mann ge­mein­sam ent­wi­ckelt. Der Weich­bo­gen ist kein Spe­zi­al-Ef­fekt, son­dern ich ent­wi­ckel­te eine viel­schich­ti­ge Spiel­tech­nik. So­mit ist tat­säch­lich so et­was wie ein neu­es In­stru­ment entstanden.

In die­sem Sin­ne schrieb Raul d’Gama Rose 2019 im Ma­ga­zin All About Jazz: “Her re­vo­lu­tio­na­ry play­ing ce­le­bra­ted in the uni­que ‘soft-bo­wing’ tech­ni­que has tur­ned the shrill glis­san­di of the vio­la into hues of deep, in­dul­gent warmth. As her pas­si­on for the hu­man in­ter­ac­tion with her in­stru­ment de­ve­lo­ped, she be­gan to meld her uni­que vo­ca­li­stics into her artful re­inven­ti­on of the vio­la and her mu­sic. Hug’s bra­ve ad­ven­ture in which Char­lot­te Hug reig­ns su­pre­me. It is here that her world of mu­sic awa­kens the spi­rits dancing in the flesh.”

Als Vo­ka­lis­tin be­herr­schen Sie ein be­ein­dru­cken­des Sound-Re­per­toire. Wo und wie ha­ben Sie sich die­sen “hy­bri­den Si­re­nen­ge­sang”, wie ihn Bar­ba­ra Eck­le nann­te, angeeignet?

Charlotte Hug - Schamanische Musikinstrumente - Interview GLAREAN MAGAZIN - Februar 2023
“Klän­ge beim Ein- wie beim Aus­at­men”: Scha­ma­ni­sche Musikinstrumente

Auch als Vo­ka­lis­tin kom­me ich vom klas­si­schen Ge­sang. Dank zwei­er Ar­tist Re­si­den­ci­es von Pro Hel­ve­tia konn­te ich meh­re­re Mo­na­te in Süd­afri­ka und Chi­na ver­brin­gen. Im­mer wie­der kam ich mit tra­di­tio­nel­len, spi­ri­tu­el­len oder auch scha­ma­ni­schen Ge­sän­gen in Kon­takt. 2017 traf ich in Hang­zhou die Mu­sik­eth­no­lo­gin Adel Jing Wang. Mit ihr ver­bin­det mich eine in­ten­si­ve Zu­sam­men­ar­beit. Sie er­mög­lich­te mir auch ver­tief­te Ein­bli­cke in den Scha­ma­ni­schen Gesang.
Nebst di­ver­sen For­men von Un­ter- und Ober­tö­nen war ein we­sent­li­ches Ele­ment des scha­ma­ni­schen Ge­san­ges in Chi­na, beim Aus­at­men wie auch beim Ein­at­men Klän­ge von sich zu ge­ben. Das war eine enor­me In­spi­ra­ti­on für mich. Den Ge­dan­ken, durch Ein­sau­gen der Luft Klän­ge zu er­zeu­gen, habe ich in­ten­siv ver­folgt. Un­zäh­li­ge neue Klän­ge konn­te ich ent­de­cken und die­se Tech­nik für mei­ne Klang­vor­stel­lun­gen ent­wi­ckeln und verfeinern.

Erfahrungserweiterung durch Caoineadh-Gesang

Anzeige Amazon: Burleska für Kammerorchester - Walter Eigenmann
An­zei­ge

Eine mehr­jäh­ri­ge For­schungs­ar­beit be­gann je­doch be­reits 2005 in Cobh/Irland. Ein ehe­ma­li­ger Ma­tro­se er­zähl­te mir von An­der­wel­ten und dem kel­ti­schen Grab­ge­sang, dem Kee­ning oder auf Gä­lisch dem Cao­i­neadh. Die­ser Ge­sang be­glei­te­te ei­nen Ver­stor­be­nen. Im­mer wie­der sind auch die Sta­tio­nen nach An­der­wel­ten prä­gend. Kee­ning oder Cao­i­neadh auf Gä­lisch wird im­mer von Frau­en praktiziert.
Wie man mir sag­te, exis­tiert der ori­gi­na­le Ge­sang am Grab ei­nes Ver­stor­be­nen nicht auf Ton­trä­gern. Es ist ein zu­tiefst spi­ri­tu­el­ler Ge­sang. Die Be­fürch­tung war groß, dass die Wirk­kraft durch eine Auf­nah­me ver­än­dert oder ver­lo­ren ge­hen könn­te. Ich hat­te je­doch die Chan­ce, ein paar hoch­be­tag­te Men­schen in Cork per­sön­lich zu tref­fen und sie nach ih­ren Er­in­ne­run­gen zu Cao­i­neadh zu be­fra­gen. Sie er­zähl­ten mir von ih­ren Kind­heits­er­in­ne­run­gen, und wie das da­mals ge­klun­gen hatte.
Kee­ning ist ein rei­ches Feld. Nebst lang­sa­men, stark re­pe­ti­ti­ven Ge­sän­gen gibt es ver­schie­de­ne Kee­ning-Tech­ni­ken. Ty­pisch sind ra­sche Zun­gen­schlä­ge oder fast Jo­del­ef­fek­te zwi­schen den Stimm­re­gis­tern. Die Be­schrei­bung ei­nes Os­zil­lie­rens von ho­her Kopf­stim­me und Fal­sett­stim­me hat mich fas­zi­niert und elektrisiert.

Zwischen Kopfstimme und Falsett

Schamanen-Sängerin - UUTAi Olena - Glarean Magazin
Zwi­schen Kopf­stim­me und Fal­sett: Die Scha­ma­nen-Sän­ge­rin Ole­na UUTAi

Nach ei­nem Jahr kehr­te ich nach Coph zu­rück und gab Klang­bei­spie­le zum Bes­ten. Das Echo war je­doch, dass das, was ich hier sin­ge, nicht Kee­ning sei. So such­te und übte ich wei­ter. 2008 hat­te ich im Si­ri­us Arts Cen­ter eine Solo-Aus­stel­lung mit Son-Icons und ei­ner Performance.
Nach drei Jah­ren be­kam ich den Rit­ter­schlag von ei­ner Be­su­che­rin. Sie mein­te, was ich hier sin­ge, sei tat­säch­lich wie Cao­i­neadh. Es sei zwar ein “mo­der­nes” Kee­ning, was ich da sin­ge, mein­te sie, aber mein Ge­sang er­in­ne­re sie je­doch stark an den letz­ten Über­gang zu Anderwelten.
Die­se schwe­ben­den, hoch­er­reg­ten os­zil­lie­ren­den Glot­tis-Schlä­ge zwi­schen Kopf­stim­me und Fal­sett ha­ben eine Kraft, und sie las­sen mich bis heu­te nicht mehr los. So ent­wick­le ich die­se Tech­nik in mei­ner mu­si­ka­li­schen Spra­che und Äs­the­tik im­mer wei­ter. Span­nend war auch, dass mein Cao­i­neadh auf ver­schie­de­nen Kon­ti­nen­ten in ganz un­ter­schied­li­chen Kon­tex­ten be­rühr­te und auf gro­ßes In­ter­es­se ge­sto­ßen ist.

Zu­rück zum “Si­re­nen­ge­sang” von Bar­ba­ra Eck­le: Ima­gi­nier­te Stim­men al­ler Art, nicht be­schränkt auf die mensch­li­che Stim­me, prä­gen mei­ne Klang­fan­ta­sie und die Lust am Sin­gen. Raul Ditt­mann for­mu­lier­te es 2019 im Ma­ga­zin Bad Al­che­my fol­gen­der­ma­ßen: “What a phe­no­me­non, this slen­der ar­tist and ex­tre­me mu­si­ci­an with her wild mane of hair. Hug draws un­be­lie­va­ble sounds from the strings and pro­du­ces even more un­be­lie­va­ble clicks in her throat. A shaman, a bans­hee, a Yma Su­mac, sur­re­al fau­na, from the bird of pa­ra­di­se to the hor­se on the land, she tran­s­cends the sounds…”

Verführung in andere Welten

Es scheint, als be­sä­ße Ihre künst­le­ri­sche Aus­drucks­wei­se eine aus­ge­präg­te su­pra­na­tu­ra­lis­ti­sche Ebe­ne. Wür­den Sie dem zustimmen?

Mu­sik ver­bin­det Sicht­ba­res und Un­sicht­ba­res und hat un­be­dingt die Kraft, sich jen­seits von Na­tur an­zu­sie­deln, uns in an­de­re Wel­ten zu ver­füh­ren oder auch in ganz an­de­re Um­lauf­bah­nen zu katapultieren.

Wie ste­hen Sie als Klang­fe­ti­schis­tin ei­gent­lich zum ewi­gen Rau­schen des in­ter­stel­la­ren Nichts?

Die As­tro­no­min Stel­la Koch Ocker meint: “Wir de­tek­tie­ren also das schwa­che, an­hal­ten­de Brum­men von in­ter­stel­la­rem Gas.” Nach Gas­ton Ba­chelar: “Ist in ei­nem an­we­sen­den Bild nicht auch ein ab­we­sen­des ver­bor­gen, bleibt kein Raum für Ima­gi­na­ti­on.” Das Fas­zi­no­sum in die­sem in­ter­stel­la­ren Nichts ist für mich klar die Imagination.

Seit 1998 “be­spie­len” Sie jähr­lich den ver­schwin­den­den Rhô­ne­glet­scher mit Solo-Per­for­man­ces. Wie darf man sich die Tex­tur des Ei­ses syn­äs­the­tisch vorstellen?

Charlotte Hug - Viola-Performance im Rhone-Gletscher - Interview GLAREAN MAGAZIN - Februar 2023
“Mul­ti­sens­ori­el­les Er­leb­nis”: Vio­la-Per­for­mance im Rhô­ne-Glesch­ter (© Al­ber­to Venzago)

Die Ar­beit im Glet­scher ist ein mul­ti­sens­ori­el­les Er­leb­nis. Das in­ten­si­ve Vi­tri­ol-Blau im In­ne­ren des Glet­schers ist be­tö­rend schön, die Klän­ge im Eis, die Trop­fen und Span­nun­gen, die Käl­te, all dies prägt und ver­än­dert das Spiel. Mein In­ter­es­se und künst­le­ri­sche Her­an­ge­hens­wei­se wa­ren aber weit grö­ßer als eine mög­li­che Synästhesie.
Ver­schie­de­ne Zeit­di­men­sio­nen sind prä­sent: Von der Po­ly­rhyth­mik der Trop­fen im Mo­ment, zu den Ta­ges­rhyth­men, sicht­bar durch die Licht­ver­hält­nis­se und hör­bar durch die Span­nun­gen und dem dar­aus re­sul­tie­ren­den Kna­cken im Eis, die be­son­ders durch die Ab­küh­lung wäh­rend der Däm­me­rung hör­bar wur­den. Je nach Jah­res­zeit sind die For­men des Ei­ses sehr unterschiedlich.

Das Schwinden des ewigen Eises hörbar gemacht

Über Jah­re habe ich im Stol­len des Rhô­ne­glet­schers ge­spielt und ge­sun­gen. Je­des Jahr zog sich der Glet­scher wei­ter zu­rück. Der Re­so­nanz­kör­per ver­än­der­te sich, wur­de dünn­wan­di­ger, durch­lä­ßi­ger und von Jahr zu Jahr mas­siv kür­zer. Nebst der gro­ßen Lie­be zum Glet­scher und der gro­ßen In­spi­ra­ti­on, die von ihm aus­geht, war mir zen­tra­les An­lie­gen, durch mei­ne Klän­ge das Schwin­den und die Il­lu­si­on des ewi­gen Ei­ses sinn­lich hör­bar zu machen.

Charlotte Hug - Das Schwinden des ewigen Eises hörbar gemacht - Interview GLAREAN MAGAZIN - Februar 2023
“Das Schwin­den des ewi­gen Ei­ses hör­bar ge­macht”: Char­lot­te Hug auf dem Rhô­ne-Glet­scher (© Al­ber­to Venzago)

Be­reits in frü­hen Ar­bei­ten wie z.B. die Solo-CD “Mau­er­raum Wand­raum” war dies The­ma. “The act of di­s­ap­pearing” kehr­te über die Jah­re in ver­schie­de­nen Ar­bei­ten wie­der. In der ak­tu­el­len Solo-Per­for­mance The Va­nis­hing Blue hat das Ver­schwin­den eine dring­li­che sze­nisch-in­ter­dis­zi­pli­nä­re Form an­ge­nom­men. Mit Live-Pain­ting male ich For­men des Ei­ses mit Was­ser auf ei­nen groß­for­ma­ti­gen Un­ter­grund. Dann in­ter­pre­tie­re ich die­se Glet­scher Son-Icons und sin­ge ein Kee­ning für den Glet­scher. Am Ende der Per­fo­mance herrscht Stil­le. Die ge­mal­ten Glet­scher­for­men sind ver­duns­tet und verschwunden.
Bei der Ur­auf­füh­rung 2020 an der Staats­oper Stutt­gart fand an­schlie­ßend eine Pa­nel­dis­kus­si­on mit der Dra­ma­tur­gin Bar­ba­ra Eck­le, dem Gla­zio­lo­gen Leo Sold und mir statt. Sol­che Cross-Sci­ence-Ver­an­stal­tun­gen im Zu­sam­men­hang mit kli­ma­ti­schen Ver­än­de­run­gen und den schwin­den­den Glet­schern wer­den mir im­mer wichtiger.

Für das noch jun­ge Jahr 2023: Was sind Ihre kom­men­den Projekte?

Für 2023 sind ver­schie­de­ne Pro­jek­te ge­plant. Im Som­mer wer­de ich mei­ne vier­te Solo CD auf­neh­men. Die Vor­be­rei­tun­gen be­glei­ten mich schon seit lan­gem. Die­ses Jahr ist es nun soweit.
Die­ser Tage ar­bei­te ich in­ten­siv an der Raum-Par­ti­tur von “Shapes Of Time” für ein En­sem­ble in Ha­li­fax in Canada.
Ak­tu­ell mi­schen wir die neue CD-Auf­nah­me des Tri­os mit Mag­gie Ni­cols und Ca­ro­li­ne Kraabel.
Dank der über 20-jäh­ri­gen Er­fah­rung im Lon­don Im­pro­vi­sers Or­ches­tra wer­de ich ei­ner­seits mit dem von Mag­da Ma­yas und mir ge­grün­de­ten Lu­cer­ne Im­pro­vi­sers Or­ches­tra ar­bei­ten so­wie im Som­mer ein neu­es Stück für das Stey­ran Im­pro­vi­sers Or­ches­tra kon­zi­pie­ren, di­ri­gie­ren und in Graz aufführen.

Linda Bouchard - Glarean Magazin
“Aus­tausch über vi­su­el­le Par­ti­tu­ren”: Die ka­na­di­sche Kom­po­nis­tin Lin­da Bouchard

Im No­vem­ber spie­len wir im TriO­cu­lar mit Fran­çois Houle und Lori Freed­man die Fort­set­zung des Pro­jekts Ocu­lar Scores – Live Struc­tures der Kom­po­nis­tin Lin­da Bou­chard. Die­se vi­su­el­le, di­gi­ta­le Par­ti­tur ver­än­dert sich stän­dig, je nach­dem wie sie in­ter­pre­tiert wird. Mit die­sem Pro­jekt Ocu­lar-Scores – Live Struc­tures ge­hen wir im No­vem­ber auf eine USA West-Co­ast Tour. Der Film zu die­sem Pro­jekt wird am 17. Fe­bru­ar her­aus­kom­men. Mit Lin­da Bou­chard ver­bin­det mich seit Jah­ren die gros­se Pas­si­on und ein re­ger Aus­tausch über vi­su­el­le Par­ti­tu­ren, die sich stän­dig weiterentwickeln.

Als Do­zen­tin mit brei­ter Un­ter­richts­er­fah­rung, z.B. an der Lu­zer­ner Mu­sik­hoch­schu­le oder der Zür­cher Hoch­schu­le der Küns­te, su­chen Sie den Kon­takt zu kom­men­den Ge­ne­ra­tio­nen von Künst­le­rin­nen und Künst­lern. Was be­schäf­tigt die Studierenden?

An der Mu­sik­hoch­schu­le in Lu­zern bin ich im grund­stän­di­gen Stu­di­um tä­tig, dies un­ter an­de­rem im Mas­ter Mu­sik & Art Per­for­mance, Mu­sik & Be­we­gung so­wie im Mi­nor Im­pro­vi­sa­ti­on. An der ZHdK der Zür­cher Hoch­schu­le der Küns­te sind alle Dis­zi­pli­nen un­ter ei­nem Dach ver­eint. Hier bin ich vor al­lem in der mu­si­ka­lisch-trans­dis­zi­pli­nä­ren Krea­ti­on aktiv.
Om­ni­prä­sent sind bei den Stu­die­ren­den im grund­stän­di­gen Stu­di­um die ak­tu­ell viel­dis­ku­tier­ten The­men des Kli­mas, Nach­hal­tig­keit, Iden­ti­tät, Gen­der, Wo­ke­ness etc. An der ZHdK in­iti­ier­te und lei­te ich den in­ter­na­tio­na­len ein­jäh­ri­gen CAS-Wei­ter­bil­dungs-Stu­di­en­gang “Crea­ti­on & Sce­na­rio in Mu­sic”. Auch bie­te ich den Bau­stein “Fo­cu­sing on Crea­ti­on” mit in­di­vi­du­el­len Men­to­ra­ten an. Die The­men und In­ter­es­sen in der Wei­ter­bil­dung sind hier enorm breit gefächert.

In den Phänomenen die Zeichen des Lebens

Wo ich je­doch alle Stu­die­ren­den ab­ho­len möch­te, ist: Dig Deep – su­che dei­ne ur­ei­ge­nen bren­nen­den The­men, fo­kus­sie­re dar­auf mit dem wei­ten Geist der Kunst. Wie ge­lin­gen künst­le­ri­sche Über­set­zun­gen in Klän­ge, trans­dis­zi­pli­nä­re In­sze­nie­run­gen, an wel­chen Or­ten fin­den die­se statt – in rea­len, vir­tu­el­len oder hy­bri­den Or­ten? Wie er­rei­che ich die Men­schen mit mei­ner Pas­si­on, al­len­falls auch mei­ner po­li­ti­schen Mes­sa­ge – dies je­doch, ohne die Kunst zu instrumentalisieren?
Du kennst dein Pu­bli­kum nicht -bie­te ein le­ben­di­ges mul­ti­di­men­sio­na­les Be­zugs­sys­tem dei­ner Kunst an. Lade das Pu­bli­kum ein, und im bes­ten Fall geht beim Pu­bli­kum der Pro­zess rhi­zo­ma­tisch im­mer wei­ter. Oder wie es Fou­cault for­mu­liert: “Nous de­vri­ons cher­cher des si­gnes de vie dans les phénomènes.”

Wel­che Ka­ta­ly­sa­to­ren für Krea­ti­vi­tät kön­nen Sie weiterempfehlen?

Dort, wo die Seh- und Hör­nei­gun­gen an­de­re Re­sul­ta­te und Fra­gen auf­wer­fen, hei­ße jeg­li­che me­dia­le In­kon­gru­en­zen will­kom­men, dort wird der Me­di­en­wech­sel zum Ideen­ka­ta­ly­sa­tor und die Zwi­schen­räu­me zu Innovationsfeldern.
Be­gin­ne jetzt – dig deep. re­cher­chie­re, übe, öff­ne, fo­kus­sie­re, skiz­zie­re, tan­ze, im­pro­vi­sie­re, be­haup­te, ver­wer­fe – kom­me wie­der dar­auf zu­rück, blei­be dran, wechs­le die Per­spek­ti­ven, dre­he dein Hirn um und kre­iere wei­ter. Kunst führt mit­ten ins Den­ken und wie­der hinaus.

Frau Hug, wie klingt ei­gent­lich die Mu­sik der Zukunft?

Die Welt ist groß, und wie Mu­si­ken in Zu­kunft klin­gen wer­den, ist zum Glück ein Mys­te­ri­um. In der Im­pro­vi­sa­ti­on ist der Mo­ment zwi­schen dem Er­klin­gen­den und dem Ima­gi­nä­ren für mich am le­ben­digs­ten er­leb­bar – und es geht im­mer weiter.
“Yes­ter­day is histo­ry, to­mor­row is a mystery,
to­day is a gift, that is why it is cal­led the present.” ♦

Le­sen Sie im GLAREAN MAGAZIN zum The­ma Kom­po­si­ti­on auch das In­ter­view mit Ka­tha­ri­na Nohl: “Die Mu­sik wird wie­der har­mo­ni­scher werden”

… so­wie zum The­ma Zeit­ge­nös­si­sche Mu­sik das “Mu­sik-Zi­tat der Wo­che” von Ur­su­la Petrik


Ein Kommentar

  1. Dan­ke für die­sen in­ter­es­san­ten Bei­trag über eine der in­no­va­tivs­ten Mu­si­ke­rin­nen der Schweiz! Frau Hug hör­te ich schon zwei­mal öf­fent­lich, ihre bild­ne­ri­schen Wer­ke ken­ne ich we­ni­ger. Sehr ge­lun­gen auch die ge­schick­ten Fra­ge­stel­lun­gen von Herrn Lei­ner, der da­mit die Künst­le­rin aus der Re­ser­ve lock­te 🙂 Schö­ner Bei­trag, auch im Sin­ne des fe­mi­ni­nen Kunst­schaf­fens in der Schweiz. Merci!

Kommentare sind willkommen! (Keine E-Mail-Pflicht)